Feuerwerk erleuchtete das Laugardalsvöllur, das kleine Stadion in Reykjavík. Hinter dem Tor hat es keine Tribünen, es passen nicht einmal 10.000 Zuschauer rein. Doch hier wurde am Montagabend Geschichte geschrieben. Mit dem 2:0 gegen den Kosovo qualifizierte sich Island erstmals für eine Fußball-WM. Die Insel ist mit seinen knapp 335.000 Einwohnern das mit Abstand kleinste Land, dass sich jemals für eine WM qualifiziert hat. Und das sogar als Gruppenerster.
"Das ist alles ganz schön seltsam. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich meine ... Pelé, Maradona, Aron Einar Gunnarsson", sagte der Nationaltrainer Heimir Hallgrímsson. Gunnarsson, in den sozialen Netzwerken wegen seiner langen Einwürfe auch Einwurfson genannt, ist der Kapitän. Und ganz entscheidend: Er gibt den Takt beim Jubeln vor. Das inzwischen weltbekannte und oft kopierte "Huh!" wird die Welt auch 2018 zu sehen bekommen.
Wie lange die Party auf der Laugavegur, der einzigen Kneipenstraße Islands, noch andauerte, ist nicht überliefert. Doch der historische Triumph wurde ganz sicher mit vielen teuren, heimischen Bieren begossen. Bereits bei der vergangenen EM kamen die Isländer mit dem Feiern kaum hinterher, als sie erst die Vorrunde überstanden und dann England aus dem Turnier warfen. Bis ins Viertelfinale schafften sie es. Und Fußballeuropa war ein wenig verliebt in die selbsternannten Wikinger.
Rudis WeißglutDie Geschichte der isländischen Fußballer ist eine klassische Underdog-Story. Aber kein One-Hit-Wonder. Denn sie haben es jetzt schon wieder getan. Was also macht das Land besser als die Türkei, Österreich oder Kroatien? Ist es vielleicht mehr als ein großes Fußballwunder?
Bis vor einigen Jahren war die vielleicht größte fußballerische Errungenschaft der Insel, Rudi Völler einmal zur Weißglut gebracht zu haben. Die Großen ärgern, mehr war nicht drin. Doch dann wurden während des Booms der Finanzindustrie in den Nullerjahren überall im kalten, winterlichen Land große Fußballhallen gebaut, sodass das ganze Jahr über ordentlich Fußball gespielt werden konnte. Die Finanzblase platzte, die Hallen blieben.
Zudem braucht jeder Nachwuchscoach, und wenn es nur der Vater des Torwarts ist, eine Lizenz. Und er bekommt vom Verein oder dem Verband eine ordentliche Aufwandsentschädigung. So wird der isländische Nachwuchs von Beginn an exzellent ausgebildet. Viele Trainer bilden sich auch international weiter und erwerben Uefa-Lizenzen. "Wir haben die höchste Pro-Kopf-Dichte an Uefa-lizenzierten Fußballtrainern". Diesen Punkt betont der Nationaltrainer Heimir Hallgrímsson immer und immer wieder. Er soll unterstreichen: Was auf Island passiert ist eben kein Wunder.
Es gibt nur etwa 50 isländische ProfifußballerDer entscheidende Wendepunkt im isländischen Fußball aber kam 2011, als Lars Lagerbäck zusammen mit Heimir - Isländer werden grundsätzlich nur beim Vornamen angesprochen - Trainer wurde. Lagerbäck gab der talentierten Generation an Kickern ein starres 4-4-2-System an die Hand und ließ es über Jahre einspielen. Während anderswo Trainer und Spieler ausgetauscht wurden, kennen isländische Nationalspieler ihre Trainer und Kollegen fast besser als sich selbst.
Ein Großteil der Mannschaft spielt seit vielen Jahr in den Juniorenauswahlen zusammen. Sie ist die erste Generation, die von den Fußballhallen und den gut ausgebildeten Trainern profitierte. Es gibt nur etwa 50 isländische Profifußballer. Entsprechend ist die Mannschaft fast die gleiche wie bei der Europameisterschaft. Der ehemalige Hoffenheimer Gylfi Sigurðsson ist der einzige echte Star in der Mannschaft. Die meisten Isländer kicken in der zweiten englischen Liga oder kleineren Ligen im Ausland.