1 abonnement et 1 abonné(e)
Article

Das System Payback

Ob Klebepunkte, Sammelkarten oder Stickerbücher - die Deutschen sind leidenschaftliche Bonusjäger. Fast drei Viertel nutzen ein Treueprogramm des Einzelhandels, zeigt eine aktuelle Studie der Marketingfachleute von Nielsen. Am bekanntesten sind Programme, bei denen der Kunde in einer Reihe von Unternehmen Punkte sammeln kann. Marktführer Payback kommt nach eigenen Angaben auf 29 Millionen aktive Sammler.


Im Jahr 2000 eingeführt, ist die obligatorische Frage - „Haben Sie eine Payback-Karte"? - mancherorts längst so normal wie das Kassieren selbst. 3,8 Millionen Mal täglich wird eine Karte der American Express-Tochtergesellschaft gezückt. Gesammelt werden kann in 35 Handelsketten und mehr als 600 Onlineshops. Der ärgste Konkurrent von Payback, die sogenannte Deutschlandcard des Bertelsmann-Ablegers Arvato, zählt etwa 20 Millionen Teilnehmer und lässt sich bei 15 Anbietern vor Ort und 350 Partnern im Netz einsetzen.


Kleinere Konkurrenten haben es schwer. Das jüngste Beispiel ist die Bonus-App Shopkick: Anfang des Jahres war in Deutschland nach etwa zwei Jahren schon wieder Schluss. Immerhin rund 2,7 Millionen Nutzer konnte das amerikanische Unternehmen hierzulande zuletzt vorweisen. Diese bekamen schon Punkte, wenn sie ein teilnehmendes Geschäft bloß betraten.


Die beiden Bonuskarten funktionieren dagegen so: Punkte gibt es für den Einkauf im Supermarkt, die Tankfüllung an der Zapfsäule oder für den Abschluss einer Privat-Haftpflichtversicherung. Für die gesammelten Punkte wiederum erhält der Nutzer Einkaufsgutscheine bei Partnerunternehmen oder Prämien im Onlineshop. Wer mag, kann sich auch Flugmeilen gutschreiben lassen, spenden oder einfach mit den Punkten den nächsten Einkauf zahlen.


Vorher muss ein Kunde allerdings fleißig sammeln. Denn ein Punkt entspricht bei beiden Anbietern dem Gegenwert von gerade einmal einem Cent. Die Supermarktriesen Rewe, Real oder der Deutschlandcard-Partner Edeka zum Beispiel schreiben sogar erst für zwei Euro Umsatz jeweils einen Punkt gut. Bevor der Kunde hier einen Einkaufsgutschein im Wert von einem Euro einlösen kann, muss er also erst einmal 200 Euro ausgeben.


Von den Verbraucherzentralen kommt Kritik an diesem geringen Sparpotential: Wer die Karten einsetze, erhalte häufig nur einen geringen Vorteil und müsse zudem darauf achten, wann die Punkte verfallen. Obendrein sollten die Kunden so vom Preisvergleich bei der womöglich günstigeren Konkurrenz abgehalten werden. Wer akribisch aufs Punkte sammeln aus ist, zahlt im schlechtesten Fall also drauf.


Die Unternehmen verweisen derweil auf eine Fülle an Coupons, mit denen ein Kunde seine Punkteausbeute beim Einkauf vervielfachen kann oder Extra-Punkte auf ein bestimmtes Produkt erhält. Wer solche Coupons fleißig einsetzt, könne bis zu 200 Euro im Jahr sparen, sagt Payback-Geschäftsführer Bernhard Brugger. Allein im vergangenen Jahr verschickte der Marktführer 33 Milliarden Coupons.


Die Rechnung geht offenbar auf: Im vergangenen Jahr sammelten die deutschen Payback-Nutzer Punkte im Wert von 356 Millionen Euro und lösten 95 Prozent davon auch ein.

Das Portemonnaie soll irgendwann zuhause bleiben


Doch Payback versteht sich nicht nur als Bonusprogramm: „Ziel ist es, den gesamten Einkaufsvorgang mit digitalen Services zu vereinfachen und zu beschleunigen", sagt Brugger. Übersetzt heißt das: Das Portemonnaie soll irgendwann zuhause bleiben.

Möglich machen soll das die Payback-App. Schon jetzt kann der Kunde per Smartphone digitale Coupons einlösen. Das bietet auch Konkurrent Deutschlandcard. Der Marktführer will seiner App obendrein im Laufe dieses Jahres eine Art Chamäleon-Funktion verpassen. 


Die Idee: Je nachdem, wo sich der Nutzer gerade aufhält, verändert sich die Farbe und Oberfläche der App. Betritt er ein Geschäft, das Punkte gewährt, soll die App etwa zuoberst die aktuellen Angebote dieser Filiale anzeigen - quasi wie ein digitales Angebotsheftchen.

Geht es nach Payback, sollen die Kunden mit der App aber nicht nur punkten, sondern auch bezahlen. „Payback Pay" nennt sich die entsprechende Funktion. Um Pay zu nutzen, muss der Kunde zunächst seine Bankdaten hinterlegen. An der Kasse bekommt er dann einen QR-Code auf seinem Smartphone angezeigt, den er an einen extra angebrachten Scanner hält und im Anschluss seinen Pin eingibt.


