Eric Hegmann: „Es gibt viele, so genannte überaktivierte Paare, die streiten wie 'die Kesselflicker', wie der Volksmund sagt, und die führen sehr dynamische Beziehungen voller Leidenschaft. Sie entwickeln häufig eine Streitkultur, die Außenstehende eher zerstörerisch empfinden würden. Auch glückliche Paare streiten. Die versöhnen sich aber und helfen sich, mögliche Verletzungen zu heilen. Gefährlich wird es, wenn das dem Paar nicht gelingt.
In der Paarberatung lässt sich häufig mit den überaktivierten, also den sehr leidenschaftlichen Paaren, die immer wieder gemeinsam unglücklich sind, einfacher arbeiten als mit den unteraktivierten, also denen, die sich arrangiert haben, aber dadurch alleine unglücklich sind.
Die Prognose hängt vom Willen der Partner ab, immer wieder gleiche Beziehungszyklen zu durchlaufen. Wenn sich die Streitkultur nicht auf Dauer ändert, wird ein Partner irgendwann genug haben von Verletzungen und die Beziehung aufkündigen zum eigenen Schutz. Das kann aber erstaunlich lange dauern."
Hegmann: „Zunächst heißt es, dass die Partner noch ausreichend Kontaktflächen haben, das bedeutet, dass ihnen etwas aneinander liegt. Eine Beziehung, in der die Partner resigniert haben, hält dagegen viel weniger zusammen."
Der Paarberater und Single-Coach Eric Hegmann bietet Paarberatung in Hamburg und (Online-)Kurse für richtiges Streiten an
Hegmann: „Die Beziehung fühlt sich für ein Paar noch gut an, wenn es durch mehr Dinge geeint als getrennt wird. Aus dem Gleichgewicht geraten die Partner, sobald sie über die vielen Streitereien vergessen, warum sie eigentlich zusammen sind. Wer viel streitet, steckt Grenzen ab. Wer gar nicht streitet, frisst möglicherweise Konflikte so lange in sich hinein, bis es für eine Klärung zu spät ist. Streiten gehört also zu jeder Beziehung dazu, auch glückliche Paare streiten."
Hegmann: „Glückliche Partner streiten respektvoll, das heißt, sie beginnen einen Streit nicht mit einem Angriff, der nur zu einem Gegenangriff führt, sondern besprechen ihre unterschiedlichen Bedürfnisse auf Augenhöhe. Unglückliche Partner nehmen einen Streit persönlich, werten sich gegenseitig ab und vor allem, sie geben sich keine Möglichkeit zur Versöhnung nach einer Auseinandersetzung. Glückliche Paare haben keine Furcht vor einer Auseinandersetzung, weil sie die als Chance sehen, etwas zum Besseren zu verändern."
Wann ist ein Paar nach einem Trennungsversuch wieder reif für einen Neuanfang? Woran merkt man das?
Hegmann: „Im Streit zugefügte Verletzungen müssen verheilen können. Jedes Paar ist hier unterschiedlich. Wer gewohnt ist, gut zu streiten, erholt sich viel schneller als ein Paar, das Konflikte lieber vermeidet. Impulsive Paare sind häufig nicht nachtragend und verblüffend schnell in der Lage, sich erneut zusammenzuschließen. Wovon sich ein Paar nie mehr erholt, trennt andere nur für wenige Tage oder Wochen. Dennoch hat jedes Paar nur ein individuelles Repertoire an wirklich bösen Streits. Irgendeine Auseinandersetzung war dann die letzte."
Beziehung retten – Beziehungsworkshops
Hegmann: „Solange beide Partner eine gemeinsame Zukunft wollen, lässt sich alles verhandeln und erreichen. Das Aus der Beziehung droht, wenn die Partner sich gegenseitig abwerten und verletzen und schließlich ihre Mauern 'hochziehen', also keine Bereitschaft mehr für Kompromisse und Entgegenkommen zeigen. Irgendwann verlassen auch ein impulsives Paar die Kräfte. Ein Zeichen ist, wenn man vor Anderen den Partner runtermacht."
►Gehen Sie nie geladen in einen Streit. Notfalls verschieben Sie die Auseinandersetzung, bis Sie wieder klar denken können. Stresshormone im männlichen Gehirn werden langsamer abgebaut als die im weiblichen. Bewegung hilft: gehen Sie ruhig einmal um den Block.
►Steigen Sie in einen Streit respektvoll ein. Je schärfer Sie attackieren, umso schärfer der Gegenangriff oder umso weiter die Flucht.
►Verzichten Sie auf Vorwürfe, denn die provozieren immer einen Kreislauf aus Attacken und Rückzug. Dazu gehören Ich-Botschaften statt Du-Angriffe.
►Bleiben Sie sachlich, sonst droht die Abwärtsspirale der Abwertung. Die Beziehung ist gefährdet, wenn Sie keinen Respekt mehr voreinander zeigen.
►Wer im Streit tief verletzt wird, zieht sich zurück und resigniert. Dann können Sie Ihren Partner nicht mehr erreichen.
►Begreifen Sie Konflikte als Chance, etwas zu verbessern, was Sie im Moment stört.
►Denken Sie daran, dass Ihre Bedürfnisse gleichberechtigt sind mit denen Ihres Partners. Sie können sich dauerhaft nur einigen, aber nicht durchsetzen.
► Alle Paare streiten, auch die glücklichen. Sie streiten nur besser und haben gelernt, sich zu versöhnen.
►Finden Sie ein Versöhnungsritual nach einem Streit. Nehmen Sie sich beispielsweise in den Arm. Das schwemmt Stresshormone aus dem Körper, senkt den Blutdruck und beruhigt.
Wie viel Drama hält eine Beziehung aus? Wie lautet das Fazit?
Hegmann: „Beziehungen halten mehr Drama aus, als viele Paare denken. Denn Streit bedeutet, dass die Partner Reibungspunkte haben und den Kontakt suchen. Es sind vor allem die resignierten Paare, in denen die Partner gemeinsam einsam sind, die unglücklicher sind."
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