Schroeder: Mich hat gewundert, dass der Schulzzug entgleist sein soll. Eigentlich kann nur ein Zug entgleisen, der schon mal gefahren ist. Es gab aber nur einen kurzen Versuch anzufahren, aber man ist ja nicht mal aus dem Bahnhof wirklich herausgekommen. Es gab nur diesen kurzen Hype. Da wird einer hochgejazzt und im nächsten Moment ist alles vergessen. Diese Extreme sind problematisch.
Schroeder: Komik ist Tragik in Spiegelschrift, sagt die Band Freundeskreis. Ich beobachte bei mir selbst und in der Unterhaltungsbranche allgemein, dass sich aufgrund der Weltlage Momente der Ernsthaftigkeit einstellen. Es wird mehr hinterfragt, weniger bloß „gemeint". Das ist mir deutlich lieber, als wenn wir uns über Merkels Gesichtszüge lustig machen.
Steinbrück: In unserem Programm machen wir keine Witze. Wir spiegeln Politik mit einer gewissen Ironie und auch mit einer Bereitschaft, etwas zu verfremden, um damit Politik klarer zu machen. Den Deutschen wird immer wieder vorgeworfen, sie seien ein humorloses Volk.
Würden Sie diese Einschätzung aus Ihrer Sicht als Politiker teilen?
Steinbrück: Es ist schwer, Kollektiven Adjektive zuzuordnen, aber ich bin nahe dran, das zu bestätigen. Ich weiß nicht, ob das mit der deutschen Romantik oder dem deutschen Idealismus zu tun hat, aber wir sind gelegentlich sehr ernst. Eine Mischung aus mediterraner Leichtfüßigkeit, britischer Ironie und skandinavischem Pragmatismus stünde uns gut.
Schroeder: Ich finde, der Humorstandort Deutschland hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Das Klischee vom humorlosen Deutschen stimmt nicht mehr. Unser Problem ist das Abgründige, der schwarze Humor. Da sind schon die Österreicher bedeutend weiter. In Sachen Ironie sind wir immer noch ein Entwicklungsland. Die Reaktion darauf ist eine Jugend, die sich fast nur noch ironisch ausdrückt.
Steinbrück: Das hat mich bei der Wahl zwei Prozent gekostet. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, der wünscht sich einen kantigen, manchmal provozierenden Politiker. Aber diese - vor allem jungen - Menschen waren 2013 in der Minderheit. Insofern war dieser Fingerzeig ein Fehler.
Schroeder: Es gibt keine objektiven Grenzen, nur subjektive. Meine sind Stiltabus, wie zum Beispiel Behindertenwitze um ihrer selbst willen, generell finde ich humoristisches Nach-unten-Treten immer schlecht. Da sollte man die Finger von lassen. Ansonsten ist die Toleranzgrenze aber sehr weit, selbst von Politikern hört man da wenig Widerspruch. Nur die AfD ist komplett humorbefreit.
Schroeder: Absolut, das ist Satire! Die „Nazischlampe" war eine Antwort von „Extra 3" auf den Satz von Frau Weidel, die politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte. Wer das sagt, muss damit rechnen, dass der Satiriker durch diese offene Tür geht und in bester abendländischer Konsequenzlogik zeigt, wie die Welt aussieht - ganz ohne politische Korrektheit.
Steinbrück: Ich kann diese Argumentation nachvollziehen, aber ich würde widersprechen. Es gibt Stilgrenzen. Die muss jeder für sich selbst entscheiden.
Steinbrück: Herr Schroeder hat mir schlicht und einfach einen Satz geklaut.
Schroeder: „Hätte, hätte, Fahrradkette." Er behauptet, den Satz erfunden zu haben. Der Satz war 2013 schon ausgelutscht.
Steinbrück: Unsinn! Ich habe diesen Satz bereits aufgegriffen, als Sie noch gar nicht auf der Welt waren - in den 50er Jahren. Dann war er lange eingeschlafen, ich habe ihn revitalisiert, Schroeder hat ihn mir geklaut und hat ihn zu einem Buchtitel gemacht. Darüber habe ich mich künstlich - Achtung! - empört und ihm einen Brief geschrieben.
Schroeder: Wir hatten ja schon einen gemeinsamen Auftritt im September in meiner radioeins-Satireshow ...
Steinbrück: Ich erinnere mich dunkel.
Schroeder: Und ich erinnere mich, dass wir den Zeitplan über Bord werfen mussten, um den Meister auf die Bühne zu bekommen. Es gab kein Vorgespräch, kein Dossier, nichts. Aber er kam auf die Bühne und es wurde eines der lustigsten Gespräche, das ich je geführt habe.
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