Laurel Halo - "Dust" (Hyperdub., seit 16. Juni)
Klingeltöne in Songs zu verarbeiten ist eines der sadistischsten Dinge, die ein Musiker seinen Hörern antun kann. Laurel Halo treibt das Spiel mit dem pawlowschen Zusammenzucken noch weiter, indem sie einem ihrer neuen Tracks das enttäuschende Fiepen der "Kein Anschluss unter dieser Nummer"-Ansage beimengt. Auch zur Musik der aus Michigan stammenden Wahlberlinerin findet man im ersten Anlauf schwerlich Anschluss. Ihr Debüt "Quarantine" wurde 2012 vor allem ob seiner Fremdartigkeit gefeiert, ein nostalgiefreies, geisterhaftes Amalgam aus Synth-Pop und experimentellem Ambient.
Dreieinhalb Jahre nach dem eher technoiden Nachfolger "Chance Of Rain" will die studierte Pianistin mit "Dust" nun ihr sonnigstes Album aufgenommen haben, wobei man "sonnig" wohl eher im Sinne von Lichtwellen verstehen muss, die sich in den Tiefen des Alls mit verirrten Radiofrequenzen kreuzen.
Denn die aus Effekten, verstolperten Beats und kleinteiligen Geräuschen collagierten Pop-Abstraktionen klingen noch immer, als kämen sie direkt aus einem Paralleluniversum herübergeweht. Wo Halos Debüt aber vor allem um Isolation und Entfremdung kreiste, erlaubt sich die Produzentin auf "Dust" erstmals eine kleine Dosis menschlicher Wärme. Zum einen in Form humorvoller Twists, etwa indem sie süße Dance-Pop-Melodien aus dem Soundnebel leiert - zum anderen, indem sie zahlreiche Gäste hinzuzieht. Den Percussionisten Eli Keszler zum Beispiel, der die Tracks mit Rasseln, Gluckern und Klackern unterfüttert, oder Designer Michael Salu, der zu Freejazz-Klängen Sätze murmelt wie: "What's the phone number? What's the password? Who won?" Gut möglich, dass hier gerade die Popmusik der Zukunft Gestalt annimmt. Gut möglich, dass sich das Ganze aber auch in seiner surrealen Traumlogik absichtslos versendet. (6.7) Fabian Peltsch