Der Anpfiff der WM in Brasilien steht kurz bevor und noch immer wird gestreikt und protestiert im Land des Fußballs. In Sao Paulo liegt gerade das U-Bahnnetz lahm und auch in Rio de Janeiro werden während der WM wieder Menschen auf die Straße gehen. Einer, der auf jeden Fall dabei sein wird: der Batman der Proteste.
"Die Weltmeisterschaft ist total beschissen. An ihr klebt das Blut von Arbeitern!" brüllen rund 300 Demonstranten auf dem Platz vor dem prachtvollen "Teatro Municipal", dem Nationaltheater im Zentrum von Rio de Janeiro. Die Demonstranten halten Plakate hoch, auf denen steht "es wird keine Weltmeisterschaft geben". Und: Alle schauen hinauf zu Batman. Er schwingt sich auf eine Statue, die in der Mitte des Platzes steht. Über Batman kreist ein Polizei-Hubschrauber.
Der Mann im Batman-Kostüm skandiert:
"Wir wollen Gesundheit und Bildung. Ob Brasilien den Pokal gewinnt, ist uns scheiß egal."
Seine geballte Faust reißt er im Takt des Schlachtrufs in die Luft. Der Batman aus Rio fühlt sich von der brasilianischen Regierung betrogen:
"Es ist völlig absurd, dass die Regierung eine Weltmeisterschaft veranstaltet, während das Bildungs- und Gesundheitssystem zugrunde gehen. Während tausende Familien auf der Straße leben, obwohl sie arbeiten. Sie verdienen nicht genug Geld, um sich eine Wohnung zu kaufen oder zu mieten."
Drei Stunden vor der Demo, in einer kleinen Wohnung, rund 25 Kilometer vom Nationaltheater entfernt in einem Vorort von Rio de Janeiro. Eron Moraes de Melo steht vor einem großen Spiegel. Ein großer Mann mit breiten Schultern und kurz rasierten, dunklen Haaren. Mit schwarzer Schminke malt er sich eine Maske aufs Gesicht, schlüpft in sein hautenges Kostüm und hängt sich den bodenlangen Mantel um.
Eigentlich stellt der 33-Jährige Zahnprothesen her. Er arbeitet von zu Hause aus, hier, in seinem kleinen Arbeitszimmer, stehen Superheldenfiguren neben künstlichen Gebissen. Hier verwandelt sich der Zahntechniker in Batman. Zum ersten Mal im Juni 2013, als hunderttausende Brasilianer während des Confederations Cup auf die Straße gingen. Damals beschloss er, sich der Protestbewegung anzuschließen. Er wollte vor allem eines: auffallen. Auf Facebook hatte er Bilder gesehen, auf denen Bürgermeister Eduardo Paes als Joker abgebildet war, mit weiß geschminktem Gesicht und rotem Lippenstift.
"Der Bürgermeister ist Joker, also bin ich Batman und kämpfe gegen Korruption und alle anderen Frechheiten. Das versteht jeder: Batmanist auf der ganzen Welt bekannt. Außerdem ist Gotham City genau wieRio de Janeiro: eine korrupte und gewalttätige Stadt."
De Melo will als Batman gegen den korrupten Bürgermeister kämpfen. Das hat am Anfang kaum jemand ernst genommen. Eigentlich war er immer ein ruhiger Typ, keiner, der sich politisch engagiert oder auf Demonstrationen geht. Seiner Frau und seinen Eltern hat er erstmal nichts von der Idee erzählt. Seine Protest-Plakate hat er heimlich geschrieben und meist nachts an seinem Kostüm gebastelt, das noch vom Karneval im Schrank war. Am Ende hat seine Familie dann doch von seinem Vorhaben erfahren - und war wenig begeistert:
"Meine Mutter hat gesagt, ich soll das nicht machen. Mein Vater meinte, ich sei total durchgeknallt. Aber mit der Zeit haben sie gemerkt, dass hinter dem schönen Kostüm, das ich trage, eine Botschaft steckt, ein Ideal, ein Kampf. Dann hat es nicht nur meine Familie akzeptiert, sondern auch die Gesellschaft."
Er kämpft für Gerechtigkeit in Rio: Eron Moraes de Melo, der Mann im Batman-Kostüm.
Heute ist der Batman ein Symbol des Protests in Rio de Janeiro. Sein Foto war in der Zeitung, einmal wurde er sogar von der Polizei festgenommen - er hatte sich geweigert seine Maske abzunehmen. Obwohl die WM in Brasilien inzwischen nicht mehr aufzuhalten ist und nur noch einige hundert Aktivisten auf die Straße gehen - aufgeben will Batman nicht. Er will Gerechtigkeit und wird weiter kämpfen für eine Stadt ohne Korruption und Gewalt, sagt er - und klingt dabei genauso, wie man sich einen Superhelden vorstellt.