2 abonnements et 1 abonné(e)
Article

Wer braucht Wahrheit, wenn es schöne Lügen gibt?

In den USA wird der Einfluss Russischer Desinformation und gezielter Hackerangriffe auf die Wahlen diskutiert. Falschmeldungen russischer Auslandsmedien verbreiten sich rasch über verschiedene Kanäle. Diese Taktik passt gut zur reißerischen Rhetorik von Rechtspopulisten. Droht bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland 2017 eine Propagandaschlacht?


2. Dezember 2016


Für Aufsehen sorgte Ende Oktober der Angriff des russischen Auslandsgeheimdienstes auf das Emailkonto von John Podesta, Leiter des Wahlkampfteams von Hillary Clinton. Seitdem wird diskutiert, welchen Einfluss russische Störaktionen auf den Verlauf der US-Wahlen hatten.


Hackerangriffe auf demokratische Institutionen

Einflussnahme erfolgte grundsätzlich auf zwei verschiedenen Wegen. Zum einen durch Angriffe von Hackern, die sich Zugang zu Institutionen und sensiblen Daten verschaffen. Zum anderen durch gezielte, massenhafte Verbreitung von Falschmeldungen, sogenannte Desinformation. Beide Formen sind schon im Vorfeld der US-Wahlen im November aufgetreten.


Bereits im Juni und Juli 2016 stellte das FBI Zugriffe auf das Rechensystem der Wahlkomitees in Arizona und Illinois fest, so die Behörde in einem nachträglich veröffentlichen Dokument. Im Falle Illinois' gelang es den Hackern auch im großen Stil Registrierungsdaten von Wählern zu entwenden. Eine der insgesamt acht verwendeten IP Adressen ist laut FBI aus einem russischen Hackerforum bekannt.


Desinformation: Verwirrung ist das Ziel

Adrian Chen's Reportage für die New York Times dokumentiert die Arbeitsweise einer Agentur in St. Petersburg, die über gezieltes „trolling" für Verunsicherung in den sozialen Medien sorgt. Nicht überprüfte Berichterstattung durch russische Auslandsmedien wie Sputnik News und Russia Today entfaltet erst durch die schnelle, sorglose Verbreitung in sozialen Netzwerken ihre Wirkung.

Während sich klassische Propaganda auf die Überzeugung von ideologischen Standpunkten konzentrierte, hat moderne Desinformation heute vor allem ein Ziel: Verwirrung stiften.


Nicht alle Desinformationen oder „fake news" lassen sich jedoch nach Russland nachverfolgen. Deutlich wird dies am Beispiel des Skandals um angebliche bezahlte Teilnehmer an Anti-Trump-Protesten in Austin Texas. Der Geschäftsmann Eric Tucker hatte auf seinem Twitter-Account eine Handyaufnahme mit weißen Bussen geteilt. Ohne weitere Prüfung behauptete er, mit diesen wären Demonstranten herbeigeschafft worden, die von reichen Unterstützern Hillary Clintons bezahlt wurden. Wie die New York Times dokumentierte, wurde der Tweet schnell auf Websiten von Trump-Unterstützern geteilt und löste Hysterie in den sozialen Medien aus.


Propaganda als postmodernes Marketing

Der Historiker Timothy Snyder beobachtet die rapide Ausbreitung von russischer Desinformation im Zuge der Krim-Annexion und dem hybriden Krieg im ukrainischen Donbass. Er beschreibt den Mechanismus heutiger Propaganda als „postmodernes Marketing". Die in der Postmoderne verbreitete Annahme, dass es keine überprüfbaren Fakten gibt und eine Vielzahl von Perspektiven Recht auf Gehör und Gültigkeit hat, lässt sich gut für Desinformation nutzen.


Oftmals geht es nicht um eine plumpe pro-russische Darstellung der Tagespolitik, sondern um die Verbreitung von Meldungen, die tatsächliche Ereignisse und Fakten neben nicht überprüfbare Behauptungen oder Falschmeldungen stellen. Beispielhaft ist die Silvesternacht in Köln, über die der Sender RT früher als ARD und ZDF berichtete. Unter seine „Recherche" mischte der Sender auch ein Interview mit einem unbekannten Streifenpolizisten, den RT kurzerhand zum Polizeipräsidenten von Köln erklärte.


...



Rétablir l'original