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Umweltsünde & Ausbeutung: Gibt es besseren Spargel?

Foto: "Spargel" von LID (Foto: Jonas Ingold) unter CC-BY-SA 2.0

Wir essen so viel Spargel wie nie - und für die deutschen Spargelbauern wird es immer schwieriger, die Nachfrage zu decken. Importe aus Peru, beheizte Felder, Plastikfolien-Kulturen und billige Saisonarbeit sind die Folge. Doch kann man das wirklich umgehen? Und ist Bio-Spargel besser?

Spargel wird bei uns von Jahr zu Jahr beliebter - 2015 aß jeder Deutsche laut Statista im Schnitt 1,5 Kilogramm. Zum Glück geht der Trend immer mehr zur regionalen Herkunft: Um die 80 Prozent des Spargels kommt mittlerweile aus unseren heimischen Anbaugebieten wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern. Die restlichen 20 Prozent werden allerdings noch immer entweder mit dem Lastwagen aus Griechenland und Spanien importiert oder sogar aus Peru eingeflogen.

Spargel aus Peru: Schlecht für Umwelt, Klima und Menschen

Was viele nicht wissen: Der südamerikanische Staat ist in den letzten Jahren zum zweitgrößten Spargelerzeuger weltweit avanciert, nur China liegt noch davor. Peru ist ein gutes Anbaugebiet, da der Boden sandig und die Temperaturen dank Äquatornähe konstant warm sind. Das macht es möglich, dass Spargel dort bis zu drei Mal im Jahr geerntet wird.

Laut Schätzungen von Experten entstehen aber durch den Flugzeug-Transport von einem Kilogramm Peru-Spargel 28 Mal mehr CO2 als bei regional angebautem Spargel. Und neben den immensen CO2-Werten, gibt es noch ein ganz anderes Problem: Der Anbau in den trockenen Regionen verbraucht sehr viel Wasser - und das fehlt dann den Einheimischen. Deshalb: Wer Umwelt, Klima und Menschen nicht schaden möchte, sollte Spargel aus fernen Ländern unbedingt meiden.

Ist Bio-Spargel gleich besser?

Spargel ist zwar generell weniger mit Pestiziden belastet als andere Gemüsesorten, da der Pflanzenschutz erst nach der Ernte ausgetragen wird und bis zu zehn Monate vergehen bis die neuen Sprossen kommen. Doch das ändert nichts daran, dass die Pestizide die Böden belasten. Gegen möglichen Pilzbefall spritzen manche konventionelle Bauern sogar schon vorsorglich Pflanzenschutzmittel. Wer also sicher gehen möchte, dass sein Spargel pestizidfrei ist, der sollte unbedingt auf Bio-Spargel zurückgreifen.

Auch um synthetische Dünger zu vermeiden: Im konventionellen Anbau werden die Spargelstöcke manchmal mithilfe eines unterirdischen Leitungssystem mit Kunstdüngern versorgt.

Im Bio-Anbau wird Spargel dagegen mit Mist und Kompost gedüngt. Pilzbefälle bekämpfen Bio-Bauern anstatt mit Pestiziden mit Kupferlösungen - wie es in der EU-Richtlinie festgelegt ist. Bei Demeter-zertifiziertem Spargel wird nicht einmal Kupfer im Spargelanbau verwendet: zur Pflanzenstärkung werden hier „Kräutertees", zum Beispiel aus Ackerschachtelhalm, verwendet. Wer sich en Detail dafür interessiert, welche Pflanzenschutzmittel im Bio-Spargelanbau eingesetzt werden dürfen, erfährt mehr in der Verordnung des BVL.

Da die Nachfrage nach Spargel steigt, werden im konventionellen Anbau immer mehr Pflänzchen auf engstem Raum angepflanzt. Viele Bio-Spargelbauern geben ihnen dagegen mehr Platz, so haben sie mehr Luft und Licht, um natürlich zu wachsen. Außerdem wird beim biologischen Anbau großen Wert auf die Auswahl des Standortes gelegt, denn die Spargel-Kultur soll für zwölf Jahre bleiben. Gegen sogenannte Bodenmüdigkeit wird nach der Erntezeit von acht bis zwölf Jahren ein Jahr Pause eingelegt und etwas anderes angepflanzt, bevor auf dem Feld wieder Spargel wächst.

