Wenn du zu meiner Generation gehörst, hast du wahrscheinlich auch zu wenig Vermögen. Jetzt weiß ich, was wir dagegen tun können.
Joey Tribbiani ist bekannt für seine plumpen Anmachen, seinen riesigen Appetit und sein dauerhaft leeres Konto. Auch die 5 anderen Hauptfiguren der Sitcom Friends haben nicht gerade üppig bezahlte Jobs.Trotzdem sieht man die Freunde nur selten beim Arbeiten und stattdessen viel öfter mit einem frisch bestellten Cappuccino in ihrem Stammcafé »Central Perk«. Und wenn man auch nur ein bisschen was über die Mieten in New York weiß, wundert man sich doch sehr, wie sich Monica und Rachelzu zweit eine derart riesige Wohnung in Manhattan leisten können.
Wissenschaftler der Federal Reserve Bank of St. Louis haben jetzt eine Erklärung dafür gefunden: Die Generation X, der auch die New Yorker Freundesclique aus Friends angehört, hatte ihrerzeit deutlich mehr Vermögen als die Millennials,die heute in den ersten Jahren ihres Berufslebens stehen.
Das überrascht mich kaum – ich werde demnächst 30 und gehöre genau zu dieser Zielgruppe. Spontan fällt mir niemand in meinem Alter ein, der sich Monicas und Rachels Wohnung leisten könnte. Das ist ein Problem.
Warum weniger Vermögen ein Problem ist
Gerade brummt die Wirtschaft und die Löhne steigen. In meiner Generation kommt trotzdem wenig davon an, aus mehreren Gründen:
- Inflation: Mieten und Verbrauchsgüter werden teurer. Das ist vollkommen normal, frisst jedoch den Zuwachs an Einkommen wieder auf – bevor wir etwas davon zur Seite legen können.
- Steigende Vermögensungleichheit: Mittlerweile besitzen in Deutschland weniger als 50 Superreiche so viel wie die Hälfte der Bevölkerung, die am wenigsten haben, zusammen. 40 Millionen Menschen am unteren Ende haben also so viel wie 50 am oberen Ende. Die Mittelschicht ist spürbar kleiner geworden – wobei sich Wissenschaftler uneinig sind, ob sie in diesem oder bereits im vorherigen Jahrzehnt besonders stark geschrumpft ist.
- Niedrige Einkommensmobilität: Auch die Bundesregierung musste zur Kenntnis nehmen, dass die soziale Ungleichheit steigt, während die Einkommensmobilität – also die individuellen Möglichkeiten, in besser bezahlte Jobs zu wechseln – gering bleibt.
- Erbschaften konzentrieren sich bei Reichen: Zusammen besitzen die Deutschen gut 11 Billionen Euro, davon werden in den Jahren 2015–2024 etwa 3 Billionen vererbt. Ein Drittel davon liegt bei den obersten 2% der Reichsten. Und insgesamt steigen vor allem die Fälle der Erbschaften, in denen überhaupt kein Geldvermögen oder sogar Schulden weitergegeben werden. Deutlich schwächer wächst der Anteil der Erbschaften von mehr als 150.000 Euro.
Aus sozioökonomischen Entwicklungen wie diesen zieht der Münchener Politikwissenschaftler Yascha Mounk, der an der US-Elite-Universität Harvard unterrichtet, ein düsteres Fazit. In seinem neuesten Buch »Der Zerfall der Demokratie« schreibt er:
Seit dem Beginn der industriellen Revolution und dem Anbruch der modernen Demokratie haben durchschnittliche Bürger von einer Generation zur nächsten erhebliche Verbesserungen ihrer Lebensqualität genossen. Im letzten Vierteljahrhundert konnten sie hingegen bestenfalls bescheidene Zugewinne verzeichnen. Was für politische Folgen werden die daraus entstehenden Frustrationen wohl nach sich ziehen?– Yascha Mounk, Politikwissenschaftler
Millennials und Moneten
Allerdings bezieht sich Mounk bei seinen Untersuchungen zum großen Teil auf die US-Gesellschaft, in der die Extreme noch einmal weiter auseinanderliegen als in Deutschland. Die Millennials in den USA haben stärker an den Folgen der Finanzkrise zu knabbern und müssen hohe Studiengebühren aufbringen.
Trotzdem erschreckt mich die Lücke, die zwischen den beiden Generationen in den USA klafft: Ein typischer Haushalt der Generation X hatte im Jahr 2001 inflationsbereinigt rund 130.000 US-Dollar auf der hohen Kante. Bei den Millennials waren es im Jahr 2016 nur noch 90.000 US-Dollar. Lediglich bei den Kreditschulden stehen junge US-Amerikaner heute besser da, aber auch hierfür gibt es eine ernüchternde Erklärung. Früher hatte die junge Generation mehr Schulden, weil mehr von ihnen bereits in Eigentumswohnungen lebten, die wiederum das Plus auf der Haben-Seite erhöhten.