Die Zahlung erfolgt ganz klassisch per Lastschrift. Bislang geht das allerdings bloß bei fünf Partnern, darunter etwa die Drogeriekette dm und der Bio-Supermarkt Alnatura. Wie Pay genau angenommen wird, verrät Payback nicht. Der Kunde müsse den neuen Service noch kennenlernen, heißt es lediglich. Große Hoffnungen setzt das Unternehmen in Rewe. In den mehr als 3000 Filialen des Lebensmittelhändlers soll Pay demnächst an den Start gehen.


Freilich weiß auch Geschäftsführer Brugger: Deutschland ist nicht gerade das Mekka des mobilen Bezahlens. Die Deutschen hängen am Bargeld. Reine Bezahl-Apps haben es da schwer. So hat die Telekom ihre Variante „My Wallet" mittlerweile wieder eingestampft - und das lag nicht nur an der Technik. Bei Payback hofft man derweil, dass der gute Ruf als Bonusprogramm auch der Bezahlfunktion hilft und Pay so einfach als weiterer Service neben dem Punktesammeln angenommen wird. Ist das einmal erreicht, soll Zahlen per Pay irgendwann auch bei Nicht-Partnern möglich sein.


Für die Unternehmen lohnt sich offenbar aber auch die klassische Plastikkarte. So kaufen Kartennutzer nicht nur öfter, sondern auch mehr ein, als Kunden ohne Karte, ergaben Auswertungen von Payback. Von Rewe heißt es: „Die Partnerschaft ist für uns in Bezug auf Kundenakquise und -bindung ein Gewinn." Dies zeige sich natürlich auch beim Umsatz. Das Ganze lohnt sich auch für Payback. Laut Bundesanzeiger setzte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2015 etwa 222 Millionen Euro um und machte ungefähr 59 Millionen Euro Gewinn.


Das Miteinander zwischen den einzelnen Unternehmen ist derweil klar geregelt. Jeder zahlt für die Punkte, die bei ihm gesammelt werden - ganz gleich, wo der Kunde sie einlöst. Beim Thema Daten gestaltet sich das komplizierter. Hier kommt es maßgeblich darauf an, woher der Punktesammler seine Karte hat. Beantragt er diese zum Beispiel über Rewe, so kennt der Lebensmittelhändler auch Name, Alter und Adresse. Zusätzlich weiß er auch, was, wann und wo der Kartennutzer in den verschiedenen Rewe-Filialen einkauft.


Sammelt derselbe Kunde mit seiner Karte hingegen bei dm, Alnatura oder Real Punkte, bekommt Rewe keinen Einblick in die dort anfallenden Daten - und auch die drei Unternehmen nicht, da eben eine Rewe-Karte im Einsatz war. Den gesamten Strauß an Daten hat nur einer - Payback selbst. Und hier wertet man für die Handelspartner das Einkaufsverhalten der Sammler haarklein aus, vergleicht es mit dem von kartenlosen Kunden oder analysiert den Erfolg von Werbeaktionen.


Adresshandel finde dabei allerdings keiner statt, betont Payback. Zwar könnten die einzelnen Firmen auch die Kunden der anderen anschreiben und mit Coupons locken. Doch gehe dies nur über Payback und auch nur dann, wenn die Kunden dem zustimmten. Datenschützer horchen bei diesem Geschäftsmodell dennoch auf. Der gläserne Kunde ist so nicht mehr fern. Was den Umgang mit den Daten angeht, sei bei Payback bisher aber nichts zu beanstanden, teilt das bayrische Landesamt für Datenschutzaufsicht mit. Auch alle vorgesehenen Datenverwendungen würden in den Geschäftsbedingungen und in den Hinweisen zum Datenschutz aufgezeigt. Die Behörde ist für Payback zuständig, da das Unternehmen seinen Sitz in München hat. Von einer Teilnahme an Payback oder ähnlichen Programmen rät man hier weder zu noch ab.


Wer punkten will, muss sich letztlich bewusst sein: Der Preis für die Gutscheine sind seine Daten. Die Kartenanbieter kennen ihre Millionen fleißigen Sammler sehr gut. Die Verbraucherzentralen kommen daher zu dem Schluss: „Wer beim Datenschutz auf Nummer sicher gehen will, sollte im Zweifel die Finger von den Karten lassen."


Der große Datenschatz macht die Unternehmen zudem interessant für Kriminelle. Besonders Pishing Mails, in denen der Empfänger dazu aufgefordert wird, seine Login-Daten preiszugeben, sind ein Problem. Punkte-Klau geht aber auch einfacher. Jahrelang haben sich etwa Telekom-Mitarbeiter bei der Vermittlung von Handyverträgen die Payback-Punkte von Kunden selbst gutgeschrieben. Mehr als 40 Millionen Punkte - umgerechnet 400.000 Euro - sollen sie sich so erschlichen haben.


Der Lust an der Punktejagd scheint das jedoch kaum zu schaden. Und Payback-Chef Brugger hofft, dass schon bald neue Sammelstellen dazu kommen: In den Segmenten Mode und Elektrotechnik bestehe noch eine Lücke, die es zu füllen gelte.

Rétablir l'original