Eric Hegmann

Chefredakteur, Paarberater, Hamburg

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Deshalb geraten Sie immer an den Falschen

Wenn die Angst vor Nähe einsam macht

Dahinter steckt mehr als nur Pech. Vielleicht verhindern Sie unbewusst eine Partnerschaft? Sechs Warnzeichen für Angst vor Nähe und Beziehung

"Beziehungsangst? Ich doch nicht. Ich will nichts sehnlicher als einen Partner. Nur gerate ich immer an die Falschen." Kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? Oder erleben Sie immer wieder nach etwa sechs Wochen, dass sie sich zwar in seine sympathischen Seiten verlieben konnten, doch mit seinen unsympathischen nicht leben möchten?

Es geht nicht um eine Schuldfrage, sondern um Muster, die aufzeigen, dass Sie sich vielleicht selbst im Weg stehen. Unbewusst, weil Sie Nähe sowohl toll, aber gleichzeitig auch bedrohlich empfinden. In der Beratung erlebe ich oft Singles, die sich so sehr nach Liebe sehnen, dass sie zunächst nicht glauben mögen, dass Beziehungsangst Grund für ihr Alleinsein sein könnte. Die folgenden Warnsignale verraten Ihnen, ob Sie darüber nachdenken sollten.

Die Scheisskerle: Sie geraten immer an die „Falschen"

Ihre Partner sind unverbindlich, beziehungsunfähig, stur, egoistisch, untreu oder wollen Sie in eine Abhängigkeitsbeziehung drängen. Ihre Beziehungshistorie ist ein Kaleidoskop von wenig fürsorglichen Typen, die Ihnen eigentlich nicht gut tun. Dennoch investieren Sie alles in die Beziehung, in der Hoffnung, dass es diesmal klappen könnte. Er wird sich schon ändern, wenn er sieht, welch liebenswürdiger Mensch Sie sind.

Vermutlich sind Sie ein passiver Beziehungsverweigerer. Das bedeutet: Sie wünschen sich einerseits Nähe, haben andererseits immense Angst davor. Deshalb wählen Sie Partner, die Sie erst gar nicht nahe genug heran lassen.
Die Bad Boys und Vergebenen: Sie wollen keine Beziehung mit denen, die Sie haben könnten

Er sagt: „Ich möchte eigentlich keine Beziehung". Sie versuchen es dennoch. Dies ist die häufigste Variante von „Ich gerate immer an die Falschen." Ob die Partner verheiratet oder insgeheim auf der Suche nach etwas Besserem sind: glauben Sie Ihnen, was Sie ihnen sagen, denn sie werden dies, wenn Sie am Ende verzweifelt Ihr gebrochenes Herz flicken wollen, als Entschuldigung gegen Sie verwenden: „Ich hatte bereits zu Beginn gesagt...."

Aktive Beziehungsverweigerer sind ja zumindest ehrlich. Doch das weckt gerade den Jagdinstinkt. Übrigens nicht nur den Ihrigen! Garantiert haben Sie Konkurrenten. Aktive Beziehungsverweigerer sind häufig extrem charmant und attraktiv und ziehen passive Beziehungsverweigerer an.
Der Ex: Sie wollen Ihre frühere Beziehung zurück

In einer neuen Beziehung vergleichen Sie Ihre aktuelle Partnerin ständig mit der Ex. Irgendwie passte das doch besser - abgesehen von den Gründen, die zur Trennung führten. Sie träumen heimlich vom Liebes-Comeback, während Sie sich immer weiter aus Ihrer neuen Partnerschaft verabschieden. Ex zurück ist ein häufiger Wunsch, doch nur die wenigsten Menschen, die sich getrennt haben, finden wieder zusammen. Gerade wenn Kinder gemeinsam betreut werden, ergibt sich nie so richtig die Möglichkeit, loszulassen und abzuschließen.

