Es ist ein warmer Oktoberabend im Jahr 1974, wenige Monate nach dem Sturz der griechischen Militärdiktatur. Zehntausende Menschen strömen an diesem 10. Oktober ins Athener Karaiskaki-Stadion, um das erste Konzert des aus dem Exil zurückgekehrten Mikis Theodorakis mitzuverfolgen. Während der Militärdiktatur war seine Musik verboten. Theodorakis ist eine mächtige Figur auf der Bühne. Beweine nicht das Griechentum, singt er - ein Gedicht von Giannis Ritsos - beweine nicht das Griechentum, das wieder aufersteht. Sieh, es springt auf, fasst Mut und grollt und trifft die Bestie mit der Harpune der Sonne.
Der Kampf gegen jede Form von Unterdrückung ist zentral für Mikis Theodorakis Leben und Schaffen. „Das Schicksal wollte es, dass ich als Grieche geboren wurde", hat der Musiker einmal gesagt. Und das 20. Jahrhundert in Griechenland ist ein politisch sehr bewegtes. Schon mit 15 Jahren schließt sich Theodorakis dem Widerstandskampf gegen die Nationalsozialisten an.
"Ich bin gar nicht der Typ, der raus geht und kämpft. Es war mehr eine innere Pflicht für mich. Mein Vater hat an verschiedenen Aufständen teilgenommen. Mit diesen Geschichten bin ich groß geworden. Und so ist in mir die Überzeugung gereift, dass man für sein Vaterland Opfer bringen muss. Ganz konkrete Opfer. Andere machen es sich daheim bequem, und ich beneide sie in gewisser Weise darum. Ich konnte schlichtweg nicht anders als meiner inneren Stimme zu folgen."
Im Bürgerkrieg, dann in den bleiernden 50er und 60er Jahren, als das Paramilitär die Geschicke Griechenlands bestimmte und später während der Militärdiktatur: Theodorakis hat immer wieder Stellung bezogen. Mehrfach wurde er festgenommen und auf Strafinseln verbannt. Mikis Theodorakis wird gefoltert und überführt selbst diese Erfahrung in Musik.
Er vertont die großen griechischen Lyriker Giannis Ritsos, Odysseas Elytis, Nikos Gkatsos und macht sie so einem breiten - vielfach auch ungebildeten - Publikum bekannt. Er schreibt die Musik zu den Filmen "Z" von Costas Gavras, zu "Serpico", zu "Alexis Sorbas". Er schreibt Oratorien und Symphonien. Zu seinen Freunden und Weggefährten zählen Pablo Neruda, Salvador Allende, Olof Palme, Willy Brandt, Francois Mitterand. Seinen 56. Geburtstag feiert er auf Kuba, gemeinsam mit Fidel Kastro. 1981 ist das.
Zwei Mal wird Mikis Theodorakis ins griechische Parlament gewählt. Doch die politischen Volten des Musikers, der sich zwar immer zur Linken bekannte, nach seinem Austritt aus der Kommunistischen Partei Griechenlands aber jenseits der Parteipolitik agierte, haben manchen verwirrt. Dagegen ist Theodorakis unbestritten eine moralische Instanz geblieben. Und so meldet er sich wieder, als die Finanzkrise in Griechenland ausbricht. Mittlerweile 85 Jahre alt gründet er eine Bürgerbewegung und nimmt an Demonstrationen teil. Er wird verletzt und leidet immer noch an den Folgen. Auch die Idee für die Athener Sozialklinik Elliniko, in der heute zehntausende unversicherte Griechen ehrenamtlich medizinisch versorgt werden, geht unter anderem auf ihn zurück. Er begrüßt die Machtübernahme durch die Syriza-Partei und kritisiert sie später - allerdings von links.
Mikis Theodorakis war nie bequem, und er ist es auch im Alter nicht geworden. In seinem bewegten Leben gibt es eine Konstante: niemals den Mächtigen nach dem Mund zu reden. Das hat ihn in in seiner Heimat so beliebt gemacht, zusammen mit seiner Musik selbstverständlich. Und so dürften auch heute wieder Zehntausende Menschen zusammen kommen, wenn im Park des Athener Konzerthauses ein Geburtstagskonzert zu Ehren von Mikis Theodorakis gegeben wird.