Umweltsünde I: Die Plastikfolie

Schwarz-Weiß- und Antitaufolie kommt im Spargelanbau seit Jahren immer häufiger zum Einsatz. Mittlerweile kann man an kaum einem Spargelfeld vorbeifahren, ohne auf die schwarzen oder durchsichtigen Folien zu blicken. Simon Schumacher, Vorsitzender des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE), schätzt, dass heute bis zu 98 Prozent der Felder unter Folie liegen.

Frühere Ernte dank Plastikfolie

Anti-Taufolien schützen, wie der Name schon sagt, den Spargel vor Tau und Kälte - vor allem nachts, wenn die Temperaturen im Frühling noch stark fallen. Wendefolien wirken wie eine Art Gewächshaus, sie speichern Wärme, der Spargel wird früher reif. Der Name erklärt sich so: Auf der einen Seite sind sie meist schwarz, was Sonnenlicht anzieht, und auf der anderen weiß, was Hitze abhält und die Entwicklung des Spargels verlangsamen kann - so lässt sich der Ernteverlauf gut steuern.

Positiv an den Folien: die Spargelpflanzen haben weniger Stress, wachsen besser. „Da es zu einer Ernte-Verfrühung um bis zu vier Wochen kommt, brauchen wir weniger Importe", so Schumacher. Außerdem müssen so keine Herbizide eingesetzt werden, da der Spargel die Folie durchstößt, die Unkräuter dagegen nicht.

Der Einsatz von Folien hat vor allem folgenden Grund: Unsere Spargelsaison dauert etwa von Mitte April bis traditionell 24. Juni. Importierter Spargel aus Griechenland, Peru & Co. ist natürlich schon früher zu bekommen - und oft auch billiger. Die Verbraucher möchten also Spargel immer früher essen, ihn aber am liebsten aus der Region bekommen. Die heimischen Bauern geraten so unter Druck: sie müssen nun früher liefern.

Plastikfolie ist nicht umweltfreundlich

Für den Spargelanbau werden inzwischen riesige Mengen Abdeckfolien produziert - wie fast jeder Kunststoff basieren sie auf dem knappen Rohstoff Erdöl und sind schon deshalb nicht gerade umweltfreundlich. Wie sich die teils riesigen Folienlandschaften langfristig auf die Umwelt auswirken, ist noch nicht ganz geklärt.

Klar ist aber: für Vögel, vor allem Bodenbrüter, ist die Plastikabdeckung alles andere als gut. Laut einem Gutachten der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg sind von 2003 bis 2013 mindestens 21 Brutvogelarten ausgestorben. Das untersuchte Gebiet liegt zur Hälfte für den Spargelanbau unter Folie. Insekten, Kleinsäuger und Pflanzen leiden ebenso unter den Feldern, die kilometerweit mit Plastikfolien verdeckt sind.

Zumindest theoretisch kann die Schwarz-Weiß-Folie bis zu zehn Jahre wiederverwendet werden, wenn sie nicht beschädigt ist. Danach kann sie recycelt werden - was in der Realität damit passiert kommt allerdings ganz auf den Spargelbauern an. Viele Bauern verwenden statt PVC-Folien inzwischen immerhin solche aus Polyethylen. Bei diesem ist das Risiko, dass es gefährliche Schadstoffe abgibt, geringer als bei PVC.

Umweltsünde II: Beheizte Felder

Spargel beginnt bei einer Bodentemperatur von etwa zwölf Grad zu wachsen. Damit die Sprossen schon viel früher sprießen, werden manche Felder tatsächlich beheizt. Der Aufwand, den die Bauern hier betreiben, ist enorm: Dafür wird unter der Erde, wo die Spargelpflanzen wurzeln, ein Röhrensystem aus Kunststoffleitungen verbaut, durch die warmes Wasser fließt. Das Wasser wird zum Beispiel durch Hackschnitzelheizungen erwärmt, die am Feldrand untergebracht sind. Schumacher vom VSSE ist sich aber sicher, dass nicht viele Bauern zu dieser Methode greifen: „In unserem Verband sind ungefähr 480 Mitglieder-Höfe, von denen betrifft das gerade einmal eine Handvoll."

