Fanni Tihanyi

Freelance journalist, Berlin

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Warum Frauen endlich aufhören sollten, sich ständig zu entschuldigen

Bild: Matheus Ferrero/Unsplash

Frauen entschuldigen sich zu oft. Für alles und auch dann noch, wenn sie überhaupt keinen Grund dazu haben. "Es tut mir leid" und "Entschuldigung" sind im beiläufigen Wortaustausch so gebräuchlich wie "Hallo" oder "Wie geht es dir?".

Kolleginnen, die sich dafür entschuldigen, das Meeting zu stören, obwohl sie als geladene Teilnehmerinnen den Raum betreten, Freundinnen, die sich dafür entschuldigen, weil sie aufgeregt von ihrem letzten Date erzählen oder komplett fremde Frauen im Supermarkt, die ihren Einkauf mit Kleingeld bezahlen möchten, und denen es leid tut, dass es so lange dauert.

(Bild: Giphy)

Es gibt Untersuchungen, die das belegen. Frauen bitten wesentlich häufiger um Verzeihung als Männer. Etwa 75 Prozent aller Entschuldigungen stammen von Frauen.

Warum ist das so?

Eine Analyse der kanadischen Waterloo-Universität von 2011 liefert Hinweise darauf: Frauen sehen die Notwendigkeit schneller und entschuldigen sich daher öfter. Männer entschuldigen sich aber erst, wenn sie den Eindruck haben, dass ihnen tatsächlich ein Fehler unterlaufen ist. (Studie: When and Why Women Apologize More than Men)

Meine These: Es sind Automatismen, für viele Frauen ist es normal, sich zu entschuldigen.

Dabei fängt das Problem bei dem Begriff 'normal' an, denn damit ist etwas Selbstverständliches gemeint, das nicht weiter hinterfragt wird. Was gefährlich ist, weil man dann weder dem Grund für das viele Entschuldigen auf die Spur kommt, noch gegensteuern kann.

Was könnte also der Grund sein?

Mein Eindruck: Viele Frauen zweifeln an ihren Leistungen, haben Angst vor Konfrontationen, und nehmen deshalb lieber eine zurückgezogene Position ein.

Was mich daran am meisten aufregt: Im Alltag gibt es unzählige Situationen, in denen sich Frauen in Sekundenschnelle kleinmachen, als würden sie nur auf das entsprechende Signal warten, um ihre Sätze erneut mit "Es tut mir sehr leid" beginnen zu können.

Etwa so:

Es tut mir leid, dass ich zu viel gesprochen habe. Es tut mir leid, dass ich meine Meinung gesagt habe. Es tut mir leid, dass ich überhaupt eine Meinung habe.

(Bild: Dmitry Ratushny/Unsplash)

Frauen entschuldigen sich oft für Dinge, für die sie nichts können und auf welche sie keinen Einfluss haben. Zum Beispiel dafür, dass sie in die Pillenpause gehen und deswegen keinen Sex ohne Kondom haben können. Sie entschuldigen sich dafür, dass sie ihre Tage kriegen. Ähnlich ist es mit dem Entschuldigen für nicht rasierte Beine.

Bei unvorhersehbaren Ereignissen übernehmen Frauen auch gerne die Verantwortung, wie etwa bei Verspätungen auf dem Weg zur Arbeit oder bei der Verzögerung einer Lieferung.

Mea culpa.

Sie bitten auch oft um Verzeihung, wenn sie Sachen ansprechen, die sie stören oder ärgern. Oder wenn sie beim Chef nach mehr Geld fragen. Ein weiterer Klassiker: "Stehe ich im Weg?", ohne die Antwort abzuwarten folgt schon: "Sorry."

Es ist fast eine Rechtfertigung der Existenz. Oder zumindest eine Rechtfertigung dafür, dass man einem bestimmten Rollenbild nicht entspricht: der demütigen, ruhigen, kompromissbereiten Frau.

Das passiert auch Frauen, die sonst schlagfertig und selbstbewusst sind. Das Sorry rutscht einfach so raus. Bloß keine Umstände bereiten, keine Ansprüche stellen, am besten unauffällig bleiben, niemandem Unrecht tun, niemanden aufhalten und nichts übertreiben.

Was mich daran stört: Vom gesunden Selbstwertgefühl ist das alles weit entfernt. Das ständige Entschuldigen ist bei vielen Frauen mit einem konstanten Gefühl des Versagens verbunden: Angst davor, zu haben nicht gut genug zu sein, die Harmonie nicht bewahren zu können, und dadurch Konflikte zu verursachen.

Auch das wurde bereits untersucht: Die Universität von Queensland fand heraus, dass häufiges Entschuldigen sich negativ auf das Selbstbewusstsein auswirkt. Und: Wenn man sich entschuldige, fühle man sich zwar besser. Aber wenn man sich nicht entschuldige, fühle man sich noch besser - und selbstbewusster, wie die Forscher erklärten. ( NPR) Man habe so ein größeres Gefühl der Macht und automatisch auch ein größeres Selbstwertgefühl.

(Bild: Ezra Jeffrey/Unsplash)

Das Bittere daran ist, dass unsere Gesellschaft bereits an dieses Verhalten von Frauen gewöhnt ist, und oft sogar erwartet. Es existiert eine Erwartungshaltung, die unsere patriarchalischen Machtstrukturen maßgeblich prägt, die Frauen die Dominanz abspricht und ihnen gleichzeitig eine ungewollte Kompromissbereitschaft aufdrängt.

Wie kommen Frauen da raus? Was kann man tun, damit man sich in Zukunft weniger entschuldigt?

Ein Bewusstsein entwickeln. Wofür habe ich mich gerade entschuldigt? Diese Frage sollte man sich immer stellen und überprüfen: War das jetzt notwendig? Musste ich mich dafür wirklich entschuldigen? Es ist auch hilfreich, sich selbst bei kritischen Wörtern zu erwischen. Auf den Index gehören: "Entschuldigen Sie, dass ich das jetzt so sage...". Und auch Formulierungen, wie "Könnte ich vielleicht", "Dürfte ich anmerken" oder "Wäre es möglich" - die ganzen Konjunktive. Alltagstipp für die E-Mail-Korrespondenz: Hier kann ich das Gmail-Plug-in Just Not Sorry empfehlen, da wird einem farbig markiert vor Augen geführt, wo man es mit der Demut übertreibt. Umdenken! Versuch mal, die Perspektive zu wechseln. Würde die Person, bei der du dich gerade entschuldigen willst, sich andersrum für dieselbe Sache bei dir entschuldigen? Minderwertigkeitskomplexe überwinden. Leichter gesagt als getan, aber trotzdem: Du bist nicht weniger wert, als alle anderen um dich herum. Du kannst so viel reden, wie du magst und so laut sprechen, wie du willst. Du kannst kompliziert und widersprüchlich und unbequem sein.

(Bild: Giphy)

Ein niedrigschwelliger Start: Komplimente einfach mal annehmen. Schönes Kleid? Ja, danke! Tolle Idee? Danke, da hatte ich wirklich einen guten Gedanken.

Das alles hat im Übrigen nichts mit Höflichkeit zu tun.

Natürlich kann und sollte man sich entschuldigen, wenn man Menschen verletzt hat. Oder wenn man in der U-Bahn jemanden anrempelt. Aber du solltest keine Angst davor haben, zu dem zu stehen, was du denkst und machst.

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