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Ausflugsvergnügen: Eine Auszeit im Naturhotel Tannerhof in Bayrischzell

Als ich an einem Mittwochmittag am Hauptbahnhof in die BOB steige, denke ich an den Pumuckl und die Folge, als der Meister Eder Urlaub macht. Sie fahren mit dem Zug irgendwohin auf's Land und verbringen zwei Wochen auf einem Bauernhof. Genießen die gute Landluft, schauen auf die Berge und sind umringt von sattgrünen Wiesen. Leider ist diese Art des Urlaubs so ein bisschen in Vergessenheit geraten, weil man immerzu denkt, woanders wäre es viel spannender. Dabei müssten wir - finde ich - genau dahin zurück. Für das eigene Wohlergehen und das der Welt.

Einer dieser Orte, an denen man ganz wunderbar Heimaturlaub machen kann, ist der Tannerhof in Bayrischzell. Schon die vierte Generation lädt hier zur Auszeit von der Großstadt ein. Denn die Sehnsucht nach Natur, zurück zum Ursprung, ist in den letzten hundert Jahren unverändert geblieben. Angefangen hat die Familie mit einer Alm und einem Bauernhaus - heute das Stammhaus vom Tannerhof, in dem sich Rezeption und Restaurant befinden. Dazugekommen sind urige Hütten, moderne Holztürme, ein Schwimmbad, Kunst-Atelier, das Saunahaus und vieles mehr.

Heute ist der Tannerhof wie ein eigenes Dorf. Und ebenso vielfältig wie das Naturhotel aussieht, ist auch das Programm. Manche Besucher kommen zum Essen her - das wunderbare Bio-Essen, das auch Nicht-Hotelgäste im Restaurant Pool unter der Woche genießen können, ist aber auch wirklich jede Reise wert! Andere kommen zum Nicht-Essen, machen ein bis zwei Wochen Heilfasten oder buchen sich das Low Carb-Menü für ihren Aufenthalt.

Da sind die Wintersportler, die zum Langlaufen oder Skifahren anreisen und die Ruhesuchenden, die man alleine im Lesezimmer oder bei der Honigmassage trifft. Da sind die Paare, die sich seit Jahren die immer selbe Hütte buchen und die Alleinreisenden, die ihren Aufenthalt nutzen, um sich gesundheitlich durchchecken zu lassen. Und genau das macht den Tannerhof so angenehm - dass nicht nur verliebte Pärchen oder energiegeladene Single-Skifans hier sind.

Schlafen im Wiesenturm: Berge und Bücher

Ich bin eher der gestresste Großstädter, der mal wieder ein paar Tage auf die Berge und in Bücher schauen möchte, statt immer nur auf Bildschirme und Beton. Und dafür eignet sich mein Zimmer im Wiesenturm perfekt: Wenn ich morgens auf meiner Eckbank sitze, habe ich die Berge im Hintergrund und wenn ich abends im Bett liege, schaue ich auf das beleuchtete Leitzachtal. Mein Zimmer ist so schön, dass ich es eigentlich gar nicht mehr verlassen möchte. Man könnte mich hier sieben Tage mit Büchern einsperren, ich wäre unendlich glücklich.

Doch das Programm im Tannerhof lockt vor die Türe: Täglich außer sonntags stehen von morgens bis abends Yoga, Wanderungen, Tai Chi und Gymnastik-Kurse auf dem Programm, die die Gäste kostenlos nutzen können. Ich trage mich ein für "Atemwege zu sich selbst" - namentlich passend zu meiner Lektüre Lesen, schreiben, atmen von Doris Dörrie, die ich im Gepäck habe.

Vier-Gänge-Dinner: Bio-Essen und beste Gesellschaft

Ebenfalls im Zimmerpreis inbegriffen ist das täglich Vier-Gänge-Menü am Abend aus feinsten Bio-Zutaten, zubereitet von dem jungen Küchenchef Nico Sator. Den möchte man direkt vom Fleck weg heiraten, sobald man bei ihm gegessen hat. Auf den Tisch kommt zwei Mal wöchentlich vegetarisch, mittwochs immer gutes Bio-Fleisch - heute ist das unter anderem ein Beef Tatar mit Mango und Avocado und die beste Entenbrust meines Lebens mit Süßkartoffelpüree und schwarzem Rettich. Der Nachtisch aus weißer Schokolade und Sellerie - ja, tatsächlich - schmeckt genauso überraschend und wunderbar, wie er sich anhört.

