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Kreuzschifffahrt am Wendepunkt?

Es ist zumindest die Inszenierung einer Zeitenwende. Unter den Augen von tausenden Schaulustigen wird das Kreuzfahrtschiff MSC Grandiosa ganze vier Tage lang (6. bis 9. November 2019) an der Hamburger Elbpromenade getauft. Lichtkünstler Michael Batz wird, wie schon bei den Hamburg Cruise Days im September, mit seinen Lichtinstallationen die Hafencity in tiefes Blau tauchen. Die Farbe solle die Verbundenheit zur Natur und den Anspruch auf Umweltverträglichkeit des neuen Kreuzfahrtschiffs untermalen, betont die Reederei MSC. Denn: Ihr neues Schiff für 4888 Passagiere ist sauberer als der Rest der Flotte. Katalysatoren und verbesserte Abwassersysteme - der Umwelt zuliebe. Aber auch, weil ab 2020 für Schiffe strengere Grenzwerte beim Schadstoffausstoß von Schwefel gelten.

Einen Schritt weiter geht Hapag Lloyd. Die Reederei hat angekündigt, ab Juli 2020 komplett auf den giftigen Kraftstoff Schweröl verzichten zu wollen. Die gesamte Flotte von fünf Schiffen solle auf Marinediesel umgerüstet werden. Das bedeute 80 Prozent weniger Schwefel und 30 Prozent weniger Ruß und Feinstaub: "Seit jeher haben die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt bei uns einen sehr hohen Stellenwert, denn wir wollen schützen, was unsere Gäste und uns fasziniert", erklärt Hapag Lloyd Cruises gegenüber der DW schriftlich.


Weg vom "Dreckschleuder"-Image


Die Branche scheint im Umbruch, seit Marktführer AIDA im Dezember 2018 das erste vollständig mit Flüssiggas (LNG) betriebene Kreuzfahrtschiff AIDANova in Betrieb genommen hat. Seitdem überschlagen sich die Reedereien geradezu mit ihrem Engagement für Umweltschutz und nachhaltiges Reisen. Sie wollen das Image der "Dreckschleuder"-Industrie hinter sich lassen. Ihre Kunden sollen in Zukunft mit reinem Gewissen auf ihren Schiffen die Welt entdecken. Dafür investieren die Reedereien Millionenbeträge. Sie können es sich leisten: Der Markt boomt, die Gewinne sind enorm.


Von einem Wandel möchten Umweltschützer wie Daniel Rieger allerdings noch nicht sprechen. Der Leiter Verkehrspolitik des Naturschutzbund Deutschland (NABU) begrüßt zwar die "erste Neuausrichtung" der Branche. Der Großteil der weltweit rund 550 Kreuzfahrtschiffe werde jedoch auch zukünftig mit Schweröl fahren - dem giftigsten Kraftstoff überhaupt. Dass in den kommenden Jahren knapp 30 neue Kreuzfahrtschiffe mit dem verhältnismäßig sauberen Flüssiggas-LNG-Antrieb ausgestattet werden sollen, sei erfreulich, sagt Rieger im Gespräch mit der DW, betont aber gleichzeitig: "Die Branche versucht mittlerweile eine Antwort auf die Abgasbelastung zu finden. Eine Antwort auf die Klimabelastung hat sie allerdings nicht." Tatsächlich verringert Flüssiggas den Schadstoffausstoß der Schiffe deutlich. Die klimaschädlichen CO2-Emissionen senkt es jedoch nur minimal. Umweltschützer wie Daniel Rieger sehen in dem Flüssiggas-Antrieb deshalb nur eine Übergangslösung.


(Auszug)


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