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Express-Lieferdienst mit Turbo-Effekt | NZZ

Wer im Online-Geschäft reüssieren will, muss imstande sein, die Lieferzeiten zu verkürzen. "Same Day Delivery" wird zum neuen Standard. Der Elektronikhändler Steg geht dabei neue Wege.

Online-Einkäufe sind heutzutage schnell getätigt, und auch die anschliessenden Lieferfristen werden immer kürzer. Händler bieten bereits Zustellungen am Tag der Bestellung an, "Same Day Delivery" heisst das im Branchenjargon. In den USA sind die Internetfirmen Amazon und Google die Vorreiter dieses Trends, in Deutschland ist es Media-Saturn; der Elektronikhändler liefert Ware, die bis 16 Uhr 15 bestellt wurde, auf Wunsch der Käufer noch am gleichen Tag. Bei der Unternehmensberatung McKinsey glaubt man, dass bis 2020 rund 15% des mit Standardpaketen generierten Umsatzes auf solche Schnellzustellungen entfallen werden - heute sind es weniger als 1%.

Der Bote klingelt um 21 Uhr

Der Luzerner Elektronikhändler Steg Electronics zählt zu den ersten Schweizer Unternehmen, die "Same Day Delivery" anbieten. Bei Steg kann seit Anfang April online bestellte Ware am gleichen Tag nach Hause geliefert werden. Wer den Auftrag vor 11 Uhr erteilt, hat eine Auswahl aus mehr als 15 000 Artikeln des ganzen Sortiments. Danach und bis 18 Uhr sind die rund 3000 in der nächstgelegenen Filiale vorrätigen Artikel erhältlich. Alle Waren werden anschliessend bis 21 Uhr geliefert. Steg hat in der Schweiz 16 Filialen und erreicht nach eigenen Angaben mit "Same Day Delivery" die zehn grössten Städte und rund 36% der hiesigen Einwohner.

Steg Electronics gehört seit 2014 zur Gruppe um die PCP.COM AG, die zuvor ein reiner Elektronik-Versandhändler mit mehreren Marken, aber ohne Verkaufsläden war. Lorenz Weber, Gründer und Geschäftsführer von PCP.COM, ist mit dem Start des Steg-Angebots zufrieden; bis Ende April habe es an den besten Tagen schon rund dreissig Bestellungen für "Same Day Delivery" gegeben. Das Unternehmen liefert Monitors, Handys, aber auch nur Verbindungskabel. Mit den Abläufen in der Logistikkette gab es nach den Angaben Webers keine Schwierigkeiten; und bis November, so meint er, sollte ein Volumen von achtzig Bestellungen pro Tag zu erreichen sein.

Schnelle Post - das war einmal

Für Weber ist "Same Day Delivery" lediglich der neuste Entwicklungsschritt einer schon seit längerem bestehenden Beschleunigungstendenz. Während vor fünf Jahren Kunden ihre am Montag bestellte Ware erst im Verlauf der Woche erhalten hätten, erfolge die Zustellung heute meistens am nächsten Werktag. "In zehn Jahren wird es normal sein, tagsüber zu bestellen und die Ware abends zu erhalten", sagt Weber.

Steg kann der Kundschaft Same-Day-Delivery jedoch nur deshalb bieten, weil vor zwei Jahren die eigene Logistik neu organisiert worden ist. Kurz nach der Übernahme durch PCP.COM kündigte Steg den langjährigen Vertrag mit der Schweizer Post. Laut Weber waren deren Transportdienste zu langsam und zu unflexibel. Und da der Post-Service für jedermann zugänglich ist, konnte man sich damit gegenüber den Konkurrenten auch nicht profilieren. Von Filialen bestellte Ware traf jeweils erst nach drei Tagen ein. Manche Standorte wurden zudem nur zweimal pro Woche beliefert.

