"Schön, dass es dieses Derby gibt und hoffentlich noch lange geben wird", sagt Helge Leonhardt und lacht auf seine ureigene Art. Der Präsident des FC Erzgebirge Aue freut sich auf das ewige Duell mit Dynamo Dresden am Sonntag (13:30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: Sky). Landeshauptstadt gegen Provinz. Groß gegen klein. Das hat was.
Helge und Uwe Leonhardt - diese beiden Namen sind untrennbar mit dem FC Erzgebirge Aue verbunden. Die beiden Zwillingsbrüder haben den Verein großgemacht, indem sie ihn klein gehalten haben. Aue, der Außenseiter, der erste Dorfverein. Dabei ecken die Leonhardts regelmäßig an, wirken mit ihrer Art manchmal ein wenig aus der Zeit gefallen und sind wohl auch deshalb so erfolgreich.
"Zielstrebigkeit, Disziplin, Ehrgeiz" - diese drei Eigenschaften hat sich Helge Leonhardt von seinem Vater abgeschaut. Der hat bei der Wismut gearbeitet, die Uran für die Sowjets aus dem Erzgebirge schlug. Der Bergbau prägt die Region noch immer. "Hallo" heißt hier "Glück auf". Die BSG Wismut Aue war der ganze Stolz der Arbeiter. Unter diesem Namen feierte der Verein seine größten Erfolge, spielte sogar im Europapokal der Landesmeister (Fünfzigerjahre) und dem UEFA-Pokal (Achtzigerjahre).
Als dem Verein zur Wende finanziell das Aus drohte, begann die Ära Leonhardt. Erst war Uwe 17 Jahre Präsident, seit vier Jahren ist es nun Helge. Bevor "Ausgründungen" der "Spielbetriebs GmbH" modern wurden, führten die beiden den Verein schon wie ein Unternehmen. Straff organisiert, klare Zielvorgaben und eine Vision vor Augen.
Schuldenfrei - im Gegensatz zu vielen anderen Ostklubs
"Ohne die Leonhardts wäre das Erzgebirge ein ganzes Stück ärmer", sagt Manfred Jahn. Seit 25 Jahren unterstützt auch er den Verein, hat den Förderkreis mit rund 300 Kleinsponsoren mitgegründet. Sie sind das wirtschaftliche Rückgrat.
Eine der ersten Amtshandlungen von Uwe war es damals den Verein umzubenennen, in den FC Erzgebirge Aue. Das hat rechtliche Gründe, aber war auch der Idee geschuldet, die ganze Region mit ins Boot zu holen. Die Fans haben sich noch immer nicht daran gewöhnt, singen von "unserer BSG" und "Wismut Aue".
Die Leonhardts selbst sehen sich als Autoritätspersonen. "Mein Auftrag ist zu führen", sagt Helge. Das Budget liegt im unteren Mittelfeld, aber im Gegensatz zu vielen anderen Ost-Clubs ist Aue schuldenfrei.
Der Führungsstil schafft Handlungsfähigkeit, wirkt aber auch patriarchisch und kommt bei den Fans nicht immer gut an. "Wir haben nicht mehr 1995, sondern 2017", sagt Förderkreischef Jahn. Was er sich wünscht: Eine Vertretung von Fans und Sponsoren im Aufsichtsrat.
Rückhaltlos geliebt werden die Leonhardts von den rund 90 heterogenen Fangruppen nicht. An einem Spieltag wird schon mal gleichzeitig ein "Vorstand raus" und ein "Danke Vorstand"-Banner ausgerollt. Doch eine gewisse Bewunderung schwingt in allen Gesprächen über die beiden immer mit. "Wenn du in der zweiten Liga spielst, hast du mehr richtig, als falsch gemacht", findet Jahn.
Steht es sportlich mal wieder schlecht, wird die Kritik lauter. Läuft es sportlich rund, sind alle wieder Kumpel im Verein. 19 Punkte nach 15 Spielen, das ist für die Lila-Weißen gut. Vor allem vor dem Hintergrund des Saisonstars.
Die Fans nannten ihn "Führer"
Die Leonhardts sind entscheidungsfreudige Menschen. Als Aue in der vergangenen Saison schon fast abgestiegen war, wurde der damals völlig unbekannte Domenico Tedesco Trainer und rettete die "Veilchen". Im Sommer wechselte der Trainer vom Schalke des Osten zum Schalke des Westens. Als Nachfolger scheiterte Thomas Letsch. Und wieder blieb Helge Leonhardt konsequent: Nach nur drei Spielen musste Letsch gehen.
Manchmal klingt Helge Leonhardt dabei wie ein General. "Wir sind nicht von der Kommandobrücke gegangen. Wir haben uns der Verantwortung gestellt", sagt er mit Blick auf den Abstieg vor zweieinhalb Jahren. Bei seinem Bruder Uwe war diese Wesenszug noch deutlich stärker ausgeprägt. Am Ende nannten ihn die Fans "Führer".
Mit ihrer Art, die oft Reibung im Verein erzeugt hat, haben sie auch immer viel Druck von der Mannschaft genommen. All die Wut und der Hass projizierten sich auf die Brüder. Und die saßen es aus. Auch als es persönlich wurde. Dass die beiden Töchter von Helge mit dem Linksverteidiger und dem Co-Trainer zusammen sind, wurde als Vetternwirtschaft gedeutet. Dagegen haben die Leonhardts nach eigenen Angaben eine siebenstellige Summe in den Verein gesteckt.
"Die Menschen wollen Brot und Spiele. Und am Ende musst du als Sieger dastehen", sagt Helge Leonhardt. Und für den Erfolg wird er auch weiter den Kopf hinhalten. Der FC Erzgebirge braucht die Leonhardts, aber die Leonhardts brauchen auch den FC Erzgebirge.