Der Reiseunternehmer Vural Öger sieht die Ursachen für Konflikte um Zuwanderung bei den Migranten selbst - und preist sie zugleich als Vorbilder für unternehmerischen Mut.
Herr Öger, dieser Tage diskutiert Europa über den Umgang mit Flüchtlingen, Deutschland über Zuwanderer aus Südosteuropa. Dabei gibt es diese Migration seit einem halben Jahrhundert. Warum kommt es immer noch zu Konflikten?
Vural Öger: Zunächst ist es wichtig zu differenzieren. Was mit den Flüchtlingen, die versuchten Lampedusa zu erreichen geschah, ist furchtbar und Europa muss sich der Debatte über einen menschlichen Umgang mit diesen oft politischen Flüchtlingen sicherlich stellen. In Deutschland ist die Konfliktlage, besonders in Bezug auf die türkische Bevölkerung, eher eine andere: Obwohl sie in Deutschland aufgenommen wurden und eine neue Heimat fanden, verursachen Migranten aus bildungsfernen Schichten oft Probleme. Sie entstammen oft einem bäuerlichen Hintergrund und unterscheiden sich von der deutschen Mentalität. Auf der anderen Seite haben viele Migranten sich als Unternehmer ein erfolgreiches Geschäft aufbauen können.
Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, ob ich ein ausländischer Unternehmer bin - Migrant oder nicht Migrant - Öger Tours war eine deutsche Firma, die in Deutschland gegründet wurde und dem deutschen Recht unterlag. Für die Behörden spielt es keine Rolle, woher man kommt. Hauptsache, man befolgt die Gesetze und zahlt Steuern.
Also alles gut?
Es wird immer Leute geben, die Menschen mit ausländischer Herkunft abwerten. Aber das ist auch heute schon die kleine Minderheit. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Die meisten haben akzeptiert, dass viele Bürger einen nicht-deutschen Hintergrund haben. Und wenn sich auf der anderen Seite Ausländer an Gesetze halten, gibt es nichts zu bemängeln.
Wenn jemand eine Wohnung bis 1000 Euro mieten möchte und sich am Telefon mit dem Namen Yilmaz meldet, hat er Probleme. Wenn die Wohnung 5000 Euro im Monat kostet, ist es völlig egal, wie jemand heißt. Im unteren sozialen Bereich haben es die Leute manchmal schwer, den Ressentiments zu entkommen. Das gilt sicher auch für kleinere Kioskhändler oder Dönerverkäufer.
Könnte man das verhindern, indem der Staat Ausländer stärker fördert?
Mit Sicherheit sollte im Bereich Bildung, vor allem wenn es um die Sprachförderung geht, weiterhin in Angebote für Migranten investiert werden, damit allen in Deutschland lebenden Menschen die gleichen Aufstiegschancen geboten werden. Darüber hinaus ist es eine Frage des Charakters, des persönlichen Ehrgeizes und des Talents, was jemand aus seinem Leben macht.
Es spielt keine Rolle, ob man als Ausländer oder Deutscher ein Unternehmen gründet?
Absolut nicht! Alle, die das Gegenteil behaupten, suchen nur nach Ausreden.
Das ist falsch. Beispiel: Die Computerspielefirma Crytek gehört zu den erfolgreichsten Softwarefirmen der Welt - und wurde von den deutsch-türkischen Brüdern Yerli in Coburg gegründet. Gerade im Softwarebereich jedes großen Unternehmens sitzen viele Menschen, die nicht in Deutschland geboren wurden. Das aber bleibt verborgen.
Früher gab es viele Türken, die Geschäfte nur mir Türken machten. Auch Sie fingen so an und verkauften ihren Landsleuten Reisen in ihr Heimatland. Warum hat sich das heute geändert?
Die erste Generation der Gastarbeiter sprach schlecht Deutsch. Sie kauften deshalb nur bei anderen Türken ein. Das änderte sich, weil viele die Sprache lernten und verstanden, wie man hier zu Recht kommt. Dass Türken nur mit Türken Geschäfte machen gibt es heute nicht mehr.
Was ist mit anderen ausländischen Gruppen?
Es dauert eine gewisse Zeit, bis sich Volksgruppen an eine Gesellschaft angleichen. Beispiel Russlanddeutsche: Es gibt heute viele russische Nischengeschäfte. Das wird sich aber bald von selbst ändern. Die zweite Generation wird weniger zu den Heimatländern ihrer Eltern gebunden sein, auch die Sprachbarrieren verschwinden. In zehn bis 15 Jahren werden wir keinen Unterschied machen zwischen Deutschen, Türken, Russen oder Polen.
Können deutsche Unternehmen von ausländischen Firmen lernen?
Migranten improvisieren öfter, auch gehen sie größere Risiken ein. Wenn sie zudem deutsche Werte, wie Disziplin und Ordnungsdrang aufnehmen, sind sie sehr attraktiv für die Wirtschaft.
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