Ein Superheld, der auf Knopfdruck im Nebel verschwindet. Da rotieren die Nebelmaschinen, und man fühlt sich auch ohne Joint bekifft.
Spätestens seit Cypress Hill Anfang der 90er-Jahre auf ihren Alben "Mary Jane" und die "Hits From The Bong" abfeierten, ist Marihuana-Genuss als Lebensinhalt ein tragender Topos im HipHop. Der deutsche Erfolgsrapper Marteria spinnt mit seinem Nebenprojekt den Faden weiter: Seine Figur Marsimoto ist ein Kiffer, der sich zum Superhelden hochfantasiert hat, grün wie Hulk, aber eher ein Hänfling und so stoned, dass ihm sein Superheldenanzug aus knittriger Folie nicht einmal lächerlich vorkommt.
Was ihn aber mit wirklichen Superhelden eint, ist die Fähigkeit, auf Knopfdruck im Nebel zu verschwinden. Beim letzten Auftritt seiner aktuellen "Green"-Tour in der ausverkauften Berliner Columbiahalle laufen die Nebelmaschinen von Anfang an so verschwenderisch auf Hochtouren, dass man stellenweise die Bühne nicht mehr sieht, selbst wenn man nur wenige Meter von ihr entfernt steht.
Angemessen psychedelischer DriftAuch aus den Reihen des dicht gedrängten Publikums quillt der Rauch, hier jedoch eher ausgelöst von zahllos glimmenden Tüten. Die ausgeklügelte Lightshow tut ein Übriges, in dem sie für den angemessen psychedelischen Drift sorgt. Auch ohne Joint im Mund fühlte man sich schon während des Auftritts von Supportact Kid Simius einigermaßen bekifft.
Nach einer endlosen Umbaupause und dem relaxten Intro von "La Saga" springt der maskierte grüne Rapper mit einem Satz aus dem Dunst auf ein kleines, grün ausgeleuchtetes Podest in der Bühnenmitte wo er mit elektronisch hochgepitchter Heliumstimme, seinem Markenzeichen, skandiert: "Das UFO ist gelandet! Und zwar zu Hause!"
"Marsi" ist in TopformDer Auftritt des Wahl-Berliners ist von Anfang an ein Heimspiel. Zig Fans tragen das grüne Merchandise ihres geliebten Antihelden, auf seiner Webseite und in der Vorhalle gibt es Shirts, Schals, Baseball-Kappen, Handtücher und sogar Badeschlappen mit dem Logo von Marsimoto zu kaufen. "Marsi", wie ihn seine Verehrer nennen, ist in Topform.
Begleitet von echtem Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboard und einem Theremin klingen seine Songs wie "Illegalize It" oder "Indianer" noch druckvoller als auf Platte. Schon nach nur einer halben Stunde haben die Bässe die aufgeheizte Masse zu einem dampfenden, pulsierenden Teig zurechtgeknetet, der bis in die letzten Reihen und auf den Rängen in den folgenden anderthalb Stunden immer mehr in Wonne aufzugehen scheint.
Spiel mit dem FeuerzeugEs ist erstaunlich: Wenn Marsimoto in seinem schimmernden Anzug wie eine Eidechse am Bühnenrand entlangkraucht oder zu schweren Gitarrenriffs und Dubstep-Donner "Anarchie" ausruft, wirkt er fast schon bedrohlich. Grünes Zwielicht statt "Lila Wolken": Man mag kaum glauben, dass sich hinter der Maske der eigentlich so nette, gutaussehende Schwiegersohn Marten Laciny alias Marteria verbirgt.
Beim eher getragenen Stück "Für Uwe" setzt sich der 33-Jährige auf den Bühnenboden und fordert die Menge auf, die Feuerzeuge herauszuholen. Und fügt noch hinzu: "Aber nicht eure bescheuerten Telefone. Marsimoto-Fans haben doch immer Feuer dabei".
"Green Berlin, meine große Liebe!"Weil der Funke da schon längst übergesprungen ist, gibt es noch einige Zugaben, darunter mehrere Stücke vom Debüt-Album "Halloziehnation" aus dem Jahr 2006, das demnächst 10-jähriges Jubiläum feiert.
"Green Berlin, meine große Liebe! Dies ist mehr als nur ein Konzert!" ruft der Musiker, der mittlerweile in einen mit Hanfblättern bedruckten Jumpsuit gekleidet ist, und es klingt trotz verfremdeter Stimme irgendwie gerührt. Beim letzten Stück, dem Titelsong seines aktuellen Albums "Der Ring der Nebelungen" wird der Saal dann noch einmal kräftig eingenebelt. Obwohl der Track eine enorme Schlagseite hat, gehen alle Arme steil nach oben. Hier müssen definitiv Superkräfte am Werk sein.