BILD hat bei Beziehungscoach und Autor Eric Hegmann nachgefragt. Eric Hegmann erklärt, woran die Fähigkeit zur Bindung leidet, was die Anzeichen für Beziehungsunfähigkeit sind und wie man sie überwinden kann.
Sind die heutigen 30- und 40-Jährigen unfähig, eine Beziehung zu führen?
„Ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigt: die meisten Deutschen heiraten heute mit Mitte Dreißig. Vor zwei Jahrzehnten lag das Alter eher Ende 20, Anfang 30. Tatsächlich dauert die Phase der Selbstfindung, des Ausprobierens von Beziehungsmodellen und damit auch der Partnersuche für eine verbindliche Beziehung heute länger“, sagt Eric Hegmann. „Ich möchte daraus aber nicht schließen, dass alle 30- bis 40-Jährigen nicht in der Lage wären, eine Beziehung aufzubauen. Viele warten nur sehr lange – beispielsweise bis sie im Beruf eine Position erreicht haben, die eine Familie ernähren kann – und dann stehen die Chancen bei der Partnerwahl nicht mehr so günstig wie Mitte 20, wo sie zwar viel Gelegenheit hatten, aber eben andere Prioritäten.“
Wovon hängt es im Wesentlichen ab, ob ein Mensch beziehungsfähig ist?
Eric Hegmann: „Die Bindungsstile werden in früher Kindheit geprägt. In der Psychologie wird nach unterschiedlichen Bindungsstilen kategorisiert: sicheres Bindungsverhalten, klammerndes, ängstlich-vermeidendes und gleichgültig-vermeidendes Bindungsverhalten.
Aus den Bezeichnungen bereits lassen sich die Merkmale ablesen. Doch nicht immer ist uns selbst der eigene Bindungsstil klar. Ich erlebe häufig in der Paarberatung eine unbewusste Bindungsangst.“ Der Paarexperte: „Oft scheitern Menschen an ihren falschen Vorstellungen“
Die Gründe hierfür seien sehr individuell, so der Experte. „Das können als schlechte empfundene Rollenvorbilder aus der Familie sein. Wer liebende und fürsorgliche Beziehungen als Kind erfahren hat, wird eher einen sicheren Bindungsstil haben.
Doch nur den Eltern die Schuld geben, kann es nicht sein. Oft scheitern Menschen immer wieder an ihren falschen Vorstellungen einer Beziehungsrealität mangels eigener Erfahrung und wegen Projektionen aus den Medien. Viele denken: Alle anderen sind glücklicher als ich und ich habe das Beste verdient. Beide Aussagen verhindern echtes Liebesglück“, warnt Eric Hegmann.
Was sind typische Anzeichen für Beziehungsunfähigkeit?
Eric Hegmann: „Das ist sehr verschieden, denn gerade unbewusste Beziehungsverweigerer sind oft besonders charmant und fürsorglich – bis zu dem Punkt, an dem sie sich eine Beziehung tatsächlich vorstellen könnten. Da genügt vielleicht schon der Hinweis auf gemeinsame Urlaubspläne, um Beziehungsangst zu erzeugen, die sich in phobischen Symptomen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Erstickungsgefühlen ausdrückt.
Unverbindlichkeit, Unvermögen Zukunftspläne nicht nur zu besprechen, sondern sie auch praktisch in die Wege zu leiten, große Intoleranz gegen kleine Schwächen und auch Schwankungen zwischen sexueller Verheißung und Ablehnung sind typische Zeichen.“
Hilfreich sei ein Blick auf die Beziehungsvergangenheit: Wenn sich dort ein Muster von Bindungsangst erkennen lässt, hat man es mit einem (zumindest therapeutisch unbehandelt und in dieser Lebenssituation) bindungsunfähigen Menschen zu tun, so der Beziehungsexperte.
Männer oder Frauen – wer sind die größten Beziehungsverweigerer?
„Das Klischee sagt, dass Männer häufiger aktive Beziehungsverweigerer und Frauen passive – also unbewusste – Beziehungsverweigerer sind. Das erlebe ich in der Beratung auch genauso. Doch das ist natürlich nicht repräsentativ“, antwortet Buchautor Hegmann.
Beziehungsunfähigkeit und Bindungsunfähigkeit
„Fakt ist: Wir können heute zwischen verschiedenen Beziehungsmodellen wählen. So viel Verbindlichkeit wie nötig und so viel Freiraum wie möglich – so lautet die Devise. Die Beziehungsform der Mingles, die eine Art Halbbeziehung führen, zeigt das deutlich. Am Ende kommt aber nach meiner Erfahrung dasselbe raus: Einer will mehr, der andere auch, aber mit einer Person, die er noch nicht gefunden hat“, sagt Eric Hegmann.
Gibt es die „Generation Beziehungsunfähig“?
Eric Hegmann: „Der Autor schreibt hier aus seiner Wahrnehmung heraus und die ist sicher richtig für ihn. Ich stimme ihm auch zu, dass es Perfektion nicht geben kann. Niemand ist perfekt. Und es gibt sicher viele Singles, die dennoch eine unrealistische Perfektion im Partner und in einer Beziehung suchen, die sich nicht erreichen lässt.
Das frustriert, macht unsicher und ängstigt. Ich erlebe diese Haltung auch – allerdings eher in einer kleinen Gruppe von Menschen, die tatsächlich häufig vorkommt bei Akademikern in den 30ern und 40ern, die sehr viel Energie in Selbstverwirklichung stecken.
Aber: Es gibt neben einer Minderheit glücklicher Singles vor allem eine große Mehrheit von Singles in Deutschland, die sich nach nach einer Beziehung sehnt und bereit ist, für diese Kompromisse einzugehen. Die suchen keine Perfektion sondern Ergänzung.
Am Ende ist der Erfolg der Partnersuche häufig eine Frage von Lebenserfahrung und Reife: die Fähigkeit, Wunsch von Wirklichkeit zu unterscheiden. Die Partnersuche für eine lebenslange Beziehung ist sicher eine, wenn nicht die größte Herausforderung im Leben. Nur im Film gelingt das (und die Beziehung danach) scheinbar mühelos.“