Vor dem Café 1900 stehen quadratische Tische in der blassen Sonne, sachter Wind bewegt die Tischtücher und schiebt gelbe Lindenblätter durch die Knesebeckstraße. Der Gehweg ist aus kleinen Steinen zusammengesetzt, keiner wie der andere: echtes, altes Berliner Pflaster. Die Hausfassade oberhalb der Markise hat ziselierte Balkongitter und hohe Erkerfenster, über denen sich der Stuck wölbt. Darunter sitzen Menschen beim späten Frühstück, niemand spricht englisch, in Mitte gäbe es das nicht.
Ricarda Messner wartet am Tisch vorne links, sie trägt einen grauen Wollmantel, über dessen Kragen ihre blonden Haare fallen. Eben hat sie einen Kakao geordert. "Danke dir, Katja", sagt sie, als die Bedienung den Pott auf den Tisch stellt, die beiden kennen sich seit Jahren. "Das ist Charlottenburg für mich: Beständigkeit. In Neukölln wechseln die Kellner alle paar Monate, weil das Leute sind, die nur für ein halbes Jahr in Berlin leben. Und bestellen kann man nur noch auf Englisch."
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