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Der 30. Geburtstag - oder: Was sind die Dreads lang geworden! So war das Summerjam 2015

Foto @ Chris Stein

Karibische Temperaturen und kölsche Vibes – oder umgekehrt? Das Summerjam als eines der größten europäischen Traditions-Festivals des Reggae feiert seinen Geburtstag in bester Laune bei bestem Wetter.

»Together As One«, »Free Your Mind« oder »Share Your Love« – nein, es handelt sich hier nicht um Textpassagen des Gospelchores Kingston Town sondern um die Summerjam-Mottos der letzten drei Jahre. Diesmal sprechen wir vom »Everlasting Festival«.
 
Zum 30sten Jubiläum des Summerjam strömen wieder mehr als 30.000 Besucher zum Fühlinger See bei Köln und beamen sich ein Wochenende lang emotional nach Jamaika. Das Wetter spielt den Organisatoren dabei voll in die Karten, haben sie doch selbst vor vielen Jahren im Karibikurlaub bei einem Cuba Libre und 40 Grad im Schatten davon geträumt, den Vibe per Summerjam nach Deutschland zu transportieren. Da machen alle gerne mit.
 
Der Zeltplatz rund um den See platzt schon Tage vor der Eröffnung aus allen Nähten. Es wird gebadet, jongliert oder einfach zusammen gejamt. Die Besucher kommen aus Frankreich, Holland, Belgien oder Übersee, und bauen sich wie jedes Jahr beim Summerjam für ein paar Tage diese bessere Welt, eine friedliche und verständnisvolle.

Natürlich ist für die Rastafari-Fraktion die Musik keine unerhebliche Zutat zum ausloten ihrer Gefühlslage, und so sind für Hardliner Neuausrichtungen im Line-Up nur schwer zu verstehen. Am Freitag sind es z.B. die Antilopen Gang aus Düsseldorf und Hoffmaestro aus Stockholm, die keine Mühe damit haben, auch mit Hip-Hop Beats und Ska-Bläsern beste Überzeugungsarbeit zu leisten. »Früher war einfach mehr Reggae«, seufzt ein etwa 60 Jahre alter Camper aus Walldorf beim mittäglichen Cuba Libre am See. Seit Beginn besucht er das Festival, das in den Jahren vom eintägigen zum dreitägigen Festival wuchs, von der Loreley über Wildenrath nach Köln zog, und zum beliebtesten europäischen Reggae-Festival aufstieg. »Der Cro hat das schon gut gemacht, doch damals haben eben jamaikanische Größen die Runnig-Order bestimmt.« Gründer Klaus Maack erklärt diese Entwicklung auch mit Blick auf die Zahlen: Um rentabel zu sein, müsse das Festival auch was für's ganz junge Publikum bieten - sprich HipHop- und Rap-Acts. Die Cro-Fans freuen sich, sehen sie doch gleich am Freitagabend eine starke Panda-Show - alles easy.

Auch am zweiten Tag sind es keine Reggae-Urgesteine, die den Anfang machen. Katchafire lassen auf der Red und die Ohrbooten auf der Green Stage den Schweiß ordentlich fließen - »Denn das Leben ist wie eine große Autobahn, lass uns nicht lange überlegen, sondern losfahrn...«. Darauf folgt ein Schmankerl für unseren Camperfreund, denn Tarrus Riley verkörpert die lässig-gechillte Rastafari-Kultur und lässt das Publikum sich minimalistisch und zugleich hochemotional im Takt bewegen. Mit Patrice hat sich schließlich auch der heimische Sohn der Reggaeszene zum Geburtstags-Happening angesagt. »Cologne - Capital of Reggae« wird zwischen seinen Songs skandiert, und lauscht man den Songs von Patrice, kann man es unterschreiben: »There's a soul. Soul a soulstorm everywhere.« Die Väter des Festivals werden spontan auf die Bühne gebeten und lassen sich gebührend feiern, Torte gibt´s natürlich auch. Den Headliner macht an dem Abend Damian Marley - eeh! - , der jüngste Sohn des Großmeisters Bob Marley,  und schüttelt seinem Publikum kräftig die Hüften durch - doch alles wie früher?!
 
Sonntag ist Mr.-Summerjam-Tag. Andrew Murphy, Sauerländer aus Barbados, und vor 30 Jahren mit seiner Combo Rhapsody Opener des Jams, ist heute nicht nur als Ansager aktiv, sondern gibt dem Geburtstagskind höchstpersönlich ein Ständchen. Andrew und seine bis zum Boden reichende Dread-Wunderfrisur gehören zum Festival wie der FC zu Kölle. Damals durch seinen Agenten nach Deutschland geholt, präsentiert er seit jeher die nächsten Acts mit seiner unnachahmlich liebenswerten Art. Trotz der vielen Künstler, die mit ihrem elektronisch angehauchten HipHop mittlerweile das Line-Up bunt mixen, glaubt er an das große Reggae Revival - Musik, die eine Message hat.

Die angesagten Kwabs aus London sind mit ihrem Disco-Soul wieder für die schnelleren Moves der jüngeren und älteren Fans zuständig, die Mischung der Genres findet hier größten Gefallen. Auf der Hauptbühne erwartet uns mit Protoje und Beres Hammond ein jamaikanisches Doppelpack. Zuerst moderner Dancehall und anschließend Oldschool-Ragga, unser Camperfreund tanzt bestimmt irgendwo in der ersten Reihe. Dass es mittlerweile heftig regnet, stört keinen - Mr. Hammond weiß: »The umbrella of reggae« schützt uns alle.
 
Den Sack zumachen mit Samy Deluxe oder Wyclef Jean? Knifflige Frage. Letzterer stellt sich zumindest als gute Wahl heraus. In weißem Zwirn, mit rotem Hut und Maske betritt dieser die Bühne und legt gleich los. Neben seinen eigenen Hits wie »Gone till November« gibt es natürlich ein Best-Of seiner Fugees Family zu hören, immer wieder gepaart mit Speedrap, Freestyle auf deutsch, Breakdance-Einlage und Stimmen aus dem Nirvana, die uns Messages von Whitney Houston und Michael Jackson zur Erde bringen. Kaum zu glauben, dass dieser Mann sein Leben der Politik widmen wollte.
 
Was bleibt übrig nach 3 Tagen Love, Peace and Harmony und dem Glauben an das Gute? »Everything is gonna be alright!«, würde Mr. Marley anstimmen, hierzulande heißt es »et hätt noch emmer joot jejange«. Beides passt hervorragend zusammen und zum Vibe dieser immer noch feierfreudigen und lebendigen Veranstaltung.




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