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Wir entdecken mit Johan die Stadt, Teil I: Der Oeder Weg

Frankfurts neuer früher Vogel: Johan Kurzenberg ist seit August 2018 für "planet radio" in der Morningshow am Mikrofon. Davor hat er sechs Jahre in Berlin Radio gemacht. Wir nehmen ihn mit und zeigen ihm seine neue Heimat am Main.

VON FELIX HORMEL

Frankfurt. "Was ich nicht erlernt hab, das hab ich erwandert", lautet das famose Goethe-Bekenntnis, eine Selbsteinsicht mit der für den Dichterfürsten und ruhmreichsten Sohn der Stadt typischen, kaum erschöpfend auslotbaren Gedankentiefe.

Darin auch verbirgt: eine Geisteshaltung. Keiner kann alles "trocken" lernen. Nicht in der Stube am Schreibtisch, genauso wenig in der Bib. Man muss schon rausgehen, erleben, selbst sehen. Wer, der das "Vollständige Kompendium einer umfassenden Theorie der Liebe", kurz "Lieb-Reader", in der neusten Auflage gelesen hat, würde schon von sich behaupten, zu wissen, was die Liebe ist? Eben.

Und so, wir wollen zum Punkt kommen, verhält es sich auch mit der Liebe zu einer Stadt. Insbesondere dann, wenn man neu hier ist.

Ohnehin, das ist gesichert, ist es ja nur dem homo viator, dem wandernden Menschen überhaupt vergönnt, die für Zugezogene höchste Frankfurter Daseinsform des "Eingeplackt-Seins" zu erreichen. Ginge es nach uns, stünde die Vokabel "Frankfurt" in jedem Nachschlagewerk mit der Worterklärung "schöne Stadt" gepaart. Aber zum einen lobhudelt der Frankfurter nicht gern über die eigene Stadt. Zum anderen wäre damit nichts gewonnen. Man muss schon rausgehen, erleben, selbst sehen.

Gründe der Bequemlichkeit jedoch und überhaupt der ungewöhnlich warme Herbstbeginn fordern dieser Tage: Bummeln statt Wandern - als motorisches Äquivalent zum geistigen Sichtreibenlassen.

Auftritt: Johan K.

Johan arbeitet seit kurzem in Frankfurt. Er ist vom Neubrandenburger, da kommt er her, zum Neu-Offenbacher, da wohnt er jetzt, avanciert. Womit ja noch nichts verloren ist. Jede Woche ist er werktags zwischen sechs und zehn Uhr in der Früh im Radio zu hören - als neuer Moderator an der Seite von "Boomchica" Leni in der "planet radio"-Morningshow.

Wir treffen ihn am Metropolis. Früher mal trug der imposante Bau den sperrigen Titel "Volksbildungsheim". Hier, gegenüber des Turms, der das Logo der Henninger-Bräu ziert, kommt Johan so sportlich wie pünktlich um die Ecke. Wacher Blick, rote Wangen, dynamisch-verschmitzt. Er, der um 4:27 Uhr aufgestanden ist...

Keine hundert Meter legen wir auf dem Oeder Weg, das Kino im Rücken, zurück, da ruft der Frühaufsteher: "Das kenn' ich, da war ich neulich essen." Johan zeigt auf das Vipho. Kaum am Main, schon ein Kenner.

Johan (25) hat schon viel gesehen. Der Oeder Weg auch. Die Gegend um die Schlagader des Frankfurter Nordends erinnert den Moderator an die Kreuzberger Straßenzüge in Berlin - "bevor das Viertel hipp wurde." Und genau wie dem Oeder Weg steht Johan ein sympathischer Optimus ins Gesicht geschrieben. Johan weil er Bock hat: Bock auf ein neues Lebenskapitel, Bock auf den neuen Job, Bock auf Frankfurt. "Nach sechs Jahren Berlin war es Zeit für eine Veränderung", sagt Johan.

Und der Oeder Weg? Der hat sich in der jüngeren Vergangenheit in ein schönes innerstädtisches Biotop verwandelt. Er zeigt: Die Mischung macht's. Mehr als vielerorts widersetzen sich kleine inhabergeführte Geschäfte hier dem grassierenden Ladensterben. Gleichzeitig bietet er Platz für viele neue Konzepte und frische Ideen. Jung und alt funktionieren hier Tür an Tür, Nachbarschaft ist Trumpf.

Zum Beispiel: Liebesdienste, Conceptstore für den guten Geschmack. Ob Design- oder Gaumenfreuden bis hin zu Floristen-Träume - hier geht niemand leer aus. Ein Stück weiter nördlich knurrt der Magen. Das Fischhaus Ohrmann schafft Abhilfe, heute wie vor knapp 60 Jahren - zuverlässig und himmlisch lecker. Der neueste Schrei bei akutem Koffeinmangel? Kuku Vaia! Der Bohnen-Inspektor Nesto Domanis und sein Team bereichern das Nordend um südeuropäische Kaffeekultur. Kleine Leckereien gibt's außerdem, Drinks obendrein.

Zum Abschluss unserer Bummelei lädt Ho-Seong Kim uns bei seinen Gokio Bros. auf eine Limonade ein. Er passt auch hierher - ein nimmermüder Gastronom, der bereit und im Stande dazu ist, sich neu zu erfinden, wenn erforderlich. Ein Plausch offenbart unter anderem: Frankfurter U-Bahnen sind sauberer als jene in Berlin, aber nicht so sauber wie die in Seoul.

Was man alles lernt, wenn man rausgeht, erlebt und mal für sich selbst sieht.

Schon deshalb wird das nicht unser letzter gemeinsamer Streifzug gewesen sein. Ihr dürft Euch auf weitere Folgen von "Wir zeigen Johan unser Frankfurt" freuen!
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