Um die Bedeutung des Leipziger Siegs zum Auftakt der Rückrunde zu begreifen, reichte ein Blick auf Ralph Hasenhüttl. Mit geballten Fäusten jubelte der RB-Trainer über den Bruma-Treffer zum 3:1-Endstand gegen Schalke 04 und hüpfte dabei quer durch seine Coachingzone. Erlösung, Befreiung, pure Emotionen - das alles lag in der Geste des Österreichers.
"Vielleicht lag es an der Tatsache, dass wir lange nichts mehr zu bejubeln hatte", sagte der 50-Jährige nach der Partie. Fünf Spiele hatten die erfolgsverwöhnten Leipziger zuvor am Stück nicht mehr gewonnen. In der Winterpause kamen zudem ebenso deutliche wie kritische Worte von RB-Sportdirektor Ralf Rangnick, der mit den Leistungen zum Ende der Hinrunde überhaupt nicht einverstanden war.
Nun also wieder ein Sieg, zu dem Hasenhüttl zudem so einiges selbst beitrug. Erstmals spielten die Leipziger in dieser Saison mit einer 4-3-3-Formation, die das Team in der zweiwöchigen Vorbereitung einstudiert hatte. Zudem attackierte Leipzig die Gäste erst viel tiefer im Mittelfeld, als das für einen Heimauftritt der RB-Elf üblich ist. Dazu spielte Konrad Laimer überraschend als Rechtsverteidiger - eine Premiere für den Österreicher. Alle drei Maßnahmen wirkten.
Im zweiten Durchgang zeigte die Mannschaft dazu eine gute Moral. "Auch nach dem 1:1 hat keiner den Kopf hängen lassen, sondern wir haben weitergespielt", sagte Mittelfeld-Abräumer Diego Demme. Im Vergleich zur 2:3-Pleite gegen Hertha BSC vor Weihnachten waren Körpersprache und Mentalität wie ausgewechselt. Naby Keita (31. Minute), Timo Werner (69.) und eben Bruma (71.) trafen für die Hausherren, Naldo (55.) hatte nach einem Freistoß den zwischenzeitlichen Ausgleich geköpft.
Gegentor wieder nach einer Standardsituation
Der Treffer Naldos offenbarte wieder mal eines der großen Leipziger Probleme: Gegentore nach Standardsituationen. Dabei hatte RB auch daran in der Winterpause gezielt gearbeitet. Mit gutem Grund: Fünf Gegentreffer nach ruhendem Ball hatte Leipzig allein in der Champions League kassiert, was entscheidend zum frühen Aus beitrug.
Zu einem Sieg reichte es gegen Schalke nun trotzdem. Und das gegen ein Team, das seit elf Bundesligaspielen nicht verloren und dadurch Platz zwei erobert hatte - einen Rang, den Leipzig durchaus gern erreichen würde und durch den Erfolg nun vorerst auch belegt: "Wichtig, dass wir gegen einen direkten Konkurrenten drei Punkte geholt haben", sagte Torwart Peter Gulasci. Die Zulassung zur Champions League bleibt der Anspruch des Klubs.
Und im Kampf um die erneute Teilnahme an der Königsklasse haben die Leipziger für sich mit Blick auf die Rückrunde ein großes Plus ausgemacht: Mit Bayern, Dortmund, Leverkusen und Hoffenheim müssen noch vier weitere Vereine mit Champions-League-Ambitionen ins ehemalige Zentralstadion. Dass es gegen Schalke gleich ein Heimsieg wurde, bestätigt die Sichtweise der RB-Verantwortlichen.
Keitas Gratwanderung - auf und neben dem Platz
Ein Fragezeichen aber bleibt: Denn großen Anteil am Sieg hatte auch Naby Keita und zuletzt sorgten Gerüchte um den 22-Jährigen für einigen Wirbel in Leipzig. Die Verhandlungen über einen Wechsel Keitas im Sommer zu Liverpool sind zwar längst abgeschlossen, in den vergangenen Tagen stand aber auch ein vorgezogener Transfer bereits im Winter im Raum. Lustlos war Keita am Donnerstag auf den Trainingsplatz geschlurft. Es schien, als wolle er die schlechte Sitte der erstreikten Wechsel fortsetzten.
Gegen Schalke zeigte der Mittelfeldspieler dann aber, warum der FC Liverpool nach verschiedenen Medienberichten bereit sein soll, 20 Millionen Euro extra für einen um ein halbes Jahr vorgezogenen Wechsel zu zahlen. In England gilt er als Ersatz für Philippe Coutinho, der kürzlich für geschätzte 160 Millionen Euro zum FC Barcelona gegangen ist. Auch deshalb ist Leipzig nach dem Ende des Negativlaufs gewissermaßen erst noch auf Bewährung. Die Ergebnisse der nächsten Wochen und eine Entscheidung im Fall Keita könnten zeigen, ob sich RB wieder in den obersten Spitzenplätzen festsetzen wird.
Gegen Schalke unterband Keita mehrere Konter, war in der Offensive zudem der Mann mit den kreativen Ideen. Gleichzeitig wirkte er aber auch erneut in einigen Zweikämpfen übermotiviert und bewegte sich an der Grenze zu Gelb-Rot. Genau diese Gratwanderung kennen die Leipziger aus der Hinrunde gut. Einmal Gelb-Rot und einmal glatt Rot standen vor der Winterpause sieben Torbeteiligungen gegenüber - was nicht dem Niveau seiner ersten Bundesligasaison entsprach.
"Solange er seine Leistung bringt, ist alles in Ordnung", sagte Mitspieler Demme. "Was er am besten macht, ist Fußball spielen", sagte Gulasci: "Wie er heute gespielt hat, ist die beste Antwort auf alle Fragen." Am kommenden Wochenende beim SC Freiburg wird Keita definitiv fehlen: Er ist gelbgesperrt.
Alle weiteren Fragen werden bleiben, solange das Transferfenster offen ist. "Es liegt für keinen unserer Spieler von irgendeinem Verein ein Angebot vor", hatte Rangnick bei Sky trotzig betont. "Wir haben immer gesagt, dass es keinen Grund gibt, Naby Keita abzugeben. Dabei bleibt es", hatte Hasenhüttl bereits am Donnerstag gesagt. Fraglich ist allerdings, wie viel dieser Aussagen auch als Pokern um die Ablöse verstanden werden darf. Mit seinem Treffer gegen Schalke hat Keita seinen Marktwert jedenfalls weiter gesteigert.