Max Alberti alias Murxen spielt in der Münchener Band Jamaram und hat sich für ein Interview mit unikat bereit erklärt. Das Gespräch wird jedoch nicht wie geplant in einem Cafe, sondern mitten im Feierabendverkehr in einer voll besetzten U -Bahn stattfinden.
Murxen lächelt und umarmt mich. Er wirkt gelassen. Und das obwohl wir beide mächtig unter Zeitdruck stehen. Denn dank der Zuverlässigkeit der Münchener Verkehrsgesellschaft und Murxens anschließenden Basketballtraining bleiben uns gerade noch 20 Minuten Zeit. Unschlüssig stehen wir vor dem Fischbrunnen am Marienplatz. Doch die rettende Idee lässt nicht lange auf sich warten: Wir verlegen das Interview einfach in die U-Bahn! Scheinbar dankend willigt Murxen sofort ein, immerhin hat er selbst keine Ahnung, wie er zum Training gelangen soll. Er lacht, als ich ihm mein Aufnahmegerät in die Hand drücke und hält es sich direkt wie ein Mikrofon an den Mund. Und so steigen wir die Treppe zum U-Bahngeschoss hinab.
Murxen beginnt über seine bisherige Zeit in der Band zu erzählen. Seine Augen leuchten dabei. Seit vierzehn Jahren gibt es Jamaram schon. Für Murxen ist es die wohl bedeutendste Zeit in seinem Leben. Er bezeichnet die Band selbst als eine Art Familie oder Beziehung, die alles überdauert, inklusive Freundinnen. Er war 18 Jahre jung, als er gemeinsam mit Tom und Sam Jamaram gründete. Murxen lächelt, als er mir erzählt, wieviele Orte und Menschen er alleine wegen der Musik schon kennengelernt hat.
Auf ihrem vorletzten Album "La famille" haben die acht Jungs plötzlich auch ganz andere Töne angeschlagen. Neben den gewohnten Salsa- und Reggae-Melodien haben sich sogar einige Songs im Country-Stil eingeschlichen. Für diesen scheinbaren Stilbruch hat Murxen auf meinen überraschten Blick hin jedoch sogleich eine Antwort parat: " Unser Gitarrist Sam kommt aus den USA und schreibt solche Songs, da seine Wurzeln dort liegen. Wenn uns was gefällt, dann machen wir es halt einfach. Egal, was davor oder danach kommt oder was die Leute denken." Eine Bahndurchsage unterbricht ihn. Es wird heute wohl nicht bei der letzten Zugverspätung bleiben. Murxen schmunzelt und fügt dann noch ein wenig nachdenklich hinzu: "Ich denke, man ist nur in dem gut, was man kann und worauf man Lust hat. Man muss sich nicht danach richten, was gut ankommt oder was man gewohnt ist. Man macht einfach das, wonach einem ist."
Unsere U-Bahn fährt dann doch überraschend pünktlich ein. Erst jetzt nehme ich die Menschen um mich herum wahr. Die meisten starren förmlich zu uns herüber. Murxen mit dem Mikrophon am Mund und ich mit meinem Spickzettel scheinen nicht ganz in den typischen Feierabendverkehr zu passen. Während wir uns mehr oder weniger dezent in eine Ecke des Wagons quetschen, klärt mich Murxen auf, was Jamaram mit einem Zirkus gemein hat. Die Band sei eigentlich nichts anderes als ein Wanderzirkus. Einige Typen, die sich zusammengetan hätten und die ganze Zeit auf Reisen gehen würden. Er schwelgt in alten Erinnerungen, als er auf die letzten Jahre zurückblickt. "Alles in einem ist es ein riesiges Zirkusding. Ein Zirkuszelt ist eigentlich nur die romantische Metapher dafür", fasst er zusammen. Während des kompletten Interviews hält Murxen Augenkontakt. Seine Augen sind übrigens grün -braun.
Während wir umsteigen, erfahre ich, dass er mittlerweile nicht mehr in der Münchener Innenstadt wohnt, sondern auf dem Land. Gemeinsam mit sieben anderen Künstlern, darunter auch einigen Bandkollegen, hat er ein Haus im Fünfseenland bezogen. Sozusagen die Jamaram-Villa-Kunterbunt. Wir quetschen uns in die nächste Wagonecke. Die Türen der U-Bahn schließen sich mit lautem Gequietsche. Murxen hält sich weiter tapfer das Aufnahmegerät an den Mund. Mittlerweile gebe es sogar eine Putzfrau in der WG, auch wenn gerade er anfangs dagegen gewesen sei, sagt er. Ganz nach dem Motto: "Jeder muss sein Klo selbst putzen!". Geklappt hat es letztendlich nicht, sodass nun wöchentlich Hilfe naht, die zur Freude aller oft sogar Kuchen mitbringt.
Murxens Schauspielkarriere begann 2004 als Chris in der Abschlussklasse auf ProSieben. Noch heute wird er mehrmals täglich darauf angesprochen. Dabei war er anfangs für die Rolle noch nicht einmal vorgesehen. "Eigentlich sollte es ein Freund von mir machen. Er hatte keinen Bock und hat mich zum Casting geschickt. Ich kannte das überhaupt nicht und wusste auch nicht, worauf ich mich da überhaupt einlasse", schmunzelt Murxen und schüttelt den Kopf. "Ich habe es damals aber als Job und jede Menge Erfahrung gesehen." Seitdem ist er immer wieder in Werbespots und Serien zu sehen. Doch eigentlich möchte der 30-Jährige ganz woanders hin, wie er verrät: "Werbespots sind nicht die kreative Erfüllung. Derzeit habe ich noch ein paar Castings für Serien am Laufen. Aber ob das was wird, steht in den Sternen. Ich würde gerne mal einen in Bildern und Text anspruchsvollen poetischen Film machen."
Diesem Wunsch ist er mit Giovanni Pecorini einen Schritt näher gekommen. Eigentlich für Promotion-Zwecke für La famille gedacht, hat Murxen die vierteilige Kurzgeschichte selbstgedreht und mit vertont. Sogar das Drehbuch stammt von ihm. Man merkt, dass er auf dieses Projekt besonders stolz ist. Er lächelt und verrät: "Es war krass viel Arbeit und es ist auch ziemlich gut gelungen. Es gibt einmal einen Einblick in die anderen Talente von Jamaram." Murxen fährt sich mit der rechten Hand übers Gesicht und seinen Dreitagebart Darunter zeichnen sich bereits erste Lachfalten ab. In diesem Jahr ist er 32 Jahre alt geworden - für viele Männer eine schwierige Phase. Auch an Murxen ist der neue Altersabschnitt nach eigener Aussage nicht spurlos vorbeigegangen. Nach 14 Jahren Bandalltag merke er, dass sich etwas verändern müsse. Er will etwas für sich selbst finden, in dem er noch mehr aufgehen kann, so sagt er. Manchmal höre er auch schon seine innere Uhr ticken. Murxen grinst und erzählt mir, dass ihm eine Wahrsagerin fünf Kinder prophezeit habe. Auch mit Familie soll der Bandalltag aber weitergehen. "Wir sind durchgehend das ganze Jahr auf Tour und dann kommen die Festivals. Danach setzen wir uns wieder an das nächste Album. Es ist eine never ending Story!", lacht Murxen, als wir schließlich aus der U-Bahn aussteigen.
Andrea Hornsteiner