Spargel von beheizten heimischen Feldern kann in der Klimabilanz sogar schlechter abschneiden als importierter Spargel. Das hieße, es wäre dann tatsächlich besser, griechische Stängel zu kaufen als heimischen Heiz-Spargel. Wir Verbraucher können diesem Irrsinn nur entgegenwirken, indem wir Spargel einfach nur dann kaufen, wenn die Zeit dafür reif ist - und zwar regional.

Das Problem mit den Arbeitern

Schätzungsweise 250.000 Saisonarbeiter kommen während der Spargelzeit jedes Jahr vor allem aus Osteuropa nach Deutschland, um Spargel, Erdbeeren & Co. zu ernten. Dabei ist die Sache mit den Arbeitern aus Rumänien und Polen ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite werden sie für einen sehr harten Job sehr schlecht bezahlt (seit der Mindestlohn-Bestimmung etwas besser), auf der anderen Seite scheint es für Spargelbauern fast unmöglich, deutsche Erntehelfer zu finden - offenbar möchten Deutsche den Knochenjob nicht machen.

Kurzum: Würden die Saisonarbeiter ausbleiben, würde die gesamte Spargelindustrie in Deutschland zusammenbrechen. Da ist sich auch Simon Schumacher vom Spargel-Verband sicher. „Dann müssten wir alles importieren, was nachhaltig noch bedenklicher wäre." Die Bauern sind also auf die Arbeiter angewiesen und die Arbeiter auf das Geld der Bauern. Laut Mindestlohn-Bestimmung, die seit 2015 auch für Saisonkräfte gilt, müssen landwirtschaftliche Betriebe aktuell 7,40 Euro pro Arbeitsstunde bezahlen, ab nächstem Jahr dann 8,50 Euro.

Vieles läuft allerdings immer noch „schwarz" ab: manche Bauern zahlen für ihre Arbeiter nicht in die Krankenkassen ein oder bezahlen pro geerntetem Kilo statt pro Stunde. Dabei ist die Arbeit wirklich mühevoll. Die Erntehelfer müssen ganz genau arbeiten: Eine reife Spargelstange befindet sich meist dort, wo die Erde schon rissig ist. Sie muss gestochen werden, bevor ihr Kopf ans Licht kommt und sich violett verfärbt. Beim Stechen dürfen die Arbeiter aber keine heran­wachsenden Sprossen in der Nach­barschaft zerstören und wenn sie die Stangen zu nah an der Wurzel stechen, schme­cken sie später unangenehm bitter.

Besserer Spargel: Ein Fazit

Bio-Spargel ist für die eigene Gesundheit und für die Böden definitiv besser als konventioneller. Riesige Plastikfolien-Kulturen über ganze Felder sind allerdings auch im biologischen Anbau erlaubt. Höfe mit Bio-Spargel findest du zum Beispiel hier oder hier. Am sinnvollsten ist es, wenn man sich die Bauern in seiner Nähe einmal genauer ansieht.

Noch etwas weiter als die meisten Bio-Bauern gehen Demeter-Betriebe: Bei Demeter-Spargelbauern sind Plastikfolien aus PVC verboten, Folien aus nachwachsenden Rohstoffen sind hingegen erlaubt und werden teilweise verwendet. Bei Demeter-Höfen werden auch keine Felder beheizt. Verkaufsstellen von Demeter-Spargel findest du auf der zugehörigen Website oder hier.

Antje Kölling von Demeter rät zum bewussten Spargelverzehr:

Spargel ist köstlich, aber auch eine Kultur, die den Boden recht stark auslaugt und viel Handarbeit erfordert. Das heißt, wenn er konventionell oft sehr billig auf dem Markt ist, sollte man das hinterfragen. Spargel ist eben doch ein Gericht für besondere Maiensonntage und kein Grundnahrungsmittel.

Grundsätzlich sollte man Spargel nur von regionalen Erzeugern innerhalb der heimischen Saison kaufen - und dabei auf das Wetter achten: Wird in einem kalten, verregnten März schon Spargel angeboten, stammt dieser höchstwahrscheinlich von einem beheizten Feld.

Um die Arbeitsbedingungen für die Spargel-Erntehelfer und Saisonarbeiter zu verbessern oder zumindest konstant zu halt, rät Antje Kölling, etwas mehr Geld für Spargel auszugeben: „Wenn Lebensmittel vor allem billig sind, kann man nicht erwarten, dass sie zu fairen Bedingungen hergestellt werden."

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