Fabian Kühne

Moderator & Journalist, Berlin

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Bundesliga-Check - SV Werder Bremen: Mit dem Werder-Weg zurück zu altem Glanz?

Alles neu macht der Mai - das galt nach der vergangenen Spielzeit vor allem für Werder Bremen. Manager Thomas Eichin musste gehen, Ex-Werder-Kapitän Frank Baumann übernahm und Trainer Viktor Skripnik durfte bleiben. Auf den Umbruch in der Geschäftsführung folgte der für den SVW fast schon obligatorische sportliche Neu-Anfang. Stammspieler wie Vestergaard wurden verkauft, neue Kräfte kamen - doch wie gut gerüstet ist Werder Bremen für die neue Saison?

Victory Skripnik - diesen Sptiznamen verdiente sich der Trainer der Werderaner dank seiner spektakulären Aufholjagd in der Saison 2014/15, welche die Bremer vom letzten Tabellenplatz beinahe noch nach Europa geführt hätte. Nach Ende der abgelaufenen Spielzeit war von dieser Aufbruchsstimmung allerdings nichts mehr übrig. Bei vielen Fans und auch bei Manager Thomas Eichin hatte das Trainerteam um den Ur-Werderaner Viktor Skripnik seinen Kredit verspielt. Der Rauswurf galt als sicher.

Es kam anders: Statt Skripnik musste sein größter Kritiker Thomas Eichin Mitte Mai seinen Hut nehmen und den Verein verlassen - so wollte es der Aufsichtsrat. Der unbequeme Manager ohne Bremer Vergangenheit viel dem viel beschworenen Werder-Weg zum Opfer.

Sein Nachfolger ist ein alter Bekannter an der Weser: Frank Baumann! In schwierigen Zeiten und kritisch beäugt geht der langjährige Werder-Kapitän nun in seine erste Transferperiode als Manager. Beim Trainerteam setzte Baumann dabei auf gewohnte Bremer Konstanz: Skripnik und sein Trainerteam durften trotz 16 Niederlagen in der vergangenen Saison sowie heftiger externer Kritik bleiben und verlängerten den Vertrag vorzeitig.

Für die neue Saison möchte der Ukrainer seine Mannschaft vor allem defensiv stabilisieren und gibt die entsprechende taktische Marschroute aus: „Ich will nicht mehr lesen, dass wir jedes Jahr 65 Tore kassieren. Deswegen haben wir etwas geändert, wir wollen anders stehen."

Doch vor allem in der Abwehr stand nach den Abgängen der beiden Stamm-Innenverteidiger Jannik Vestergaard (für 12,5 Millionen Euro zu Borussia Mönchengladbach) und Papy Djilobodji (nach Ausleihe zurück zum FC Chelsea, mittlerweile zu AFC Sunderland gewechselt) sowie dem Abschied der aussortierten Oliver Hüsing (Ferencváros Budapest) und Alejandro Galvéz (SD Eibar) ein kompletter Neustart an. Gestopft wurde diese Baustelle von Frank Baumann in erster Linie mit sehr erfahrenen und vergleichsweise günstigen Spielern. Für Baumann selbst ist dies aus seiner Profi-Erfahrung der richtige Weg: „Wir müssen an Stabilität gewinnen - das geht mit Erfahrung."

So kamen mit Niklas Moisander (Sampdoria Genua; 1,8 Millionen Euro Ablöse), Fallou Diagne (Stade Rennes; 1,5 Millionen Euro Ablöse), Luca Caldirola (Darmstadt; zurück nach Ausleihe) und zuletzt Lamine Sané (Girondins Bordeaux; ablösefrei) vier Innenverteidiger, die zwischen 25 und 30 Jahre alt sind und auf etwa gleichem Niveau den Kampf um die Stammplätze aufnehmen werden.

Bewegung gab es bei Werder aber auch in der Offensive. Nach dem Abgang von Anthony Ujah (Liaoning FC) sorgte Frank Baumann vor zwei Wochen für eine der Transfer-Überraschungen dieses Sommers: Nationalspieler Max Kruse wechselte für 7,5 Millionen Euro nach Bremen! Nach einem mehr als durchwachsenen Jahr und zahlreichen negativen Schlagzeilen in Wolfsburg kehrt der Ex-Gladbacher damit zurück zu seinen Wurzeln (bereits von 2006 bis 2009 bei Werder).

