Kurt Sartorius, Elektrotechnik-Lehrer aus Bönnigheim, gräbt in seiner Freizeit alte Keller aus. Dabei stößt er auf einen unbekannten Brauch und lernt ein erstaunliches Organ kennen: die Nachgeburt. Heute tabuisiert, wurde die Plazenta in früheren Jahren verehrt. Dafür gibt es einen Grund.
Bönnigheim - Man kann es nicht gerade aufs Ortsschild schreiben, so wie Mannheim mit den Quadraten. „Bönnigheim - Stadt der Nachgeburten" oder „Nachgeburtsstadt Bönnigheim", das klingt ja etwas eigenartig. Doch was man so vorfindet, kann man sich eben nicht aussuchen.
Kurt Sartorius geht stolz durch seine Sonderausstellung „Geburtsrituale“ in einem der ältesten Gebäude von Bönnigheim. In einer Vitrine stehen sandfarbene Tontöpfe. Der kleine 73 Jahre alte Mann mit weißem Bart und eckiger Brille hat die Ausstellung im oberen Stock des örtlichen Schnapsmuseums eingerichtet. In Bönnigheim ist man thematisch breit aufgestellt.
Angefangen hat es in den 80ern. In seiner Freizeit buddelt Kurt Sartorius in baufälligen Häusern, immer auf der Suche nach historischen Funden. Er liest volkskundliche und archäologische Bücher. „Mir gefällt, wenn sich alles fügt, wenn das Kleine was über das Große aussagt“, sagt er. Im Jahr 1984 gelingt ihm sein spektakulärster Fund. Im Ortskern werden damals alte Häuser abgerissen. Sartorius untersucht ein Gebäude in der Michaelsstraße, es ist einsturzgefährdet. Im Lehm unter dem Kellerboden stolpert er über zwei Tontöpfe. Sie sind mit einem Deckel verschlossen und verkehrt herum eingegraben. Seltsam, denkt er, das kann doch keine Vorratshaltung sein. Und da fällt ihm etwas ein, wovon er in einem Aufsatz über Volksbräuche bei der Geburt gelesen hatte. Sartorius hat eine Theorie: Statt sauren Gürkchen haben die Bönnigheimer der früheren Jahrhunderte in diesem Keller die Nachgeburten ihrer neu geborenen Kinder vergraben.
Ist das denkbar? Ist er hier auf einer ganz heißen Spur?
[...]
(Vollständiger Text nur für Abonnenten)
Zum Original