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WELT: Affentests - Bundesregierung macht Toxikologe Helmut Greim keine Vorwürfe

Wirtschaft

Abgastest an Affen Umstrittener Toxikologe behält sein Bundesverdienstkreuz

Nach Bekanntwerden von Abgastests an Affen erwog das Umweltministerium, dem Wissenschaftler Helmut Greim das Bundesverdienstkreuz abzuerkennen. Das passiert nun doch nicht. Offenbar gab es einen Machtkampf in der Regierung.

Darf ein Wissenschaftler, der in ethisch fragwürdige Tests verwickelt war, sein Bundesverdienstkreuz behalten? Die Affäre um Abgastests an Affen hat diese Frage aufgeworfen. Kurzzeitig sah es so aus, als könnte einem der darin verwickelten Wissenschaftler, dem Toxikologen Helmut Greim, sein Orden aus dem Jahr 2015 aberkannt werden.

Zumindest zog man diese Möglichkeit Anfang des Jahres im Bundesumweltministerium in Betracht. Doch die Prüfungen dazu sind offenbar abgeschlossen. Und Greim, so sieht es aus, darf weiterhin in höchsten Würden schweben.

In der Sache geht es um die Rolle des 82-jährigen Wissenschaftlers Greim, dem ehemaligen Leiter des Münchner Helmholtz-Zentrums und langjährigen Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen, einem wichtigen Beratergremium der Bundesregierung.

Für sein wissenschaftliches Engagement auf dem Gebiet der Toxikologie wurde er auf Vorschlag der damaligen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Öffentlichkeit war erschüttert

Rund drei Jahre später war sich die Bundesministerin nicht mehr sicher, ob Greim noch in den Kreis der höchsten deutschen Würdenträger gehört. Als Ex-Chef des Forschungsbeirats der Lobbygruppe EUGT, gegründet von VW, Daimler, BMW und Bosch, hatte er Kenntnis von den umstrittenen Experimenten an Affen, bei denen die Tiere Abgasen ausgesetzt wurden.

Darüber hinaus förderte die EUGT eine Studie der Universität Aachen, bei der sich 25 Probanden an einem Institut der Uniklinik Aachen dem Reizgas Stickstoffoxid aussetzten. Als die Sache rauskam, war die Öffentlichkeit erschüttert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt die Tests für „ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen." Doch Greim relativierte: „Es klingt für Laien vielleicht absonderlich, aber Affenstudien werden überall gemacht. Für bestimmte Fragestellungen sind solche Versuche sehr relevant und aussagefähig", sagte er damals.

Hendricks war mit dieser Haltung offenkundig unzufrieden. Denn kurz darauf distanzierte sich das Bundesumweltministerium von Greim. Ei n Sprecher sagte WELT im Februar, man prüfe, „wie wir uns zu seiner Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz positionieren werden." Greim musste Stellung nehmen, die Antworten würden die Grundlage für das weitere Vorgehen bilden.

Kumpanei zwischen Groko und Industrie?

Doch nun windet sich das Umweltministerium und gibt verklausuliert zu, dass die Prüfungen für Greim positiv verlaufen sind. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen verweist man auf zwei Anfragen aus dem Jahr 2016, in denen es zu Greim unter anderem heißt: „Die Bundesregierung hat darauf hingewiesen, dass sie die Verleihung des Verdienstordens ... für eine unabhängige, nicht interessengeleitete Politikberatung für gerechtfertigt hält." Der Professor habe in zahlreichen Expertengremien mitgewirkt oder deren Vorsitz innegehabt.

Vor zwei Jahren wurde Greim vorgeworfen, als Sachverständiger unter anderem bei den Themen Dioxin, PCB, Stickoxide und Glyphosat nicht unabhängig zu sein, und sich von der Industrie davon bezahlen zu lassen, die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Bei den Grünen glaubt man, dass im Umweltministerium durchaus der Wille bestand, Greim das Verdienstkreuz abzuerkennen. „Man konnte sich am Ende aber offenbar nicht durchsetzen", sagte Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, WELT.

Das Ergebnis der Prüfung lasse tief in das „Ausmaß der Kumpanei zwischen großer Koalition und Industrie blicken." Greim sei ein „Verharmloser", das Verdienstkreuz müsse ihm aberkannt werden.

Bei den Linken sieht man es ähnlich, aber der vollzogene Meinungswechsel war zu spät, um das juristisch komplexe Aberkennungsverfahren mit der Rückendeckung des Bundeskanzleramts in Gang zu setzen. „Wer erst nach dem öffentlichen Aufschrei in Folge der Abgastests an Affen seine Meinung ändert, braucht sich nicht zu wundern, dass er sich bei der Durchsetzung seiner neuen Position nicht durchsetzen kann", sagte Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken, WELT.

Es sei bedauerlich, dass es bei der Feststellung der „Ordenswürdigkeit" offenbar an einem nachvollziehbaren ethischen Maßstab fehle.

Austausch statt Kontrolle

Die Grünen zweifeln insgesamt daran, wie ernsthaft die Bundesregierung ihre Kontrollfunktion wahrnimmt - und über die Einhaltung ethischer Maßstäbe bei Abgastests wacht, so wie sie die Bundeskanzlerin forderte. Es geht ihnen dabei um den späten Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung von den Studien erfuhr.

In der Anfrage heißt es: „Die Bundesregierung hat im Rahmen der Presseberichterstattungen vom Wochenende des 27./28. Januar 2018 von beiden Studien erfahren."

Vor dem Hintergrund, dass das Verkehrsministerium einen eigenen Sachverständigen - einen sogenannten „Counselor transportation, digital infrastructure and building" - nach Washington entsandt hat, sei das deutlich zu spät. „Wieder einmal erfährt die Bundesregierung als oberste Kontrollbehörde aus der Presse von Abgasversuchen an Mensch und Tier durch die Autolobby", sagt Grünen-Politiker Krischer.

Ob sich ähnliche Tests in Zukunft wiederholen, ist nach Ansicht der Bundesregierung aber Sache der Autohersteller. Zwar habe man die Vorgänge in bilateralen Gesprächen „deutlich verurteilt" und den Autoherstellern abgerungen, dass diese sich nur noch an Studien beteiligen wollen, „bei denen die Einhaltung geltenden deutschen Rechts und deutscher Ethikgrundsätze gewährleistet sind." Doch statt Kontrolle setzt man bei der Umsetzung auf den „Austausch" mit den Autoherstellern.

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