Für Menschen mit Beziehungsangst ist ein Gefangen in Ex zurück-Gedanke fatal, denn sie idealisieren die frühere Beziehung - eben weil sie unerreichbar geworden ist.
Die Ausnutzer: Sie werden immer wieder sehr verletzt

Wenn Sie jemanden kennen lernen, denken Sie an die vielen Dinge, die Ihnen angetan wurden: Betrug, Untreue, Lügen oder eine schmerzhafte Trennung. Verlust bereitet psychisch und physisch Schmerzen. Das kann so traumatisch erlebt werden, dass jeder Blick auf die Zukunft von den Schatten der Vergangenheit verdunkelt wird.

Eine neue Partnerschaft benötigt einen Vertrauensvorschuss. Vertrauen, dass er ernst meint; dass sie sich nur mit dem Ex wegen des gemeinsamen Kindes trifft; dass nicht allein Sie in die Beziehung investieren... Ihre größte Befürchtung: Wenn Sie sich auf einen neuen Menschen nicht einzulassen wagen, wird sich dieser irgendwann abwenden und andere Wege gehen. Und genau das wird dann geschehen. Pessimisten küsst niemand gerne.
Die Blender: Nach einiger Zeit sehen Sie nur noch Fehler

Sie lieben das Gefühl, frisch verliebt zu sein. Die Schmetterlinge in Ihrem Bauch tragen Sie euphorisch durch die ersten vier bis sechs Wochen der Beziehung. Bis es die Kleinigkeiten sind, die Sie nerven. Es scheint, als würde die Fassade bröckeln, die er aufgebaut hat, und Sie verlieren das Vertrauen. Nach maximal drei Monaten ist die rosa Brille abgesetzt und Sie suchen Ihr Glück woanders.

Es ist leider nicht so, dass Ihr Partner Ihnen etwas vorgemacht hat. Sie wollten nur die Dinge nicht sehen, die Sie sogar ahnten. Menschen mit Beziehungsangst sind sicher, dass selbst wenn alles passt, irgendwas noch passieren wird. Entweder die sich selbst erfüllende Prophezeiung greift oder Sie suchen so lange Fehler und Macken bis Sie diese finden.
Die Perfekten: Der Partner, der Sie und Ihr Leben zu 100% so lässt, wie Sie sind

Tiefgreifende Veränderungen erschrecken Sie. Aus diesem Grund soll alles so bleiben wie es ist. Ganz besonders wenn es um Freiraum und Verpflichtung geht. Der neue Partner soll so perfekt dazu passen, dass Kompromisse unnötig sind.

Mit einer Partnerschaft wird sich Ihr Leben verändern. Und: jede Partnerschaft ist Veränderungen von Innen und Außen ausgesetzt, auf die Sie als Paar reagieren müssen. Die Furcht vor Veränderung lässt sich ablegen, wenn Sie akzeptieren, dass jede Veränderung die Chance zu einer Verbesserung birgt.


Die Gründe für Beziehungsangst können vielfältig sein (wenn Sie unbedingt jemandem die Schuld dafür geben möchten, obwohl Ihnen das garantiert nur kurzfristig Erleichterung verschaffen wird: die Eltern sind dankbare Opfer für Dämonisierungen...). Vielleicht wurden Sie verletzt, vielleicht haben Sie grundsätzlich Angst vor Veränderungen, vielleicht erlebten Sie in Ihrem engsten Umfeld negative Rollenvorbilder.


Die gute Nachricht: Beziehungsangst, die aktive wie die passive, lässt sich überwinden. Häufig genügen kleine Erfolgserlebnisse, um wieder optimistisch und lebensbejahend auf neue Kontakte zugehen zu können. Lassen Sie sich helfen, wenn Sie nicht alleine dem Kreislauf aus erfolglosen Mustern und Strategien entkommen. Falls Sie traumatische Erfahrungen erleben mussten: sprechen Sie mit einem Therapeuten oder Psychologen.

Lassen Sie Liebe zu. Es gibt sie nicht ohne Schmerz. Aber sie lohnt sich. Und sie gibt allem Sinn.


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