3 subscriptions and 0 subscribers
Article

Wo Oma Anneliese predigt

Pfarrer Arnold alias Oma Anneliese hatte nicht nur einen prall gefüllten Einkaufswagen mit dabei, sondern auch jede Menge skurrile Geschichten in petto. (Foto: Yannick Seiler)

Untersiemau - Pfarrer Arnold alias Oma Anneliese hatte nicht nur einen prall gefüllten Einkaufswagen mit dabei, sondern auch jede Menge skurrile Geschichten in petto.

Untersiemau - Als am Sonntag "Oma Anneliese" anstelle von Pfarrer Heinrich Arnold an den Altar vor die Gemeinde in Untersiemau trat, wussten die Besucher, dass dies kein gewöhnlicher Gottesdienst werden würde. Einen ganzen Einkaufswagen voller Anekdoten des vergangenen Jahres hatte sie mitgebracht.


Während Pfarrer Arnold zuerst eine traditionelle sonntägliche Andacht hielt, verließ er mitten im Gottesdienst den Altarraum. Kurz darauf trat eine ältere Dame in Schürze und Kopftuch das Gotteshaus. Oma Anneliese kam gerade vom wöchentlichen Einkauf samt Einkaufswagen in die Messe. Im Gegensatz zum Pfarrer aber erzählte sie der Gemeinde nicht von biblischen, sondern eher profanen Begebenheiten. So widmete sie sich zuerst der Weltpolitik. Den neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump nahm sie dabei genauso wie Putin auf die Schippe. "Der Wahlsieg Putins in Russland ist genauso sicher wie das Siegtor der Bayern in der Nachspielzeit bei uns", wusste sie zu berichten. Aber auch die Bürger Untersiemaus kamen in ihrem humoristischen Jahresrückblick nicht zu kurz. So sei die Anzeigetafel des in der A-Klasse-3 Coburg nur mäßig erfolgreichen TSV Untersiemau umgerüstet worden, sodass sie nun auch Tore für die Gastmannschaft im dreistelligen Bereich zuließe. Als sie während des Wocheneinkaufs eine junge Mutter mit ihrem Kind traf, musste sie sich über das Verhalten der jüngeren Generation wundern. Denn so widmete eine junge Mutter ihrem Handy mehr Aufmerksamkeit als dem Spross an ihrer Seite. Dabei berichtete sie ihrer besten Freundin lediglich per Kurznachricht, dass sie sich gerade im Supermarkt befindet. In jüngster Zeit hätten ihr auch mehrere Bekannte berichtet, dass sie in "die Därme" gewesen wären. Was sie ihr aber damit genau sagen wollten, wusste sie nicht so recht. Auch der Hausbesuch eines HUK-Mitarbeiters bereitete ihr Kopfzerbrechen, da sie wenig über die Versicherungspolice erfuhr, der Vertreter ihr aber die "Hucke vollschwatzte".


Auch ihre privaten Veränderungen teilte sie mit der Gemeinde. Hatte sie im vergangenen Jahr noch die Urne ihres verstorbenen Mannes Fritz mit in den Gottesdienst gebracht, so sei sie inzwischen wieder frisch verliebt. Ihr neuer Lebensgefährte Manfred arbeite als Schreiner. Privat wäre er aber eher ein Schnitzer gewesen, da er sich den ein oder anderen davon bei ihr schon geleistet habe. Aber auch über die Manieren der älteren Generation, vor allem der Männer, konnte sie nur die Nase rümpfen. Jede Woche treffen sich diese zum Stammtisch. "So lange wie die dasitzen, wäre aber betreutes Wohnen der wohl passendere Begriff", sagt Anneliese. Auch eine andere Umbenennung fiel ihr ein: Seitdem im vergangenen September bei Bauarbeiten am Schlossteich zwei Bagger im Morast versanken, hieße das Gewässer Baggersee.


Anschließend schickte sie die Gemeinde mit einem ganz unchristlichen Trinklied anlässlich des diesjährigen Reformationsjubiläum zu Weißwurstfrühstück und Umtrunk. Pfarrer Arnold ward nicht mehr gesehen.

Original