Am zweiten Abend gibt es zuerst Artischoke-Comté mit Tompinambur und Kerbel - ich verstehe fast nichts, aber weiß: vielleicht die beste Liaison von Zutaten jemals - und ein Onsen-Ei mit Pastinaken, Egerlingen und Mascarpone-Polenta. Das nur mal als kleinen Einblick in die Küche. In der Stuben sieht es dagegen so aus: Alle Gäste, egal ob Paare oder Alleinreisende, sitzen miteinander am Tisch. Die Zuordnung übernimmt das Hotel und die ist bei mir ein volles Match. Meine drei Tischpartnerinnen sind Dagmar, Pia und Birgit.

Wir unterhalten uns bis spät über Politik und das Gesundheitswesen, über Berlin und München, über Gleichberechtigung und Kinderkriegen - und ja, kurz auch über Männer. Eigentlich über Frauen und wie toll es doch ist, eine Frau zu sein. Die dreißig Jahre Altersunterschied merkt man kaum. Als ich zurück auf mein Zimmer gehe, bin ich sehr froh über diese gute Gesellschaft, denn auch, wenn ich alleine reisen kann, alleine essen kann und mag ich nicht.

Ayurvedisches Frühstück und leichtes Mittagessen

Wer die 3/4-Pension im Tannerhof bucht, ist den Tag über gut versorgt. Zum Frühstück stehen selbstgemachtes Müsli und Aufstriche am Buffet, daneben toller Bio-Käse in sämtlichen Variationen von Kuh, Ziege und Schaf, wenig Wurst und wenn dann sowieso nur Bio und das berühmte Tannerhof-Brot - frisch gebacken und auch mal mit ausgefalleneren Zutaten wie Ingwer. Bestellen kann man sich neben Rührei und Dinzler Kaffee auch den ayurvedischen Reisflockenbrei mit Apfel und Banane. Außerdem wartet eine echt große Teeauswahl.

Wer morgens und abends so gut isst, der braucht mittags nicht viel. Dann warten wechselnde Suppen, zum Beispiel Rote-Beete-Pastinake, frische Salate, die beliebten Pellkartoffeln und ein sehr leckerer Linsenaufstrich mit Brot. Wer noch Platz hat, der kann sich nachmittags dann in die Orangerie setzen und Cappuccino und selbst gemachten Himbeerkuchen bestellen.

Sauna, Kaminzimmer, Atelier - zu tun gibt's immer was!

Der Tannerhof ist ein bisschen wie Hogwarts, hinter jeder knarzenden Holztüre wartet ein Raum, der entdeckt werden möchte. Man kann sich in eines der beiden Lesezimmer zurückziehen - übrigens auch der einzige Ort auf dem gesamten Gelände mit WLAN. Man kann im Kaminzimmer auf dem Sofa kuscheln und Zeitung lesen, im Hofladen regionale Produkte shoppen. Man kann Malkurse im Atelierhäuschen belegen, Bahnen ziehen im Schwimmbad oder im hundert Jahre alten Saunahaus schwitzen. Zu tun gibt es immer etwas.

Lesen, schreiben, atmen im Leitzachtal

Man kann aber auch einfach lesen, schreiben, atmen. Ich verbringe tatsächlich zwei ganze Tage mit Büchern, im Wald spazieren und nachts die Milchstraße beobachten. Ich schreibe einfach so, was ich lange nicht mehr getan habe. Die Berge sind wie das Meer: Gerade könnte ich ewig drauf gucken. Ich möchte keinen Podcast hören, keine Serie schauen und einfach mal die Klappe halten. Mal hinhören und da ist einfach nichts, wie wunderbar und selten. Zum Einschlafen höre ich dann aber doch etwas: Pumuckl, weil dem hätte es hier bestimmt gut gefallen.

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