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Jesus statt Aguero

Manchester City gewinnt das Spitzenspiel beim FC Chelsea überzeugend. Pep Guardiolas erdrückender Ballbesitz-Fußball ist - nach holpriger erster Saison - in den Köpfen und Beinen seiner Spieler angekommen.

Erst eine gute halbe Stunde war an der Stamford Bridge gespielt, als das Schicksal für zweifelhafte Gerechtigkeit sorgte. Alvaro Morata, mit sechs Toren bester Schütze des FC Chelsea in der Premier League, greift sich im Mittelkreis an den linken Oberschenkel, beugt sich nach vorne, sein Gesicht - im Schmerz verzerrt. Er deutet sofort an: Es geht nicht weiter. Kurz darauf kommt für den spanischen Stoßstürmer Morata der wendige Brasilianer Willian in die Partie.

Die Krux: Gegner des FC Chelsea war am Samstagabend Manchester City. Und die Mannschaft von Pep Guardiola hatte bereits vor dem Spiel einen echten Schicksalsschlag verkraften müssen. Einen, gegen den sich so eine Oberschenkelverletzung dann doch ziemlich nachrangig ausnimmt.

Der Argentinier Sergio Aguero, seinerseits mit sechs Treffern bester Torjäger in dieser Spielzeit bei ManCity, hatte sich bei einem Verkehrsunfall in Amsterdam mehrere Rippenbrüche zugezogen. Er war in einem Taxi von einem Konzert zum Flughafen gefahren worden, der Wagen prallte in einer Kurve an einen Laternenmast. "Das Wichtigste ist, dass Sergio am Leben ist", sagte Guardiola. Was genau vorgefallen war, ist noch unklar, ebenso, wie lange Aguero jetzt pausieren muss.

Aber auf dem Platz war jetzt folgendes festzuhalten: Beide Mannschaften waren in dieser so richtungsweisenden Partie nach 35 Minuten ihres wichtigsten Torjägers beraubt. Neue Vorzeichen also an einem Abend, an dem zwei Titelanwärter ihre Ansprüche unterstreichen wollten. Es war für beide der erste große Gradmesser in der laufenden Premier-League-Spielzeit. Der Meister (Chelsea) gegen den Tabellenführer (City). Das Duell zweier Teams, deren blindwütige Kaufkraft endlich wieder einen großen Titel, namentlich die Champions League, an Land spülen soll, es sollte auch Aufschluss darüber geben, wessen Formkurve in der Liga nun die steilere ist. Antwort: die von Guardiola und City. Sie gewannen dieses Spitzenspiel mit 1:0.

Das passte ins Bild, Guardiolas Team war in der Liga zuletzt auch schon von Sieg zu Sieg geeilt, Torfestivals inklusive. Neun Punkte standen in den vergangenen drei Spielen zu Buche, garniert von einem schwindelerregenden Torverhältnis von 16:0 - keine Frage, ManCity ist in England das Team der Stunde. Guardiolas erdrückender Ballbesitz- und Kurzpass-Fußball scheint - nach holpriger erster Saison - in den Köpfen und Beinen seiner Spieler angekommen zu sein.

Nun aber musste Guardiola gegen Chelsea Ersatz finden für seinen verletzten Stürmer. Kein leichtes Unterfangen. Aguero ist seit Jahren das entscheidende Rädchen im Offensivkonstrukt der Citizens. Im Spitzenspiel an der Stamford Bridge bot Guardiola in der Sturmspitze Gabriel Jesus auf, flankiert vom formstarken deutschen Nationalspieler Leroy Sané und von Raheem Sterling. Und wie motiviert der Aguero-Vertreter Jesus war, zeigte er nach zwölf Minuten. Chelseas Torwart Thibaut Courtois ließ sich mit dem Ball am Fuß ungewöhnlich viel Zeit, Jesus attackierte - und hätte den belgischen Keeper beinahe zu einem Patzer gedrängt. Der Pressschlag segelte über die Latte.

Je länger die Partie lief, desto stärker wurde Manchester City, erspielte sich nicht nur das gewohnte Übergewicht in der Ballbesitz-Statistik, sondern auch einige Einschussmöglichkeiten. Die beste in der ersten Hälfte vergab Sterling, als er nach einem blitzschnellen Konter seine Hereingabe ins Toraus zwirbelte (28.). Chelsea war physisch stark, unterband den Guardiola-Fußball so gut das derzeit eben geht. Mit der Verletzung von Morata ging den Blues dann ein wichtiger Baustein verloren, die meist von Eden Hazard initiierten Angriffe verebbten rasch. Es fehlte eine Anspielstation, Willian war kaum eingebunden. Wieso Chelseas Coach Antonio Conte ihn dem wuchtigen Michy Batshuayi vorzog, bleibt sein Geheimnis.

Nach einer Stunde wuchs der Druck auf Chelseas Defensive, immer wieder kombinierte sich Manchester bis an den Strafraum der Londoner auf. Aber nur bis dahin, dort standen die Türsteher des FC Chelsea. Und zwar so lange und so unnachgiebig, bis Kevin De Bruyne genug vom Kurzpassspiel hatte, losstürmte, einen Doppelpass mit Jesus spielte und aus 20 Metern punktgenau ins rechte Eck traf (67.). Die verdiente Führung für die spielerisch überlegenen Gäste. Und zugleich der Siegtreffer. Wer sich nun einen Reaktion der Gastgeber erhofft hatte, wurde enttäuscht. Vielmehr behielt Manchester City die Oberhand und unterband die Londoner Angriffe. Und so reichte es für Guardiola zu seinem ersten Sieg überhaupt beim Chelsea Football Club.

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