Die achtjährige Aaliya aus Hamburg wurde von der Mutter zum IS entführt – jetzt sitzt sie in Gefangenschaft. Ihr Vater Danisch Farooqi kämpft für ihre Heimkehr. Dahinter steht die große Frage: Wie umgehen mit dem Erbe der Terrormiliz?
Am 23. September 2010, kurz vor Mitternacht, stand Danisch Farooqi im Kreißsaal des Marienkrankenhauses in Hohenfelde und weinte. Er trug sein erstes Kind auf dem Arm, eine Tochter: Aaliya. Danisch Farooqi weinte vor Glück, aber auch, so erzählt er es, weil er dachte: »Irgendwann wird sie groß, irgendwann wird sie mich verlassen.«
Vier Jahre später, am 21. August 2014, um 23.05 Uhr, erhielt Danisch Farooqi mehrere WhatsAppNachrichten. Er war schon seit drei Jahren von Aaliyas Mutter geschieden, er hatte sie gefragt, wo seine Tochter sei. »Falls es dir entgangen ist wurde vor kurzem das khilafa ausgerufen und somit ist es pflicht fuer jeden muslim dort hinzugehen«, schrieb sie. »Khilafah« bedeutet auf Arabisch »Kalifat«. Dann schrieb sie: »Ich halte sie nicht fern von dir kannst gerne her kommen und sie sehen.«
Fünf weitere Jahre später, im Mai 2019, sitzt Danisch Farooqi in seinem Billstedter Wohnzimmer und
erzählt, wie er für die Rückkehr seiner Tochter kämpft. Dass sie inzwischen mit ihrer Mutter in einem
kurdischen Lager in Gewahrsam ist. Und dass er immer nur die gleiche Phrase vom Auswärtigen Amt
höre: Die Bundesregierung prüfe Optionen, um eine Rückkehr zu ermöglichen. Die achtjährige Aaliya
Farooqi ist Deutsche wie ihre Eltern, aber Deutschland, so wirkt es für ihren Vater, will mit ihr nichts zu
tun haben.
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erschienen in: DIE ZEIT 23/2019
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