Auch in Deutschland sprechen die Zahlen eine ähnliche Sprache. Keine Altersgruppe büßte derart viel Vermögen ein wie die 25–34-Jährigen: Im Jahr 2002 lag das durchschnittliche Nettovermögen in dieser Altersklasse bei rund 27.500 Euro, 10 Jahre später waren es knapp 22.000 Euro – das sind etwa 20% weniger. Am Verdienst kann das jedoch nicht gelegen haben, denn die durchschnittlichen Einkommen aller Altersklassen stiegen recht stabil an.
Steuern wir Millennials geradewegs auf die Altersarmut zu?
Wie viel Geld braucht man?
Viele Menschen in meiner Generation sind sehr zufrieden mit ihrem Leben, obwohl sie wenig verdienen. Ist doch gut, wenn persönliche Erfüllung eine größere Rolle spielt als ein gefülltes Konto. Wir sollten nicht unsere Ideale über Bord werfen, uns in Kostüm und Anzug schmeißen, nur um möglichst viel Kohle zu scheffeln. Allerdings sind auch Menschen mit Idealen nicht vor Situationen gefeit, in denen sie plötzlich mehr Geld brauchen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein ungeplantes Kind kommt, die Eltern pflegebedürftig werden oder die Altersvorsorge ernsthaft angegangen wird. Millennials reden beim Brunchen häufiger über Jobs und Mieten als über den letzten Filmriss.
Klingt spießig, aber wenn wir mal ehrlich sind, reden Millennials heutzutage sonntags beim Brunchen mit Freunden längst häufiger über Jobs, Mieten und »X und Y heiraten« als über den Filmriss am Freitagabend.
Weil so viele Millennials genau wie ich erst einmal studiert haben, bleibt uns weniger Zeit, den Vorsprung der älteren Generationen aufzuholen und ein Vermögen zu bilden, von dem wir auch im Alter noch zehren können. Nicht wenige vertrauen darauf, dass bis dahin der Staat Lösungen findet und zum Beispiel ein bedingungsloses Grundeinkommen einführt.
Blöd nur, wenn dieser Plan nicht aufgeht oder sonst etwas Unvorhergesehenes passiert. Deshalb sollten wir Millennials endlich damit anfangen, Geld anzuhäufen. Wir müssen »vermögensbildende Maßnahmen« ergreifen, wie es im Beratersprech so schön heißt.
4 von 10 Jugendlichen und jungen Erwachsenen wissen zu wenig über Wirtschaft.
Das ist eigentlich nicht so kompliziert, aber viele Millennials wissen über Anlagemöglichkeiten und Finanzen zumindest gefühlt so gut wie nichts. Auch in den Schulen spielt dieses Thema eine untergeordnete Rolle. 4 von 10 Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben Defizite beim Wirtschaftswissen, ein Drittel verfügt über sehr gute Kenntnisse. Immerhin beschäftigen sich etwa 4 von 5 jungen Erwachsenen regelmäßig oder wenigstens ab und zu mit ihrer persönlichen Finanzplanung.
Wie können junge Leute ihre Finanzen aufmöbeln?
Ich bin mit Martin Reuter bei der Verbraucherzentrale in Köln verabredet – nicht um mich selbst beraten zu lassen, sondern um im Interview erst einmal zu erfragen, was junge Berufstätige wie ich davon zu erwarten haben. Er empfängt mich in seinem Büro in der Kölner Altstadt, direkt am Rhein, manchmal kann ich während unseres Gesprächs die lauten Schiffshupen hören. Häufig kommen in dieses Büro junge, gebildete Leute aus der Mittelschicht, die die üblichen Beratungsgebühren für eine unabhängige Beratung einfach aufbringen können – viele Berufseinsteiger fangen mit wenigen hundert Euro monatlich zum Vermögensaufbau an.
Wenn nicht gerade ein Journalist in dem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs sitzt, fragt Reuter zuerst nach den persönlichen Wünschen seines Gegenübers. Dann hakt er zügig einige Punkte ab, die Ratsuchende oft vergessen: Berufsunfähigkeits- und womöglich Risikolebensversicherungen. »Viele Leute haben nicht einmal eine Haftpflicht, das ist das Allerwichtigste«, sagt Reuter. Die nächste Gabelung in den Beratungsgesprächen ist dann, ob jemand eine Immobilie möchte oder nicht. Dafür muss ein paar Jahre lang so viel Geld wie möglich in eine Anlageform abgezweigt werden, in der es sich langsam, aber beständig vermehrt.
