Eric Hegmann

Chefredakteur, Paarberater, Hamburg

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Artikel

Vom Umgang mit einem konfliktscheuen Partner

Sturmfront in der Beziehung

Ihr Partner vermeidet jeden Streit? Er ist konfliktscheu? Harmoniesüchtig? Ein Beschwichtiger und Problem-Besänftiger? Das treibt Sie in den Wahnsinn? Durchbrechen Sie die Spirale und finden Sie heraus, was er wirklich will!


Da steht wieder diese Frage im Raum: „Warum hast du eigentlich noch nicht?" Ja, warum eigentlich nicht? „Ich bin noch nicht dazu gekommen." Dabei senkt sich der Blick in der Hoffnung, der frostige Lufthauch würde nicht zum Sturm anwachsen und man könnte schnell wieder zurück zum harmonischen Miteinander auf dem Sofa, sich lieb haben, kuscheln, ohne Vorwürfe und Kritik.


Aber nein. „Ich hatte dich doch extra nochmals darum gebeten. Schreib es dir doch einfach auf. Warum ist dir alles andere wichtiger?" Nun, das mit dem Kuscheln ist jetzt erst einmal kein Thema mehr. Stattdessen geht es um Grundsätzliches: „Du hättest das längst getan, würdest du mich wirklich lieben." Oh je.


Für einen konfliktscheuen Partner ist jeder Streit ein Graus. Für ihren oder seinen Partner ist wiederum der Besänftiger ein echter Aufreger. Weshalb dieser selbstverständlich sich noch mehr Mühe gibt, jeden Streit zu vermeiden. Schnell wird da ein Sturm zum Orkan.

Was Sie vergessen können: dass Ihr Partner seine Strategie ändern wird. Vielleicht hat er sich die von der Streitkultur der Eltern abgeschaut, im Zweifel sind sowieso immer die Eltern Schuld. Sicher ist, er hat Angst davor, sich mit Ihnen zu zoffen. Weil er mit Ihnen glücklich sein möchte. Das können Sie jetzt feige nennen, aber es ist auch Liebe. Konzentrieren Sie sich auf diesen Teil, dann fällt Ihnen der nächste Schritt leichter.


Ihr Beschwichtiger hatte nämlich keine Lust, das zu tun, worum Sie ihn gebeten hatten. Sonst hätte er das erledigt. Und zwar hatte er so wenig Lust, dass er sogar den Streit mit Ihnen riskiert, vor dem er wie wir wissen echte Panik verspürt. Während Sie sich also fragen: „Liebt er mich denn nicht?" Fragt er sich: „Warum zwingt sie mich, das zu tun. Ich hasse das. Und jetzt streiten wir uns wieder. Liebt sie mich denn nicht?"


Mit dieser Strategie werden Sie beide nicht weiter kommen als bis zum nächsten Streit.

Fragen Sie ihn doch etwas anderes: „Du wolltest das nicht machen, habe ich Recht?"

Mit Glück sagt Ihr sicher verblüffter Beschwichtiger nun: „Stimmt."


Wahrscheinlicher ist aber, dass er zunächst seiner Strategie treu bleibt und irgendwas erzählt, was aber im Kern eine hilflose Ausrede ist. Sie könnten jetzt Ihrer Strategie treu bleiben und aus der Haut fahren. Aber versuchen Sie doch so etwas: „Sorry, aber ich glaube wirklich, dass du das nicht machen möchtest. Wenn ich das übernehme, was würdest du denn dann für mich tun?"


Vermutlich ist hat sich die Wetterlage Ihrer Beziehung nun verändert. Möglicherweise ist er verunsichert. Ihm fällt spontan kein Tauschgeschäft ein. Aber die Idee mag er. Wahrscheinlich würde er jetzt auf Nachfrage sogar zugeben: „Ja, ich möchte das nicht tun."

Das wäre dann Ihr Stichwort für die Frage: „Sondern?"


Und statt im Auge des Orkans stehen Sie auf einem bunten Basar voller Möglichkeiten zum Tauschen.


Konfliktscheue Menschen wissen, dass Zusammenleben und Beziehung nicht ohne Stress, Revierkampf oder unterschiedliche Interessen und damit Streit funktionieren kann. Sie kennen aber meist nur Beschwichtigung und Verdrängung als Strategie. Bis sie zu dem Punkt gelangen, an dem sie die Flucht ergreifen.


Bieten Sie einem Alternative. Immer wieder. Aus einem harmoniesüchtigen Partner wird deshalb nie ein Bully werden, aber mit zunehmender Sicherheit wird er auch in der Beziehung mehr wagen und mehr investieren wollen. Und dann müssen Sie gar nicht mehr fragen: „Warum hast du eigentlich noch nicht?" Hat er nämlich längst.

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