1 abonnement et 0 abonnés
Article

Antonescu in Rumänien: Diktator von Hitlers Gnaden

Detailansicht öffnen

Faschistoide Machtdemonstration in Bukarest: Vorbeimarsch von Bauernjungen in Tracht mit Hitlergruß nach der Machtübernahme durch General Ion Antonescu 1940 (hinten, Mitte) mit Hilfe der "Eisernen Garde".

(Foto: Scherl)

Von Cristina Marina

Der Weg Rumäniens in eine besonders finstere Phase der Geschichte beginnt am letzten Tag des August 1940 in Wien. Im Schloss Belvedere, das sich einst der in österreichischen Diensten stehende Feldherr Prinz Eugen von Savoyen bauen ließ, konferieren Politiker über die künftigen Grenzen zwischen Ungarn und Rumänien. Für Hitler-Deutschland ist Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop da, auch sein italienischer Amtskollege, der Mussolini-Schwiegersohn Galeazzo Ciano ist angereist.

Zu verhandeln gibt es nicht viel, die deutschen Gastgeber und ihre italienischen Partner diktieren das Ergebnis: Bukarest soll fast alle Gebiete an Budapest abtreten, die vor 1919 zur magyarischen Hälfte des Habsburger-Reichs gehört hatten. Rumänien war als Siegerstaat des Ersten Weltkriegs im Vertrag von Trianon Nord-Siebenbürgen zugeschlagen worden - doch das ist mit dem "Zweiten Wiener Schiedsspruch" vorbei.

Als Ribbentrop und seine Leute dem rumänischen Außenminister Mihail Manoilescu im Schloss Belvedere eine Landkarte mit der neuen Grenzziehung präsentieren, bricht er vor Entsetzen zusammen. Die Deutschen reden von einem drohenden Einmarsch sowjetischer und ungarischer Truppen - ein Bluff, der wirkt. Aus Bukarest kommt die Nachricht, dass König Carol II. zustimmt.

Für den totalitär herrschenden Monarchen ist dieser Schlag politisch nicht zu verkraften. Bereits im Juni hatte Stalin ihn gezwungen, die Landstriche Bessarabien und Nord-Bukowina an die Sowjetunion abzutreten. Mit dem "Zweiten Wiener Schiedsspruch" verliert Rumänien ein Drittel seines Territoriums.

Als sich die Nachricht aus Wien im Land verbreitet, wächst die Empörung schnell an. Mit am lautesten rufen die "Legionäre" der "Eisernen Garde" nach einem Machtwechsel, einer gewaltbereiten Bewegung von frömmelnden Nationalisten, die einen radikalen Antisemitismus vertritt. Hervorgegangen aus der 1927 gegründeten faschistischen Gruppierung "Legion Erzengel Michael", hatte sich die "Eiserne Garde" als politischer Arm der "Legion" inzwischen zu einer Massenbewegung entwickelt.

Als die Kämpfer nach dem Wiener Schiedsspruch versuchen, Carol II. zu stürzen, macht der König den zuvor in Ungnade gefallenen General Ion Antonescu zum Premierminister mit umfassenden Vollmachten - ein folgenschwerer Fehler des Monarchen.

Denn der Militär arrangiert sich mit der "Eisernen Garde" und bootet den König aus. Nur zwei Tage später, am 6. September 1940, muss Carol II. abdanken und ins Exil gehen. Sein erst 18-jähriger Sohn Michael I. folgt ihm auf den Thron. Doch de facto herrscht von nun an nur noch Antonsecu, der sich bald zum Marschall befördern und als "Staatsführer" verehren lässt.

Rumänien wird eine Diktatur mit faschistoiden Zügen. Antisemitismus hingegen hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine lange, unheilvolle Tradition in Rumänien. Nur wenige Jahre in der Zwischenkriegszeit wurden Juden grundsätzliche Rechte eingeräumt - doch bereits ab Ende der 30er Jahre wurde wieder der Hass auf Juden und deren systematische Diskriminierung Teil der Regierungspolitik.

Rumänien war für den NS-Staat als Lieferant für Öl und Getreide wichtig

Die Lage der Juden in Rumänien ist also bereits äußerst schlecht, als Antonescu vor 80 Jahren seine Diktatur installiert - doch nun verschlimmern sich die Vorzeichen noch einmal drastisch. Rumänien wendet sich endgültig vom demokratischen Westen ab. Der damals 58 Jahre alte Antonsecu kettet das Land an Hitler - eine einschneidende Wende.

"Traditionell war Rumänien eher den Westmächten verbunden", sagt der Historiker Michael Shafir von der Universität Babeș-Bolyai in Cluj (Klausenburg), deshalb erklärte sich Bukarest bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 auch für neutral.

Doch die bisherige Schutzmacht Frankreich erlitt am 22. Juni 1940 eine verheerende Niederlage gegen die Deutschen - "für Rumänien war das ein großer Schock." Die rumänische Führung glaubte zu diesem Zeitpunkt, Hitler würde den Weltkrieg bald gewinnen.

Für das Deutsche Reich war Rumänien als Öl- und Getreidelieferant von großer Bedeutung.

Antonescu selbst war dem Historiker Shafir zufolge ein Konservativer der extremen Rechten, aber kein Faschist. Indem er die rumänischen Faschisten der "Eisernen Garde" mitregieren lässt, will Antonescu sein Regime stabilisieren und legitimieren.

Doch die Allianz hält nicht lange. Die Legionäre terrorisieren die Bevölkerung, sie töten politische Gegner, berauben und ermorden gezielt Juden. "Das war auch die Zeit mit den meisten antisemitischen Gesetzen", sagt Marius Cazan vom Elie-Wiesel-Institut für Holocaust-Forschung in Bukarest. Juden ist es damals verboten, als Lehrer, Künstler oder im medizinischen Bereich zu arbeiten, sie werden aus Dörfern vertrieben und müssen Zwangsarbeit leisten.

Die Legionäre versuchen im Januar 1941, auch Antonescu zu stürzen. Der Putschversuch mündet in bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die drei Tage andauern. Während der Kämpfe gibt es in den jüdischen Vierteln Pogrome. Mehr als 120 Menschen sterben dabei. Antonescu setzt sich durch. Hitler unterstützt den Diktator, er empfängt ihn in der Folgezeit mit Pomp in Deutschland, die Wochenschau berichtet über die Zusammenkünfte.

Im Juni 1941, als das "Dritte Reich" die Sowjetunion überfällt, zieht Antonescu an Deutschlands Seite in den Krieg. Nach wenigen Wochen später erobert Rumänien Bessarabien und Nord-Bukowina zurück. Die rumänischen Truppen marschieren auf Hitlers Geheiß weiter mit. Transnistrien, die Region zwischen den Flüßen Dnjestr und Bug, kommt am 30. August 1941 unter rumänische Verwaltung. Der Landstrich wird zum Haupttatort des rumänischen Holocausts.

Rétablir l'original