In den 16 Jahren, in denen Martin Reuter nun als Finanzberater tätig ist, sind einige Dinge komplizierter geworden. Viele Finanzprodukte, besonders im Versicherungsbereich, sind weniger lukrativ geworden, weil die seit der Finanzkrise dauerhaft niedrigen Zinsen kaum noch Rendite abwerfen. Stattdessen rät Reuter nun häufiger zu einer Anlageform, die kurzfristig zwar risikoreich ist, über längere Zeiträume hingegen ordentliche Erträge in Aussicht stellt:
Ich rate niemandem, die Altersvorsorge nur auf Aktien aufzubauen, aber gerade für junge Leute birgt diese risikoreiche Anlage auch hohe Chancen. Bei einem langen Anlagezeitraum über 20, 30 Jahre können auch Menschen ohne großes Aktienwissen hier ordentlich Rendite machen.– Martin Reuter, Verbraucherzentrale NRW
Häufig geht es dabei um sogenannte »Exchange Traded Funds« (ETFs), also börsengehandelte Fonds. Diese sind passiv gemanagt, das heißt, beim Anbieter sitzt kein teurer Fondsmanager, der dauerhaft mit dem Geld der Kunden Aktien kauft, von denen er erwartet, dass ihr Kurs besonders stark steigt. Stattdessen investiert der Fonds gleichmäßig in alle Aktien eines bestimmten Index, also zum Beispiel die 30 Unternehmen, die dem DAX angehören. So bieten Indexfonds die Möglichkeit, an einem weltweiten Wirtschaftswachstum Anteil zu haben. Viele Direktbanken bieten Sparpläne an, in die man monatlich seine Ersparnisse einzahlen kann und so regelmäßig seine Anteile am Fonds vergrößert.
Wir raten Verbrauchern, die sich nicht viel mit ihren Fonds beschäftigen wollen, zu Indexfonds auf grundlegende Indizes, die das Risiko über viele Aktien in verschiedenen Regionen und allen Branchen breit streuen – wie dem MSCI World oder dem MSCI All Country World, die weltweit Aktien beinhalten – und nicht zu kleinen oder speziellen Indizes.– Martin Reuter, Verbraucherzentrale NRW
Kleinere Indizes oder einzelne Aktien können zwar schneller wachsen, aber sie fallen auch schneller als breitere Fonds. »Man kann sich natürlich auch selbst ein Portfolio bilden, aber dann muss man sich damit beschäftigen«, sagt Reuter. Andererseits erzählt er von Millennials, die daran wohl Spaß hätten: Denn sie wechseln jetzt schon alle 4–6 Monate ihr Tagesgeldkonto, um jedes Mal wieder von Neukundenrabatten zu profitieren.
2 Bausteine, die sich längst nicht für alle lohnen: betriebliche Altersvorsorge und Riester
Häufig geht es auch um 2 Bausteine, die sich für manche lohnen, aber längst nicht für alle: betriebliche Altersvorsorge und Riester. Bei ersterer sei besonders wichtig, dass man lange in einem Unternehmen bleibt und dieses mindestens 30–40% zu den eigenen Anteilen hinzugibt. Rentner müssen nämlich ihre Erlöse daraus wieder versteuern und weiter in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen. Für privat Krankenversicherte wird es noch mal komplizierter. Die Riesterrente lohnt sich sogar nur für eine spezielle Klientel, nämlich für Menschen mit hoher Steuerlast und Menschen, die zwar nicht viel zu versteuerndes Einkommen haben, aber Kinder. »Für den Bereich dazwischen wird es eng, da muss man dann gucken«, sagt Reuter. Es gebe jedoch Fälle, wo der Staat bei einer Riesterrente bis zu 40% übernehme.
Was nach Reuters Erfahrung deutlich zunimmt, ist die Nachfrage nach grünen Fonds, also nach Anlageprodukten, die besonderes Augenmerk auf soziale und ökologische Standards setzen. Sie investieren zum Beispiel nicht in fossile Brennstoffe oder Rüstungskonzerne. »Der Bereich ist natürlich noch komplexer, da man sich auf Gütesiegel nicht verlassen kann, weil die den Markt nicht abbilden«, sagt Reuter. Damit ein Fonds wirklich grün ist, müsse ein Fondsmanager die beteiligten Unternehmen dauerhaft überprüfen und gegebenenfalls rausschmeißen – was den Fonds aber wieder teurer mache.
Nach 45 Minuten Interview bin ich hoffnungsvoll, dass es auch für uns Millennials noch möglich ist, Vermögen aufzubauen und fürs Alter anzusparen. Das Problem dabei liegt auf der Hand: Dies gilt in erster Linie nur für Besserverdiener. Für Menschen unterhalb eines gewissen Einkommens ist es ungleich schwerer, den Weg in die Altersarmut zu verlassen. Um den ärmeren Menschen zu helfen, wäre ein breiteres Finanzwissen in der Gesellschaft ein lohnender erster Schritt. »Tatsächlich fänden wir ganz wichtig, dass das ein Schulfach wird und die Leute darin gebildet werden«, sagt auch Martin Reuter. Auch mit kleinen Sparbeträgen kann man etwas erreichen – man muss nur wissen wie.
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