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Suheilas Geheimnis

Die Geschichte von Suheila Abu Rkeek könnte eine Fabel sein. Eine Fabel über Mutterliebe und die Kraft, mit der eine Frau für ihre Kinder kämpfen kann. Gleichzeitig ist Suheilas Geschichte eine Geschichte des Feminismus, über Frauen, die sich nehmen, was ihnen zusteht. Und sie erzählt die Geschichte einer Bevölkerungsminderheit Israels. Suheila ist Beduinin.


Die 49-Jährige wohnt in Tel Scheva, einer kleinen Stadt neben Be'er Scheva, im Süden Israels. Be'er Scheva ist ein international wichtiger Standort für IT-Start-ups, mehr als 100 Unternehmen haben ihren Sitz in der verschlafenen Wüstenstadt. Tel Scheva ist, so könnte man sagen, der böse Zwilling Be'er Schevas.


Die Armut sieht man der beduinischen Stadt an. Viele der Häuser im Ort sind aus Wellblech zusammengeschustert, dazwischen rennen Hühner umher. Die festen Häuser, die es gibt, stehen teilweise verlassen da, unfertige Bauprojekte, die warten, dass jemand sich an sie erinnert. Die Männer, die durch den Ort gehen, tragen das traditionelle Kopftuch, die Kufiya. Auf einer staubigen Fläche zwischen zwei Straßen ist ein Kamel angebunden.


In Tel Scheva leben viele, die bis vor einigen Jahren oder Jahrzehnten noch nomadisch lebten, keinen festen Wohnsitz hatten. Doch das ist schwer in einem hoch regulierten Staat wie Israel. Für das kleine Land ist die Wüste Negev, traditionell Heimat der israelischen Beduinen, wertvolles Land. Sie macht etwa sechzig Prozent des israelischen Staatsgebietes aus. Die Beduinen Israels beanspruchen das Land für sich. Doch schon seit Jahrzehnten beachtet die israelische Regierung diese Forderungen nicht. Deren Strategie lautet seit einem halben Jahrhundert: Urbanisierung. Städte wurden gebaut, in denen die Beduinen Zugang zu medizinischer und sanitärer Versorgung und Bildung bekommen sollten. Eine dieser Städte, in denen heute etwa die Hälfte der Beduinen Israels lebt, ist Tel Scheva. Nomadisch leben die Menschen in Tel Scheva nicht. Städtisch jedoch auch nicht.


Suheila Abu Rkeek ist im traditionellen beduinischen Kontext aufgewachsen. Die Schule hat sie nicht beendet. Das sei nicht nötig, wenn man ohnehin Hausfrau werden soll. Sie sitzt auf dem Grundstück ihrer Familie in Tel Scheva in einem selbst gebauten Unterstand und erzählt. Es gibt heißen Pfefferminztee aus Pappbechern.


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