Die Basis für eine schnellere Logistik legte eine neue Software für Lagerverwaltung. Das von PCP.COM selber entwickelte Programm wurde in der Folge von Steg übernommen. Die Software funktioniert so, dass sie alle Lagervorgänge in Echtzeit verbucht - und nicht erst im Laufe der Nacht, wie es bei dem ab Stange gekauften Vorgängermodell der Fall gewesen war. Wenn Kunden beispielsweise das letzte Exemplar eines Handys in einer Steg-Filiale erwerben, verschwindet es umgehend aus dem Internetshop-Angebot. "Wir müssen jederzeit wissen, wo welches Produkt verfügbar ist", sagt Weber. Laut seinen Angaben nutzen 75% der erfolgreichsten Online-Shops in den USA selbst entwickelte Softwares. Bei PCP.COM setzt ein Team von acht Spezialisten Änderungen am Programm rasch um - so wie es das schnelllebige Internet erfordert.

Aber auch die Hardware musste angepasst werden; Steg schaffte Lieferwagen an und stellte Fahrer ein, so dass es ab Anfang 2015 möglich wurde, Filialen täglich mit Ware zu versorgen - und zwar am gleichen Tag und nicht mehr über Nacht, wie das die Post tut. Auf der Rückfahrt nehmen die Fahrzeuge Waren ins Zentrallager mit, die in einer anderen Filiale oder online bestellt worden sind. Aus einer Filiale bis um 11 Uhr ins Zentrallager Schaffhausen gesendete Bestellungen werden heute bis um 16 Uhr geliefert. Basierend auf dieser Erfahrung führte Steg im vergangenen Januar die "Same Day"-Abholung ein. Seither stehen Artikel, die von Kunden vor 11 Uhr geordert wurden, ab 17 Uhr im Laden parat.

Der Umstand, dass bei Steg nun die Warenbestände im Zentrallager und in den Filialen in Echtzeit bekannt sind, hat es ermöglicht, den Lagerwert insgesamt um gut 30% zu senken. Das verbesserte die Liquidität des Betriebs und erlaubte auch eine Verkleinerung der Ladenflächen. Unter dem Strich ist das neue Logistikmodell laut Weber nicht teurer als das alte. Allerdings sei es gelungen, durch die verringerte Lieferzeit das "Kundenerlebnis" zu verbessern.

Pizzakurier-Connection

Die für die Filialen bereits bestehende "Same Day Delivery" ermöglichte auf einfache Weise eine Ausweitung des Konzepts bis zum Endkunden; die Umsetzung gelang innert dreier Monate. Für die Auslieferung suchte Steg jeweils lokale Partner. Man verzichtete auf den Aufbau eines eigenen Zustellnetzes und und kooperierte stattdessen mit Pizzalieferdiensten, Taxiunternehmen und Velokurieren. Deren Organisationen seien für rasche Lieferungen ideal, betont Weber. Um 18 Uhr holen sie in den Steg-Filialen die bereitgestellte Ware ab und liefern sie bis 21 Uhr aus. "Der Kurier fährt in der Regel nicht speziell für uns", sagt Weber. Demnächst sollen Kunden dreissig Minuten vor der Lieferung mit einer SMS avisiert werden.

Bei den Mitarbeitern von Steg erforderte die Einführung von "Same Day Delivery" keine grossen Umstellungen mehr. Sie hatten sich bereits ab 2014 an Logistikprozesse gewöhnt, die sich im schnellen Internettakt bewegen. Die Abwicklung von Aufträgen musste rascher als früher erfolgen. "Nicht irgendwann am Tag, sondern binnen zehn Minuten", sagt Weber. Das sei gut gelungen. Im Lauf von zwei Jahren hätten sich im Zentrallager Schaffhausen das Logistikvolumen und die Zahl der Mitarbeiter verdoppelt. Weber sieht im Konzept von "Same Day Delivery" weniger einen Umsatztreiber als ein Alleinstellungsmerkmal. Er weiss, dass die Konkurrenz nachziehen wird. Die Frage ist nur, wie rasch.

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