Ein Bass wummert durch die Sozialtherapieabteilung, dann ist eine leise Stimme im Gang zu hören. Ein Mann rappt über das Leben auf der Straße. Über Geld, Gewalt und Schnuff - Kokain. Die Texte des Frankfurter Hip-Hop-Duos "Celo & Abdi" passen gut hierher. Viele der 255 Bewohner, 14 bis 24 Jahre alt, sind genau wegen solcher Delikte im geschlossenen Jugendvollzug in Herford.
1883 eröffnete das damals preußische Zuchthaus in der Nähe von Bielefeld in Nordrhein-Westfalen. Der wilhelminische Baustil erinnert noch heute an diese Zeit. Drinnen, im Gesellschaftsraum, sind die Wände inzwischen so bunt wie in einer Grundschule. Timo, kurze schwarze Haare, tiefe Stimme, weißes Shirt, sitzt auf der alten Couch. Er wartet bereits. Der 21-Jährige, der eigentlich anders heißt, ist so etwas wie ein Vorzeigehäftling. Höflich, zuvorkommend, er wirkt ausgeglichen, als er seine Geschichte erzählt. Er ist das gewohnt. Hier in der Sozialtherapieabteilung hat er schon viel über sich geredet.
Vier Jahre hat Timo bereits im Gefängnis verbracht. Hier sei er reifer geworden, sagt er. Reifer als damals, als er als Teenager mit einer wesentlich älteren Komplizin Tankstellen, Supermärkte, Schnellrestaurants ausraubte. Und aus Langeweile, so sagt er später vor Gericht, Dinge anzündete. Einen Lastwagen auf einer Baustelle an der Autobahn. Ein Strohlager. Der Sachschaden: mehr als eine Million Euro. Die Strafe: acht Jahre und acht Monate Jugendgefängnis.
"Ich war einfach charakterschwach"Wie wird man zum Straftäter? "Ich war einfach charakterschwach", sagt Timo. "Einer, der nicht nein sagen konnte." Viel mehr mag Timo vor einem Fremden dazu nicht sagen. Die Taten zählen für ihn nicht mehr. Sind passiert, abgehakt, jetzt will er weitermachen.
Timo gelingt das auf den ersten Blick. Seine Ausbildung hat er gerade abgeschlossen, mit der Note 2,5. "Das ist okay", findet er. Anfang Juli hat er den Gesellenbrief als Koch bekommen. Ein Feingeist sei er nicht in der Küche, er bevorzuge Hausmannskost. "Etwas Handfestes", wie er sagt. Ein Stellenangebot nach der Haft hat er bereits. Allerdings nicht als Koch, sondern in der Gebäudesicherheit. Dort wird Timo auch nachts arbeiten müssen. Er will flexibel sein: Hauptsache Arbeit.
Immer wieder blicken Mithäftlinge in den Gesellschaftsraum. Ein Gast erregt Aufsehen in der JVA Herford. Hier gibt es ausschließlich Einzelzellen, sie sind offen. Fernsehschauen, Karten spielen, damit vertreiben sich die Häftlinge die Zeit. So etwas wie Gemeinschaft gibt es dennoch kaum. Die Mitgefangenen sind für Timo keine Freunde.
"Hier entwickelt man eine Überlebenstaktik. Das sind Zweckgemeinschaften: Wenn es hart auf hart kommt, würde man stehengelassen. Meistens jedenfalls", sagt er. Deshalb hält er Distanz, ist misstrauisch. Schon bei alltäglichen Dingen wie dem Tausch von Tabak wird es in der Jugendvollzugsanstalt schnell laut. Niemand will sich übers Ohr hauen lassen.
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