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Leitartikel: Genius der Weiblichkeit

Meint er das wirklich ernst? Als die Meldung in meinem Facebook Newsfeed auftaucht, bin ich fassungslos, dann euphorisch: Papst Franziskus will den Diakonat der Frau untersuchen lassen! Dass ich mich freue, statt auf Liberalisierung und Zeitgeist zu schimpfen, hat viele meiner Freunde verwundert. Sie wissen, ich bin eine konservative Katholikin. Wir Konservative, heißt es, stehen Liberalisierungen meist skeptisch gegenüber. Doch so einfach ist es nicht, schon gar nicht jetzt. Ich bin euphorisch, weil ich in meiner Kirche als Frau oft Geringschätzung erfahren habe. Dass die Presselandschaft mittlerweile voller kirchlicher Dementi ist, bremst meine Freude nicht. Denn ob nun ein Diakoninnenamt kommt oder nicht, ist für mich zweitrangig. Die Debatte ist entfacht und wird so schnell nicht wieder zu stoppen sein.

Um der Euphorie mit Realismus zu begegnen: Die Priesterweihe für Frauen will Franziskus dezidiert nicht. "Die Tür ist verschlossen", sagte er zu der Journalistin Ana Fereira 2013. Doch im selben Interview sagte er auch, dass die Frau in der Kirche wichtiger sei als Bischöfe und Priester. Um das genauer zu erforschen, will Franziskus eine "Theologie der Frau", das hat er oft betont. In diesem Zusammenhang die Frage nach dem Diakonat prüfen zu lassen ist konsequent. "Aber das hat es doch bereits gegeben!", werfen Kritiker ein. Tatsächlich hat die Internationale Theologische Kommission 2003 ein Dokument mit dem Titel Der Diakonat: Entwicklungen und Perspektiven veröffentlicht. Damaliges Fazit: Die "Diakonissen" der frühen Kirche sind nicht mit Diakonen gleichzusetzen, und die Einheit des Weihesakraments ist wichtiger Bestandteil der kirchlichen Tradition. Das ist der Punkt, an dem Nichttheologen oft aussteigen. Dabei ist es eigentlich einfach: Die "Einheit des Weihesakraments" bedeutet, dass die drei Weihestufen (Diakon, Priester und Bischof) zusammenhängen. Sie sind das, was die Kirche ein Sakrament nennt. Dürften Frauen am Weihesakrament teilhaben, wären Priester- und Bischofsamt in Gefahr, fürchten jetzt viele Konservative und gruseln sich vor Frauen im Messgewand. Diese Aufregung kann ich nicht verstehen. Denn die sakramentale Dreiheit wurde 2009 durch Benedikt XVI. in ihrer Harmonie gestört. Er änderte mittels eines Motu proprio, eines apostolischen Schreibens, das Kirchenrecht. Dem ursprünglichen Canon 1009 wurde ein Paragraf hinzugefügt, der den Diakonat von der Priester- und Bischofsweihe trennt. Der Diakon handelt demnach nicht in persona Christi Capitis, also nicht "in der Person Christi, des Hauptes". Diese Unterscheidung war wichtig, weil es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil "ständige Diakone" gibt, also verheiratete Männer, die "nur" Diakone sind und nicht anstreben, Priester zu werden. Es könnte aber auch sein, dass Benedikt hier den Weg zum Diakonat der Frau bereitet hat - oder die Grenze zum Priestertum zementieren wollte. Ein Grund zum Aufatmen für alle, die Angst vor Priesterinnen haben. Für mich sind Priesterinnen auch undenkbar. Da bin ich ganz konservativ. Ich verstehe, was Johannes Paul II. bewog, infrage zu stellen, ob die Kirche überhaupt die Vollmacht hätte, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Orientiert man sich am (biblisch bezeugten) Handeln Christi, das in jeder Hinsicht frauenfreundlich war, muss man anerkennen, dass er zwölf Männer gewählt hat, auf die der apostolische Dienst zurückgeht. Der "Diakonat der Frau" jedoch ist mit einer Priesterweihe für Frauen nicht zu vergleichen. Insoweit könnte es sein dass es irgendwann eine "Weihe" für Frauen geben wird. Walter Kardinal Kasper hatte vor einiger Zeit eine "Segnung" (Benediktion) zur Diakonin vorgeschlagen, ähnlich wie es bei den Äbtissinnen. Kaspers Forderung wurde als "Weihe light" verlacht.

Mir wäre eine "Weihe light" lieber als eine "Weihe zero". Die Weihe garantiert Sichtbarkeit und Einfluss. Ohne Weihe blieben Frauen in der katholischen Kirche unsichtbar. Franziskus' Traum vom "weiblichen Genius", der an den Stellen in der Kirche wirkt, "wo wichtige Entscheidungen getroffen werden", wäre dann wenig mehr als Gerede. Dass Franziskus den Diakonat für Frauen selbst zum Thema macht, deutet darauf hin, dass es ihm ernst ist mit dem "Genius". Gerade weil zahlreiche Frauen längst in dem Bereich tätig sind, den die Kirche als "diakonisch" versteht. Ein offizieller Diakonat wäre eine Würdigung und Bestärkung für alle Frauen, die bereits jetzt die Botschaft Jesu Christi leben und verbreiten. Und er würde der Kirche auch nach außen hin ein weibliches Gesicht verleihen.

Franziskus hat recht: Der weibliche "Genius" bereichert die Kirche. Auch die Tradition ist dafür ein Beweis, wenn man an Kirchenlehrerinnen wie Katharina von Siena denkt. Die hat Päpste beraten. Ob für mehr Einfluss ein Diakoninnenamt schon ausreicht, ist eine andere Frage. Manch einer wünscht sich, dass große Kirchenfrauen zu Kardinälen werden und damit den Papst mitwählen können. Franziskus hat 2013 dazu gesagt, "wer an Frauen als Kardinäle denkt, leidet ein wenig an Klerikalismus". Ich würde dagegenhalten, dass gerade der an Klerikalismus leidet, der Frauen von einflussreichen Positionen ausschließen will.


Aus: Ausgabe 22/2016


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