Eva Riedmann

Freie Journalistin, München

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Die WM im Land des Fußballs: Tops und Flops

Chaos, Proteste und miese Stimmung hatte man vor Anpfiff der Weltmeisterschaft in Brasilien erwartet. Doch längst haben sich viele dieser Befürchtungen in Luft aufgelöst. Seit Wochen feiert Brasilien eine Party. Drei Tops und drei Flops - eine Bilanz kurz vor dem Endspiel.

TOP: Gastfreundlichkeit

Die Brasilianer sind ein herzliches Volk und begeisterten damit WM-Touristen aus aller Welt. Man begrüßt sich hier nicht etwa mit kühlem Handschlag - es wird geküsst und umarmt.

Ihre gute Laune verlieren die Brasilianer nur selten. Selbst nach dem 7:1-Debakel im Halbfinale gegen Deutschland blieben die Gastgeber trotz des Schocks weitgehend gelassen und gratulierten den Deutschlandfans zum Sieg.

Ihren internationalen Gästen hatten die Brasilianer auch einiges zu bieten. Auf einer fast 140 Quadratmeter großen Leinwand konnten Fußballfans die WM-Spiele an der Copacabana in Rio de Janeiro verfolgen - Public Viewing unter Palmen.

TOP: Kein Chaos

Von stundenlangen Verspätungen und Flugausfällen war vor der WM die Rede. Davon, dass Fußballfans den Anpfiff der Spiele verpassen könnten. Bis kurz vor WM-Start wurde am Flughafen in São Paulo noch am neuen Terminal gewerkelt. Doch vom befürchteten Flughafen-Chaos ist nichts zu spüren.

TOP: Lateinamerikanische Brüderschaft

Die Gewinner dieser Weltmeisterschaft: die Lateinamerikaner. Außenseiter Costa Rica und Kolumbien schafften es bis in Viertelfinale, sieben lateinamerikanische Teams haben das Achtelfinale erreicht. Ein Grund für den Erfolg: die Fanmassen, die aus den Nachbarländern nach Brasilien gepilgert sind, um ihre Teams zu unterstützen.

In Rio de Janeiro campten Hunderte Latinos, die mit ihren Wohnmobilen und Kleinbussen mehrere Tausend Kilometer zurückgelegt hatten, auf einem Parkplatz im Stadtzentrum. Sie feierten zusammen und demonstrierten: Wir Hermanos halten zusammen.


FLOP: Nachhaltigkeit

Mehr als acht Milliarden Euro kostete die WM in Brasilien. Damit ist sie die teuerste WM aller Zeiten und dreimal so teuer wie die in Deutschland. Hauptgrund für die Kostenexplosion: die Stadien. 2,6 Milliarden wurden für den Neu- oder Umbau der Fußballtempel ausgeben - viermal so viel wie ursprünglich erwartet. Insgesamt sechs der zwölf WM-Stadien werden in Zukunft keinen Erstligisten beheimaten. Die Arenen in Manaus, Cuiaba und der Hauptstadt Brasilia noch nicht einmal einen Zweitliga-Klub. Doch nicht nur die Stadien sind Sorgenkind in Sachen Nachhaltigkeit: 70 Prozent der für die WM geplanten Infrastrukturprojekte sind immer noch nicht fertig gestellt.

FLOP: Öffentlicher Nahverkehr

Als WM-Tourist in Brasilien bewegt man sich am besten zu Fuß fort. Überfüllte Straßen, kilometerlange Staus. Und auch in Sachen öffentlicher Nahverkehr haben die WM-Gastgeber Nachhilfebedarf. Kaum ein Taxifahrer spricht Englisch, die vor der WM versprochenen Englischkurse wurden nie angeboten. An den Bushaltestellen fehlen Schilder mit Fahrtrouten der Busse. Wo genau der Bus hält und ob er am Ende nicht doch einfach vorbei fährt, wissen nicht einmal die Einheimischen.

FLOP: Polizeigewalt

Mit Gummigeschossen, Tränengas und Blendgranaten ging die Polizei schon beim Eröffnungsspiel der WM gegen Demonstranten in São Paulo vor. Über 30 Demonstranten und mehrere Journalisten wurden dabei verletzt. Das unerwartet brutale Vorgehen der Polizei wiederholte sich während des Turniers auf mehreren Protesten im ganzen Land. Im Partyviertel von São Paulo setzte die Polizei Blendgranaten sogar gegen eine Horde fußballschauender Argentinier ein - die Anwohner hatten sich über die grölenden Fußballfans beschwert.

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