Rio darf die Olympischen Spiele ausrichten - heute freut sich darüber kaum einer mehr.
Der Pajé erwartet das Feuer. Auf dem Haupt trägt der Schamane eine bunt schimmernden Federkrone, um den Hals ein Collier aus Pumazähnen. Dazu der Jahrtausende alten Klang der Juruparis, diesen langen, aus Palmrinde gewickelten Trompeten, die von Mythen und Legenden des Amazonas-Urwaldes erzählen. Und heute empfängt der Pajé zu einer besonderen Zeremonie: Seine Gemeinde ist eine von 329 Stationen des Olympischen Fackellaufs. Und dann ziehen Fackel und Fernsehkameras weiter, bis sie am 5. August ihr Ziel erreichen: Rio de Janeiro. Mit den perfekt geschwungenen Buchten, gesäumt von Zuckerhut, Christus-Statue und tropischem Regenwald. Eine Kulisse, als hätten sie die olympischen Götter selbst erschaffen. Auch das überzeugte damals, am 2. Oktober 2009, als Rio zum Olympia-Gastgeber gekürt wurde.
"Ich erinnere mich. Es gab ein großes Fest an der Copacabana. Die Menschen waren so glücklich und lagen sich in den Armen. Zuerst die Fußball-Weltmeisterschaft, dann Olympia, unser Land erlebte einen Boom, perfekt, um ein Fest zu feiern - das genaue Gegenteil von heute. Ich sehe keinen Sinn mehr in den Olympischen Spielen, in diesen gigantischen Ausgaben allein für einige Tage Wettkämpfe." Ausgerechnet sie muss das sagen. Jackie Silva. Ein Idol. Die erste Frau, die bei Olympia Gold für Brasilien geholt hat. 1996, Atlanta, Beachvolleyball.
Politisch und wirtschaftlich geht es bergabBrasilien hat derzeit andere Probleme als Olympia: Die Staatspräsidentin Dilma Rousseff ist vorübergehend suspendiert, der Rest der politischen Klasse versinkt in einem gigantischen Korruptionsskandal. Und wirtschaftlich geht es auch bergab. Den Bundesstaat Rio de Janeiro trifft es besonders hart. Dort sind die Kassen gähnend leer. Deswegen streiken Lehrer, schließen Krankenhäuser, fehlt in Feuerwehrautos der Sprit. Doch nirgends löste der Finanznotstand eine derartige Aufregung aus wie bei der Polizei. "Welcome to hell", schallt es durch die Ankunftshalle von Rios internationalem Flughafen: Willkommen in der Hölle. Rund 100 Polizisten spielten da Anfang Juli mörderische Szenen nach. Rio ist nicht sicher, hieß ihre Botschaft. Sie ging um die Welt.(...)