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Irgendwie, irgendwo, irgendwann

Das 2:1 durch Lucie Vonkova (2. v. r.) war nicht der letzte Treffer des FCB an diesem Abend - aber der letzte, der anerkannt wurde. (Foto: Karsten Lauer/imago)

Die Frauen des FC Bayern scheiden trotz eines 2:1 gegen Chelsea aus der Champions League aus. Zwei Fehlentscheidungen der Schiedsrichterin bringen Trainer Thomas Wörle in Rage.

Thomas Wörle, 35, Cheftrainer der Fußballerinnen des FC Bayern, ist normalerweise ein sehr umgänglicher Typ. Einer, der sachlich bleibt, ruhig und gelassen seinem Tagwerk nachgeht. Kein tobender Wüterich, der an der Seitenlinie auf und ab tigert. Doch dieses Spiel war selbst für einen wie ihn zu viel. Vor allem diese eine Szene, kurz vor dem Schlusspfiff. Seine Bayern führten nach 94 Minuten 2:1. Eigentlich ein erfreuliches Zwischenergebnis, doch nicht am Mittwochabend. Der LFC Chelsea war zu Gast im Grünwalder Stadion, die Bayern waren mit der Hypothek einer 0:1-Niederlage aus dem Hinspiel des Sechzehntelfinals in der Champions League angetreten. Gemäß der Auswärtstorregel fehlte zum Weiterkommen somit noch ein Treffer.

Zurück also in jene Nachspielzeit und zu der Szene, die nicht nur Wörles Gemüt erhitzte. Bayerns Kapitänin Melanie Behringer tritt einen Freistoß von links gefährlich vor das Tor der Londoner, Gina Lewandowski wird gestoßen, fällt zu Boden. Am langen Pfosten steht Simone Laudehr frei und knallt den Ball volley ins Netz. Tosender Jubel brandet auf - sollte es auf den letzten Drücker für die Bayern doch noch zum Weiterkommen reichen? Nein. Das Spiel war bereits unterbrochen. Wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung.

Der kurze Siegestaumel bei den Münchnerinnen verwandelte sich in Bestürzung und Wut - auf das Schiedsrichtergespann. Kurz darauf war Schluss, die Bayern waren trotz eines verdienten Sieges ausgeschieden. Am Mikrofon ließ Wörle seinem Ärger freien Lauf. "Es ist zum Kaputtlachen, unglaublich", schimpfte er, "Chelsea ist jetzt weiter, und die müssen sich fragen, warum." Die Stimmung in der Kabine sei, wenig überraschend, miserabel gewesen. "Die Mädchen lassen die nächsten Tage sicher die Köpfe hängen", sagte er.

Dabei waren die FCB-Frauen doch so selbstbewusst in dieses Rückspiel gegangen. Von der Kulisse wollten sie sich zusätzlich motivieren lassen. Die Atmosphäre war prächtig, aus den Lautsprechern dröhnte Nena, später auch "Stern des Südens". Der Fanblock auf der Nordtribüne trommelte ohne Unterlass. Von einer Angst, sich nicht für das Achtelfinale zu qualifizieren, war nichts zu spüren. Stattdessen spielten die Bayern mit Wucht nach vorne, drängten die Gäste regelrecht in den eigenen Strafraum hinein. Torchancen erspielten sie sich aber kaum.

Die Außenverteidigerinnen Verena Faißt und Leonie Maier rückten so weit auf, dass sie problemlos als Flügelstürmerinnen durchgingen. Doch ihre Flanken flogen reihenweise ins Toraus. Eine Stunde lang ging dieses improvisierte 2-3-5-System gut. Dann sorgte Chelseas Stürmerin Francesca Kirby für Schockstarre auf den Rängen. Nach einem Konter tauchte sie frei vor Manuela Zinsberger auf und traf eiskalt, aber auch unbedrängt zum 0:1.

Doch Wörles Team kam noch einmal heran. Ein Eigentor von Gemma Davison (75.) sowie ein Treffer von Lucie Vonkova (82.) drehten das Spiel. "Meine Mannschaft hat wieder brutalen Kampfgeist bewiesen. Darauf bin ich richtig stolz", lobte Wörle. Doch der dritte Treffer wollte und sollte nicht mehr fallen. In der turbulenten Schlussphase inklusive sechs Minuten Nachspielzeit wurde den Bayern ein klarer Handelfmeter verweigert, das vermeintliche 3:1 durch Laudehr bezeichnete Wörle als "regulär". Die Schuld am frühen Aus nur der Schiedsrichterin zuzuschieben, wäre aber ebenso falsch, wie die starken Auftritte der Bayern ob der Ergebnisse klein zu reden. Laudehr sah es genauso. Sie hatte zwei "unglaublich gute" Auftritte ihrer Mannschaft gesehen, die es "verdient hatte weiterzukommen". Zinsberger, kaum gefordert und doch in beiden Spielen bezwungen, sagte: "Wir müssen das jetzt erst einmal sacken lassen."

Und wem nach dem furiosen Handlungsverlauf dieses 96-minütigen Dramas noch immer Nenas Ohrwurm "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" im Kopf nachhallte, dem musste der Song wie ein zynisches Mantra voller Ungewissheiten vorkommen. Irgendwie hatten die Engländerinnen es in zwei Spielen geschafft, immer das erste Tor zu erzielen, ohne je die aktivere Mannschaft zu sein. Irgendwo hatte die Schiedsrichterin in der Nachspielzeit exklusiv einen Regelverstoß einer Münchnerin erkannt und dem 3:1 seine Gültigkeit abgesprochen. Nun müssen die Bayern ihren Fokus auf die Liga richten, um wieder auf die internationale Bühne zurückzukehren. Irgendwann kehrt vielleicht auch das Glück zurück. Spätestens dann dürfte Wörles Wut verraucht sein.

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