Sehgewohnheiten prägen Sehnsüchte und was wir für machbar halten, diktiert der Common Sense, jene überlieferten Annahmen, die allgemeingültig scheinen, obwohl sie vieles ausklammern. "Schmuck ist was für Frauen" ist eine solche Vorannahme, die noch immer dafür sorgt, dass er am Körper eines Mannes - im Auge mancher Betrachter - eine entmännlichende Wirkung entfalten kann. Das erfährt auch Paul (Fionn Whitehead), ein in New York gestrandeter blasser Junge, der prompt von ein Paar Rowdys vermöbelt wird. Lee (McCaul Lombardi), der ihm zu Hilfe eilt, verarztet auch seine Wunden. "Du bist doch keine Schwuchtel, oder?", fragt der Kümmerer mit Kurt-Cobain-Gesicht mittendrin. "Weil der Ohrring sieht ziemlich schwul aus." Paul stößt Lee von sich weg, wie man Verbalattacken als echter Mann halt so begegnet. Damit scheint alles geklärt.
Tatsächlich hat sich Paul in eine junge Schwarze Frau verguckt. Hände flattern, Arme fliegen: Was Wye (Leyna Bloom) und ihre Freunde auf den Treppen vor dem Busbahnhof machen, ist Voguing, jener Tanz der queeren Subkultur, der frühestens seit Madonnas Hit "Vogue", spätestens seit der Netflix-Serie "Pose" im Mainstream präsent ist. Der Name der jungen Frau klingt wie das Ypsilon, das auf Chromosom-Ebene den Unterschied zwischen den Geschlechtern ausmacht, aber auch wie das englische Wort für Warum. Nichts davon vermag Paul zu deuten.
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