Zehn Fragen an Gudrun Bayer, Betreuerin der Volontärs-Ausbildung bei den Nürnberger Nachrichten.
Liebe Frau Bayer, erst einmal vorab: Wie viele VolontärInnen stellen Sie jährlich ein?
Gudrun Bayer: Der Verlag Nürnberger Presse stellt zurzeit im Schnitt vier Volontäre im Jahr ein, immer im November. Die Volontäre werden bei uns von Chefredaktion, Verlagsleitung und mir im Team ausgesucht. Wir bilden nach Bedarf aus und rechnen diesen aktuell für den Herbst 2017 noch aus. Bis vor etwa zwei Jahren bekamen wir immer rund 150 Bewerbungen für die Volontariate. 2016 ging diese Zahl deutlich zurück. In diesem Jahr erreichten uns nur noch etwa 60 Bewerbungen, obwohl wir das Volontariat in diesem Jahr erstmals online beworben haben. Mit in unseren Volontariatskursen sitzen auch die Volontäre der Nürnberger Zeitung, von nordbayern.de und der Stadt Nürnberg, die werden aber nicht über uns eingestellt. Da wir nur nach Bedarf ausbilden, sind die Übernahmechancen sehr hoch. Die Volontäre, die im November 2015 begannen und eigentlich bis Oktober 2017 einen Volontariatsvertrag hatten, wurden alle schon zum 1. April 2017 als Redakteure übernommen.
Wie sollten Anschreiben und Lebenslauf aussehen?
Gudrun Bayer: In diesem Jahr gab es bei uns erstmals die Möglichkeit, sich online zu bewerben. Niemand hat sich mehr anders beworben, obwohl das noch möglich gewesen wäre. Die Umstellung war also überfällig. Wir achten dadurch jetzt mehr auf Gestaltung als früher. Wichtigstes Kriterium ist aber nach wie vor die Übersichtlichkeit. Arbeitsproben - zum Beispiel auch Videos - können jetzt als Links geschickt werden. Ich kann noch nicht sagen, welche Anforderungen wir nächstes Jahr an die Bewerber haben. Vor drei Jahren hätte ich noch eine Aussage für die letzten 20 Jahre machen können. Diese Zeiten sind aber vorbei. Jetzt ändert sich alles rasend schnell. Vielleicht fordern wir nächstes Jahr auch noch Bewerbungsvideos. Wer weiß.
Brauchen BewerberInnen eine eigene Domain?
Gudrun Bayer: Eine eigene E-Mail-Domain und Website brauchen Bewerber nicht. Mir ist ganz egal, von welchem Anbieter die E-Mail-Adresse ist. Der E-Mail-Name kann auch etwas Lustiges sein. Das stört mich gar nicht.
Welche Rolle spielen Bewerbungsfoto und Aussagen zum Familienstand?
Gudrun Bayer: Das Foto und auch den Familienstand schaue ich mir immer an. Ob das noch zeitgemäß ist, kann ich nicht beurteilen. Aber auch der Familienstand sagt etwas aus über den Menschen. Journalismus braucht einfach eine Mischung verschiedener Charaktere, Leute mit Ecken und Kanten. In der Bewerbung suche ich überall Aussagen über die Menschen, werte aber nicht.
Welche Zeugnisse sind nötig?
Gudrun Bayer: Das Abizeugnis ist für mich wichtiger als Praktikumszeugnisse, die ich aber auch sehen will. Ich schaue beim Abizeugnis besonders auf die Noten in den Naturwissenschaften und in Mathe, weniger auf die Deutschnote. Ich sehe ja, wie einer schreibt. Aber ich will wissen, ob jemand auch strukturiert denken und sich strukturiert mit Themen auseinandersetzen kann. Das Abizeugnis möchte ich deshalb auch dann sehen, wenn es auch ein Studienzeugnis gibt.
Welche Bewerbungen werden gleich aussortiert?
