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Immer mehr Migranten erreichen die Kanaren | tagesschau.de

Da die Mittelmeerroute immer riskanter wird, versuchen mehr und mehr Migranten die Flucht über den Atlantik - und landen auf den Kanarischen Inseln. Die sind zunehmend überlastet.

Von Marc Dugge und Christina Teuthorn-Mohr, ARD-Studio Madrid, zzt. Gran Canaria

Franciscos Restaurant hat heute den ersten Tag wieder geöffnet. Gäste gibt es kaum, die Touristenzentren im Süden von Gran Canaria sind noch verwaist. Aber im 4-Sterne-Hotel gegenüber brennt schon Licht.

"Da drüben wohnen keine Touristen, sondern Migranten, die auf die Insel gekommen sind", erzählt er. "Vor einem Monat war das Hotel noch geschlossen, jetzt haben sie es nur geöffnet, um diese Leute unterzubringen, denn sie wissen nicht, wohin mit ihnen." 

Etwa 2000 Migranten sind derzeit in Hotels auf den Kanarischen Inseln untergebracht. Denn die Sammelunterkünfte sind schon voll. Mehr als 800 Leute harren im provisorischen Erstaufnahmelager im Hafen von Arguineguin aus - dabei ist es nur für halb so viele Menschen ausgelegt.

Statt in bequemen Hotelbetten schlafen sie hier auf Wolldecken auf dem Boden. Die Mole ist ein schmaler Streifen: Mehrere große Zelte sind dort aufgestellt, daneben Dixi-Klos.

Tee und Kekse vom Roten Kreuz, Duschen von der Stadt

"Die meisten von ihnen sind komplett durchnässt. Damit sie sich nicht unterkühlen, bekommen sie neue, trockene Kleidung", sagt José Antonio Rodriguez, der lokale Einsatzleiter beim Roten Kreuz, der sich um die Angekommenen kümmert. "Sie können sich dann erstmal duschen und bekommen etwas zu Essen: einen heißen Tee und ein paar Kekse. Viele haben seit Tagen nichts gegessen. Da muss es etwas leichtes sein, damit ihr Magen das auch verträgt."

Rund 80 Prozent der Menschen seien Marokkaner, aber zuletzt seien auch mehr Migranten aus dem Senegal gekommen, berichtet Rodriguez. Alle müssen erstmal einen Coronatest über sich ergehen lassen. Bis das Ergebnis vorliegt, bleiben sie im Hafen.

Wer positiv getestet wird, wird isoliert. Das Provisorium sei längst zur Dauereinrichtung geworden, sagt Onalia Bueno, die Bürgermeisterin des Ortes. Sie nennt es "Camp der Schande": "Die haben gerade mal zwölf Duschen aufgestellt - das ist nicht ausreichend, um sich sauber zu halten. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kanaren sich zu einem zweiten Lampedusa oder Lesbos für Migranten entwickeln." Die Bürgermeisterin fordert mehr Unterstützung.

Regionalpräsident appelliert an die EU

Spanien und Europa ließen die Inseln allein, sagt auch der Regionalpräsident der Kanaren, Ángel Victor Torres. Die Krise verlange eine solidarische Antwort, sagte er diese Woche im Regionalparlament. Denn die Kanarischen Inseln seien ebenso Teil von Europa wie Madrid, Paris oder Brüssel.

Torres will, dass das Drama in dem Hafen auf Gran Canaria schnell ein Ende findet: "Es sollte kein Migrant mehr dort sein. Sie müssen in militärischen oder anderen staatlichen Einrichtungen untergebracht werden. Das haben wir von der Regierung verlangt", sagt er. "Aber obwohl wir rechtlich nicht zuständig sind, tragen wir doch eine Verantwortung! Ich werde auf keinen Fall menschliche Schicksale für politische Zwecke ausnutzen."

Gemeint sind Schicksale wie das des 18-jährigen Senegalesen Daouda. Er kam vor vier Monaten auf Gran Canaria an - auf seinem Smartphone zeigt er ein Video der gefährlichen Überfahrt auf dem Boot, die er überstanden hat. Jeden Tag kommt er in den Stadtpark von Maspalomas zum Fußballspielen.

"Hier gibt es keine Arbeit, keine Schule. Ich mache nichts außer essen, schlafen und Sport", erzählt er. "Man muss ruhig bleiben und versuchen, die Papiere für die Weiterreise aufs europäische Festland zu bekommen." An seinem Handgelenk baumelt ein blaues Plastikbändchen aus einem All-Inclusive-Hotel. Gran Canaria hat in dieser Wintersaison sehr unterschiedliche Gäste.

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