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Tödlicher Frauenhass

Wie auch jetzt in Florida sind Amoktäter meist junge Männer aus der Mittelschicht – dass sie häufig schon zuvor Gewalt gegen Frauen ausgeübt haben, findet bei der Analyse und Gewaltprävention kaum Beachtung. Doch statt, wie Trump allen Ernstes fordert, LehrerInnen mit Waffen auszustatten, sollten besser gegen gewaltvolle Männlichkeitsbilder vorgegangen werden. Von Britta Rotsch

 

Es knallt, Schüsse fallen. Panik bricht aus. Es passiert in Schulen, auf Straßen, in Konzerthäusern. Als Nikolas C. am 14. Februar durch seine ehemalige Schule in Parkland geht, schießt er wahllos auf Menschen. Der 19-Jährige brachte bei dem Amoklauf in Florida 14 Schüler*innen und drei seiner Lehrer*innen um. Es ist in diesem jungen Jahr bereits die 18. Schießerei an einer US-Schule.

Macht und Männlichkeit. Amoktäter sind nicht grundlos gewaltbereit. Sie haben eine Vorgeschichte, oft sogar eine sehr ähnliche.

Anders Breivik verübte im Sommer 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya einen Anschlag, der 77 Menschen das Leben kostete. Alen R. raste mit einem Geländewagen durch die Grazer Innenstadt und tötete dabei drei Menschen. Omar Mateen griff am 12. Juni 2016 einen LGBT-Nachtklub in Orlando an und tötete dabei 49 Menschen.

Einzelgänger, männlich, fast immer aus Mittel- bis Oberschichtfamilien – so lautet Statistiken zufolge das typische Profil eines Amoktäters. Männlichkeitsbilder und gefühlte Machtverluste spielen bei den Motiven nahezu immer eine Rolle. Amoktäter fühlen sich extrem gedemütigt, wenn sie abgelehnt oder oder ihr Handeln kritisiert wird. Vor allem Zurückweisungen von Frauen ist nicht selten ein Tatmotiv, so die Gießener Kriminologin Britta Bannenberg, die sich seit 15 Jahren intensiv mit den Hintergründen von Amokläufen beschäftigt – die Täter glauben, ein Anrecht auf weibliche Zuwendung zu haben. „Die von uns untersuchten Täter hatten alle keine oder kaum emotionale Beziehungen oder sexuelle Erfahrungen. Sie schwärmen durchaus mal für ein Mädchen. Wenn sich dieses aber nicht für sie interessiert, kann daraus Hass entstehen. Oft sammeln sie Kränkungen über Jahre, bis sich die Rachegedanken zu einem nicht rational begründeten Hass formen.“ Der richtet sich dann vor allem gegen bestimmte Gruppen wie Frauen, Homosexuelle, Mitschüler*innen oder Arbeitskolleg*innen.

 

Gewalt gegen Frauen. Nikolas C. wurde ein Jahr zuvor wegen eines Streits mit dem neuen Freund seiner Ex-Freundin der Schule verwiesen. Eine Parkland-Schülerin bezeugte, dass er seiner Ex-Freundin gegenüber ausfällig war und auch andere Frauen belästigte. Auch Alen R. aus Graz griff seine Frau immer wieder an, bis diese mit den Kindern ins Frauenhaus floh und die Scheidung einreichte. Der Orlando-Schütze soll seine Frau physisch missbraucht und von der Umwelt abgeschirmt haben. Er soll Frauen und Homosexuelle gehasst haben und griff sie gezielt bei dem Amoklauf an.

Die genannten Amokläufer beschäftigten sich zudem im Internet viel mit Waffen. Sie üben Rache und können während der Tat ihre scheinbar verlorene Macht zurückerlangen. Bei allen Tätern wurden Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert. Bannenberg fand heraus, dass Familien vom Amoktätern nach außen völlig intakt wirken. Nach innen aber fehlt es ihnen in jeder Form an Warmherzigkeit, die Familien leben aneinander vorbei. Die kritische Männlichkeitsforschung verweist zudem auf einen wichtigen Punkt, der in der Diskussion um Waffen und Computerspiele meist untergeht. „In unserer Gesellschaft ist Männlichkeit nach wie vor stark mit Gewalt verknüpft. Und daher müssen wir an die Wurzeln der Männlichkeitsproblematik: nämlich den Wunsch, lebensgeschichtliche Krisen durch Etablierung eines Männlichkeitsbildes zu lösen, das Gewalt, Dominanz und Heldentum beinhaltet“, sagte der Sozialwissenschaftler Rolf Pohl in einem Interview mit der „Emma“.