Gudrun Bayer: Ich will jede Bewerbung lesen, finde jede einzelne Bewerbung interessant. Es ist lehrreich und spannend zu sehen, wer gerne Journalist bei der Tageszeitung werden möchte. Jeder Bewerber hat auch das Recht, dass man sich mit der Bewerbung befasst, finde ich. Negative Schlüsselmomente sind allerdings Rechtschreibfehler. Ein Tippfehler passiert mir in einem Chat auch schon mal, aber bei so etwas Wichtigem wie einer Bewerbung geht das nicht. Schwierig ist auch, wenn jemand die Zeitung falsch adressiert, also Nürnberger Zeitung statt Nürnberger Nachrichten schreibt, oder gar Süddeutsche Zeitung. Persönlich mag ich es auch nicht besonders, wenn Zitate am Anfang stehen. Das ist allerdings eine Geschmacksfrage. Ich will aber nicht wissen, was Goethe gesagt hat, sondern was der Bewerber zu sagen hat. Wichtig ist mir auch, dass die Ausschreibung genau gelesen wird, bevor die Bewerber darauf antworten. Wenn Angaben zum Führerschein gefordert sind, sollten diese auch im Schreiben enthalten sein. Ich verstehe nicht, warum einige dies nicht tun. Ich muss das wissen, wenn jemand zum Beispiel in der Fränkischen Schweiz eingesetzt werden soll. Auch wenn jemand keinen Führerschein hat, können wir eine Lösung finden. Aber es muss da stehen.
Sehen Sie sich die Social Media Profile der BewerberInnen an?
Gudrun Bayer: Ich will eigentlich nur wissen, ob jemand Social Media professionell nutzt. Wer professionelle Social-Media-Erfahrung hat und das angibt, dessen professionellen Auftritt sehe ich mir an, wenn er in die engere Wahl kommt. Private Facebookprofile sehe ich mir nicht an. Ich mag diese Big Brother Mentalität nicht besonders. Partybilder wären für mich ohnehin kein Problem. Wenn uns allerdings auffiele, dass ein Bewerber sich so äußern würde wie jüngst Eishockey-Torwart Thomas Greiss, der Hilary Clinton mit Hitler verglich, würde das natürlich schon negativ ins Gewicht fallen. Wichtig ist mir aber vor allem, wie sich ein Bewerber in seinen Artikeln darstellt.
Sollte man Referenzen angeben?
Gudrun Bayer: Empfehlungsschreiben sind gelegentlich dabei. Sie spielen bei uns zwar eine untergeordnete Rolle, aber ich finde sie gut. Manchmal kontaktiere ich jemanden, der angegeben wurde, wenn ich in einer bestimmten Situation schwanke. Da frage ich dann aber nicht: „Waren Sie zufrieden oder nicht?" sondern ich frage, wenn jemand zum Beispiel in die Sportredaktion soll, ob er als sportaffin eingeschätzt wird.
Was ist beim Bewerbungsgespräch wichtig?
Gudrun Bayer: Wichtig ist schon bei der Bewerbung und auch im Bewerbungsgespräch, dass sich der Bewerber mit der Firma auseinandergesetzt hat. Das fehlt mir ab und zu. Wer sich bei uns bewirbt, der sollte die Unterschiede zwischen Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Zeitung und Nordbayern.de kennen. Und wer im Bewerbungsgespräch zum Beispiel sagt, dass er auf unsere Kommentare steht, dann aber unseren Kommentar vom Tag des Bewerbungsgesprächs und vom Vortag nicht kennt, der irritiert mich. Generell ist wichtig, dass der Bewerber authentisch ist und dass er sich genau überlegt, was er sagt. Nicht gut kommt es an, wenn der Bewerber zu spät kommt. Das passierte schon. Ein verspäteter Bewerber bat einmal die Chefredaktion, für ihn bei der Verlagsleitung, wo er hinsollte, auszurichten, dass er später kommt. Das geht natürlich nicht.
Welche Rolle spielt die Kleidung?
Gudrun Bayer: Die Klamottenwahl spielt keine so große Rolle. Komisch ist nur, wenn man merkt, dass jemand etwas anhat, was er sonst nie anhat. Aber Ausschlusskriterium war so etwas bis jetzt noch nie. Ich bin auch relativ tolerant. Wir wollen ja Typen in den Redaktionen. Ich freue mich über Buntes und Vielfalt und Piercings. Es ist aber natürlich auch nicht so, dass man ohne Piercing nicht hip genug für uns wäre.
Das Interview führte Eva Werner.