Überraschend ist der Transfer vor allem, weil ein Spieler dieser Kategorie für die Fast-Absteiger der letzten Saison derzeit mehr als eine Nummer zu groß schien. Nun aber erhofft man sich vom Duo Kruse/Pizarro die dringend benötige Kreativität und Torgefahr in der Offensive. Werder-Legende Claudio Pizarro ist jedenfalls voll des Lobes über seinem neuen Sturmpartner: „Ich kenne Max schon lange, er ist ein lockerer Typ, der viel spricht. Er hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt und wird uns ohne Frage verstärken."

12. Juli: VSG Altglienicke 2:1

16. Juli: Neuruppin-Stadtauswahl 8:0

16. Juli: VfB Lübeck 1:1

23. Juli: TSV 1860 München 1:2

26. Juli: Huddersfield Town 0:0

29. Juli: Real Betis Sevilla 0:1

30. Juli: Dynamo Dresden 5:4

07. August: Chelsea FC 2:4

10. August: SV Meppen 2:0

Die Ergebnisse lassen in den bisherigen neun Testspielen des SV Werder noch deutlich zu wünschen übrig. Mit lediglich vier Siegen, davon alle gegen unterklassige Gegner, und Niederlagen in den Härtetests gegen den FC Chelsea und Betis Sevilla ist für die Mannschaft von Viktor Skripnik noch viel Luft nach oben. Auffällig ist, dass das Bremer Trainerteam sich bisher vor allem darauf konzentriert, die Defensive einzuspielen, wodurch die offensive Durchschlagskraft leidet.

Taktisch hat Skripnik die berühmte Werder-Raute mittlerweile aussortiert, er setzte in den Testspielen auf ein 4-1-4-1, bei dem Claudio Pizarro als einzige Spitze oft kaum zu Torchancen kam. Durch die Verpflichtung von Max Kruse soll nun aber auch das System geändert werden: Ein 4-2-3-1 mit Kruse im zentralen offensiven Mittelfeld wurde sowohl in den Trainingseinheiten als auch bei den letzten Tests gegen Chelsea und in Meppen einstudiert und soll die in der Vorbereitung verlorengegangene Offensivkraft wiederbeleben.

Die hinzugewonnene Erfahrung in der Defensive kann sich, wie von Frank Baumann prognostiziert, als echte Stärke im harten Liga-Alltag erweisen, sofern die neu zusammengestellte Innenverteidigung harmoniert. Mit der Verpflichtung von Lamine Sané scheint zumindest der Abwehrchef endgültig gefunden.

Auch die Verpflichtung von Max Kruse beinhaltet die Hoffnung auf eine echte Qualitätssteigerung - die wird der 28-Jährige allerdings nur werden können, sofern Eskapaden außerhalb des Platzes, wie zuletzt in Wolfsburg, ausbleiben. Seine technischen Anlagen und seine Vielseitigkeit geben Werder in jedem Fall bisher nicht vorhandene Möglichkeiten in der Offensive.

Als Schwäche könnte sich der Trainer herausstellen. Viktor Skripnik muss beweisen, dass er die Kompetenz besitzt, um ein Erstliga-Team weiterzuentwickeln und im Gleichgewicht zu halten. Sofern dies nicht vom Saison-Start an gelingt, wird die Trainer-Diskussion in Bremen nicht lange auf sich warten lassen.

Gelingt der Start in die neue Saison, besitzt der SV Werder durchaus Potenzial sich in der ersten Tabellenhälfte zu etablieren und die Euphorie, die die Fans bereits im Abstiegskampf auf beeindruckende Art zeigten, erneut zu entfachen.

Mit geringen Möglichkeiten viel erreichen - das hat der SVW in der Vergangenheit oft beherrscht. Frank Baumann möchte diesen Werder-Weg nun wieder beschreiten - greifen seine Transfers und Skripniks Taktik, könnte Bremen das schaffen. Tabellenplatz: 8 -12

Zum Original