Eva Casper

Freie Journalistin, Kyoto

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Heiligabend mit Kentucky Fried Chicken: So feiert Japan (in diesem Jahr) Weihnachten

Der Weihnachtsmann kommt dieses Jahr nicht nach Japan. Zurzeit gäbe es leider keine Möglichkeit, ihn einzufliegen, erklärte die finnische Fluggesellschaft Finnair auf ihrer Webseite. In den vergangenen 30 Jahren schickte die Santa Claus Foundation im Dezember regelmäßig einen Weihnachtsmann von Finnland nach Japan, um Kinder zu besuchen und Geschenke zu verteilen.


Ausgehen mit Freunden oder romantisches Date


Das Ganze ist natürlich nur eine PR-Aktion, doch es zeigt, dass auch in Japan dieses Weihnachten alles anders wird als sonst. Zwar sind die Corona-Fälle in Japan (mehr als 200.000, Stand: 22.12.2020) weit niedriger als in Deutschland, doch in den vergangenen Wochen hat sich das Virus wieder ausgebreitet. Die Hauptstadt Tokio hat ihre Einwohner bereits dazu angehalten, nicht zu verreisen, Restaurants und Bars sollen früher schließen als sonst. Die Maßnahmen dürften einen großen Effekt auf die Japaner haben, denn an Weihnachten ist es eher üblich, auszugehen, anstatt zu Hause mit der Familie zu feiern. Freunde gehen gemeinsam essen, Paare verabreden sich zu einem romantischen Date und verbringen die Nacht in einem schicken Hotel unter Weihnachtsdeko.


Schlange stehen am KFC


Auch das für Japan typische Weihnachtsessen dürfte für viele Ausländer gewöhnungsbedürftig sein. Zu Heiligabend gibt es nicht Gans oder Ente, sondern frittiertes Hähnchen - vorzugsweise von Kentucky Fried Chicken (KFC). Die US-amerikanische Fast Food-Kette eröffnete in den 1970er-Jahren ihre erste Filiale in Japan und startete bald darauf zu Weihnachten eine große Werbekampagne. Woher die Idee dafür kam, dazu kursieren inzwischen zahlreiche Versionen. Die gängigste lautet, dass der spätere Vorstand von KFC Japan, Takeshi Okawara, einst als Weihnachtsmann verkleidet auf eine Party ging und durch die Begeisterung der Kinder auf die Idee kam, Weihnachten und KFC zu verbinden.

Tatsache ist jedoch, dass Weihnachten in Japan kein religiöses Fest ist. Der Anteil der Christen im Land beträgt nur etwa ein Prozent. Historischen Quellen zufolge habe sich die Idee, Weihnachten zu feiern, erst Anfang des 20. Jahrhunderts langsam in Japan ausgebreitet. Dabei ging es vor allem darum, dass Geschäfte spezielle Angebote oder Gerichte verkauften, Dekoration aufstellten oder jemanden als Weihnachtsmann verkleidet Geschenke verteilen ließen. Dass die Japaner lange keine eigenen Weihnachtstraditionen hatten, dürfte es KFC daher leichter gemacht haben, in den Markt einzudringen. Der Dezember ist inzwischen die Hauptverkaufszeit von KFC, die Umsätze sind nach Angaben des Unternehmens dann etwa doppelt so hoch wie in den anderen Monaten. Viele geben ihre Essensbestellungen für Heiligabend schon Wochen vorher auf, vor den Filialen bilden sich am 24. Dezember lange Schlangen.


Reisetipp für Weihnachtsmuffel


Noch verbreiterter als KFC ist aber die Weihnachtstorte. Klassisch besteht sie aus mehreren Lagen Schlagsahne, Tortenboden und Erdbeeren, gerne dekoriert mit Schneemännern, Weihnachtbäumen, Weihnachtsmännern oder Ähnlichem. Die japanische Firma Fujiya gilt als die erste, die 1910 erstmals Weihnachtstorten verkaufte. Anfangs waren die noch für Ausländer gedacht, wurden dann aber auch bei den Japanern so beliebt, dass sie inzwischen schon fast als obligatorisch gelten.

Trotz allem hat Weihnachten in Japan bei weitem nicht den gleichen Stellenwert wie in christlich geprägten Ländern. Das englische Reiseportal Skyscanner ließ sich sogar vor einigen Jahren dazu hinreißen, Japan zum besten Reiseland zu erklären für Leute, die keine Lust auf Weihnachten haben. Man sehe zwar ab und zu einen Weihnachtsmann, aber Weihnachten sei kein Feiertag und die Leute gehen am 25. Dezember normal arbeiten, begründete das Portal seine Wahl.


2020 feiert auch Japan zu Hause


Tatsächlich sind die Geschäfte auch an den Weihnachtstagen durchgehend geöffnet. Die Ruhe, die sich über eine Stadt legt, wenn die Menschen daheim den Heiligabend feiern, die gibt es in Japan eher nicht. Wegen Corona dürften in diesem Jahr jedoch auch viele Japaner Weihnachten zu Hause verbringen. Zahlreiche Geschäfte bieten Essenslieferungen an, Konditoreien backen Mini-Torten für eine Person und der finnische Weihnachtsmann will für die Kinder in Japan nun online auftreten. Vielleicht wird der 24. Dezember dieses Jahr tatsächlich eine stille Nacht.

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