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WELT AM SONNTAG: Vorsicht vor Drückermethoden an der Haustür

Wirtschaft

Vorweihnachtszeit Die „Drückermethoden" der Spendensammler an der Haustür

„Plötzlich war der Fuß in der Tür": In der Vorweihnachtszeit machen viele Deutsche unangenehme Erfahrungen mit Spendensammlern. Schuld ist ein System, das Verbraucherschützer und Politiker alarmiert.

Zur Vorweihnachtszeit sind bundesweit professionelle Spendensammler unterwegs, um neue Mitglieder anzuwerben - im Auftrag wohltätiger Organisationen wie des Deutschen Roten Kreuzes, des Malteser Hilfsbunds, der Johanniter-Unfall-Hilfe und des Arbeiter-Samariter-Bunds. Von Verbraucherschützern und aus der Politik kommt nun Kritik am Vorgehen der Organisationen. Sie entlohnen die von ihnen beauftragten Agenturen offenbar häufig ausschließlich über erfolgsabhängige Provisionen. Auch die Honorarkräfte an den Haustüren bekommen nur dann Geld, wenn sie neue Mitgliederverträge abschließen.

Die Expertin für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, sagte der WELT AM SONNTAG: „Wenn man Mitglieder an Haustüren anwirbt, muss sichergestellt sein, dass für die Mitarbeiter dieser Fundraising-Agenturen der Mindestlohn eingehalten wird."

Erfolgsabhängige Honorare könnten sonst schnell zu „Drückermethoden" an den Haustüren führen, wie der Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg, Michael Knobloch, der WELT AM SONNTAG sagte. „Bei diesem Geschäftsmodell kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Provisionsinteresse der Werber im Vordergrund steht und versucht wird, Verbraucher in Verträge zu drängen."

Einige Spendensammler pochen beispielsweise auf sofortige Unterschrift von Mitgliedsbeiträgen, manchmal schüren sie bei den oft älteren potenziellen Neumitgliedern, die tagsüber die Türen öffnen, auch Ängste. Zum Beispiel: Ohne die Spende sei der Rettungsdienst im Ortsteil vielleicht bald nicht mehr gewährleistet.

Das gibt etwa ein Kreisverbandschef des Deutschen Roten Kreuzes zu, Eckart Fuchs aus Ulm. „Wir bekommen dann Anrufe von Bürgern, dass ein Fuß in der Tür stand. Oder dass der Werber sagte, es handele sich um eine einmalige Spende anstatt um eine Dauermitgliedschaft." Sein Kreisverband habe deshalb sogar schon einmal eine Haustüraktion gestoppt und die Zusammenarbeit mit der Agentur beendet.

Werber treten in Sanitäter-Uniform auf

Hilfsorganisationen, die Rettungsdienste organisieren, nutzen den Recherchen der WELT AM SONNTAG zufolge die Haustürmethode deutlich häufiger als andere gemeinnützige Vereine. Bei den Maltesern werden drei von vier neuen Mitgliedern auf diese Weise angeworben, beim Deutschen Roten Kreuz sind es in manchen Kreisverbänden sogar noch mehr. Häufig treten die Werber in Sanitäter-Uniform auf - obwohl sie keine Rettungskräfte, sondern Honorarkräfte im Auftrag von Subunternehmen sind.

Deren Arbeit müssen neue Fördermitglieder von ihren Spenden bezahlen, was sie jedoch häufig nicht erfahren. „Im Schnitt geht der erste Jahresbeitrag eines neuen Fördermitglieds, das an der Haustür angeworben wurde, für das Honorar der beauftragten Agentur drauf", sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), bei dem sich wohltätige Organisationen für ethisch korrektes Spendensammeln zertifizieren lassen können.

Um Drückermethoden und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz zu vermeiden, sieht das Spendensiegel des DZI vor, dass mindestens die Hälfte des Honorars für die Agenturen ein Fixgehalt sein muss. Doch weder die Malteser noch der Arbeiter-Samariter-Bund haben dieses Siegel. Beim Deutschen Roten Kreuz - mit 164.500 Mitarbeitern und mehr als 400.000 Ehrenamtlichen ein Riese in der Wohlfahrtsbranche - trägt nur der Bundesverband das Gütesiegel. Die Aufträge an die Spendensammelagenturen erteilen jedoch die knapp 500 Kreisverbände, die sich an die ethischen Maßgaben nicht halten müssen.

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