In der Mittagspause im Internet ein Kleid entdeckt, das man ja wirklich gerne zur Party am Abend anziehen würde? Bislang undenkbar, es rechtzeitig zu bekommen: Selbst Amazon liefert in Europa frühestens am folgenden Tag, genauso wie die meisten anderen Onlineshops.
Nun kommt Shutl. Ein Londoner Startup, das Online und Offline verzahnt und somit dem stationären Handel ein Argument im Überlebenskamp gegen E-Commerce liefern könnte: Lieferungen, in nicht einmal 90 Minuten und herausragendem Kundenservice. Dabei setzt das Unternehmen auf die Filialen der Händler vor Ort. "Wir sind kein klassischer Kurierservice, wir sind das, was Paypal bei der Bezahloption ist", sagt Guy Westlake, Marketingchef bei Shutl.
Shutl beschäftigt keinen einzigen Kurierfahrer. Sein Geschäft ist die Organisation der Zustellung, nicht die Zustellung selbst. "Wir haben Zugriff auf Tausende Kuriere im ganzen Land", erklärt Westlake Eine Software bestimmt automatisch in Sekunden, welcher Kurier einen Auftrag bekommt. Das berechnet sich nach verschiedenen Kriterien: Zu erst natürlich, wer in der Nähe des Ladens ist. Hat der Fahrer das richtige Fahrzeug für den Job? Gewicht und Maße besorgt sich die Software direkt aus dem Warensystem des Händlers. So wird vermieden, dass ein Fahrradkurier zur Abholung einer Waschmaschine geschickt wird. Aber nicht zuletzt die Kundenzufriedenheit bei vorherigen Fahrten spielt eine große Rolle, ob ein Fahrer den Auftrag erhält oder nicht. Wer beim letzten Mal unfreundlich war und eine schlechte Kundenbewertung bekommen hat, hat es künftig schwerer von Shutl einen Auftrag zu bekommen.
"Kundenzufriedenheit ist für uns ganz wichtig", sagt Westlake. "Wir stehen dafür mit unserem Namen und hoffen, dass Kunden animiert werden, auch woanders zu bestellen, wenn sie sehen, dass wir die Zustellung übernehmen können." Nach Zuweisung des Auftrags an einen Kurier, fährt dieser in die von der Software bestimmten Händler-Filiale. Die Software weiß durch den Zugriff auf das Warenhaltungssystems des Händlers in welcher Filiale alle bestellten Artikel vorrätig sind. Der Fahrer holt die Ware dort ab und fährt sie dann direkt zum Kunden, der nicht weiter als 24 Kilometer entfernt von der Filiale wohnen darf. Auch das hat die Software berechnet.
Zwar haben Kunden die Möglichkeit, die Ware sofort geliefert zu bekommen, innerhalb weniger Stunden steht ein von Shutl beauftragter Kurier dann vor der Tür. Der Kunde kann aber auch ein bestimmtes Zeitfenster festlegen, wann der Kurier die Ware anliefern kann. Und sollte einmal etwas schief gehen, ist auch das für Shutl kein Problem. "Wir warten 10 Minuten vor der Tür des Kunden, wenn dieser nicht zu Hause ist", so Westlake. "Unser Kundenservice ruft dann den Kunden an und klärt ab, was mit der Ware passieren soll." Die meisten Probleme ließen sich schon mit einem Anruf lösen, sagt Westlake. Aber selbst wenn der Kunde nicht erreichbar ist, nimmt Shutl die Ware einfach wieder mit und stellt sie zu, sobald sie den Kunden erreicht haben. "Aber das passiert so gut wie nie", sagt er.
Unterdessen kann man bei einigen britischen Ketten online einkaufen und die Waren binnen weniger Stunden dank Shutl erhalten - Elektronikfachhändler Maplin bietet Shutl genauso an wie die Schuhkette Schuh oder der Kataloghändler Argos. Aber auch wer das Geschenk für den Chef zum Geburtstag vergessen hat, soll künftig binnen 90 Minuten Schokolade, Sekt oder Blumen liefern lassen können.
Die Modekette Oasis bietet Shutl seit mehr als einem Jahr als Zustelloption in ihrem Onlineshop an. £7,99 (rund €9,30) zahlen Kundinnen für den Service bei einem Warenkorb von unter £75 (€88). Liegt der Einkaufswert darüber, zahlt die Kundin nichts für ihre Shutl-Zustellung. "Wir sind froh, Shutl anbieten zu können", sagt Briony Garbett, Leiterin Kundenzufriedenheit & E-Commerce bei Oasis. Das Unternehmen hat fast 500 Ladengeschäfte weltweit, darunter 80 in Großbritannien. Binnen eines Jahres ist das Kaufvolumen bei Shutl-Bestellungen bei Oasis um 256 Prozent gestiegen.
"Wir haben mit Shutl ein Angebot, das unsere Mitbewerber so nicht haben", sagt Garbett. Dabei war die Einführung relativ einfach, auch wenn diverse Abteilungen in den Prozess eingebunden werden mussten - von den Läden bis zum Marketing. "Wir hatten bereits eine Software im Einsatz, die wir für unser Warensystem nutzen. Darauf hat Shutl aufgesetzt. In unserem Fall funktioniert das so, dass der Fahrer auf sein Handy einen Einkaufsgutschein mit dem Warenwert der Bestellung erhält. So können wir das einfach im Laden verrechnen." Rund sechs bis acht Wochen dauert bei den meisten Händlern laut Shutl die Integration des neuen Versandweges - von der Softwareanpassung bis zur Kundeninformation.
In 85 Prozent des Königreichs liefert Shutl unterdessen Waren aus. Bedingung: Zwischen Kunde und Handelsgeschäft dürfen nicht mehr als 24 Kilometer liegen, damit sich das Geschäft für Shutl lohnt und die Ware schnell genug beim Kunden ist. "Da fallen einige Gebiete in den schottischen Highlands weg", sagt Westlake, aber ansonsten habe man eine sehr gute Abdeckung in UK. Ende Oktober wurde bekannt, dass Shutl von Ebay gekauft wurde. Innerhalb der kommenden sechs Monate will Shutl in 30 amerikanischen Städten verfügbar sein. In New York und Chigaco beispielsweise gibt es Shutl bereits heute schon.
Auch den deutschen Markt wollen die Londoner 2014 erobern. Darüber freut sich auch Oasis, die ein Geschäft in München haben und weitere deutsche Filialen planen. "Deutschland ist ein Schlüsselmarkt für uns. Wir haben das System bereits, wir werden in jedem Fall überlegen, Shutl dann auch für unsere Kundinnen in Deutschland anzubieten."
Dabei werden die Briten allerdings auf lokale Konkurrenz treffen. Tiramizoo versucht sich an einem ähnlichen Geschäftsmodell. Über 1.200 kooperieren mit dem Münchener Startup, das im vergangenen Sommer ein Investment im einstelligen Millionenbereich vom Logistikkonzern DPD erhielt. Konkurrent DHL experimentiert derweil mit einem Lebensmitteldienst, der in Bochum allabendlich Einkäufe vor die Haustür liefert. Macht Shutl 2014 Ernst in Deutschland, dürfte dieser Markt gewaltig aufbrechen.