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Gewerkschaft der Polizei will Ausbildungsreform stoppen

An der Berliner Polizeiakademie soll es erhebliche Probleme mit Schülern geben

Es vergeht derzeit kein Tag ohne neue Gerüchte und Skandale rund um die Berliner Polizei. Inzwischen wurde bekannt, dass mutmaßliche Mitglieder eines arabischen Familienclans auf den Polizeidienststellen in Kreuzberg und Schöneberg Zivilfahrzeuge abgefilmt und Spuren beseitigt haben sollen. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hatte darüber in der Abendschau am Mittwoch berichtet. Die Polizei bestätigte den Vorfall, machte zu dem sozialen Hintergrund der Täter jedoch keine Angabe.

Seit eine Audio-Datei öffentlich wurde, auf der sich ein Ausbilder über die Zustände an der Polizeiakademie in Spandau echauffierte, wurden immer mehr Vorwürfe gegenüber der Struktur und der Führung der Polizei laut. So warnte etwa ein angeblich langjähriger LKA-Beamter vor der Unterwanderung durch kriminelle Großfamilien. Die Polizeispitze wies diesen Vorwurf zurück. Um alle Vorfälle zu klären und die erhitzte Gerüchteküche abzukühlen, setzte Innensenator Andreas Geisel (SPD) dem Polizeipräsidium eine Frist von vier Wochen, um intern einen aufklärenden Bericht anzufertigen. Eine Maßnahme, die zu nichts führen werde, kritisierte am Donnerstag nicht nur die Opposition, sondern auch der SPD-Abgeordnete und Sprecher für Verfassungsschutz, Tom Schreiber.

Erst am Mittwoch war der Berliner Innenausschuss zu einer Sondersitzung zusammengekommen, in der Polizeipräsident Klaus Kandt und dessen Stellvertreterin Margarete Koppers zu den Vorwürfen gegenüber der Polizeiführung und der Ausbildung an der Polizeiakademie in Spandau Stellung nehmen sollten.

Dass nun ein interner Bericht für Aufklärung sorgen soll, bezweifeln sowohl die Opposition als auch Schreiber und die Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Das wird unseren Anforderungen als Parlament nicht gerecht", sagte der CDU-Politiker Burkard Dregger der Berliner Morgenpost. Er forderte stattdessen einen externen Sonderermittler damit zu beauftragen. Er habe weder das Gefühl, dass seitens der Polizeibeamten das Vertrauen in Koppers vorhanden ist, noch traue er ihr zu, die nötige Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn die Vizepräsidentin trägt bei der Polizei die Verantwortung für das Personal. Diese Meinung vertritt auch Sozialdemokrat Schreiber. Er befürchtet, dass weitere Fälle öffentlich werden, die dem Ansehen der Polizei schaden könnten. Auch er habe „in die Polizeiführung kein Vertrauen". Ein System könne sich nicht selbst kontrollieren, daher brauche es jemanden, der unabhängig ist. Dass er sich damit gegen seinen Parteikollegen und Innensenator Geisel stelle, „tangiert mich wenig", so Schreiber. In der Partei gebe es zu viele, die das Thema nicht interessiere. Es sei „nicht sexy genug".

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) stellt sich hingegen auf Geisels Seite. Er sagte der Berliner Morgenpost: „Der Innenminister hat den Polizeipräsidenten zu einer umgehenden und umfassenden Prüfung der Vorgänge in der Polizeiakademie aufgefordert. Das unterstütze ich ausdrücklich. Wir müssen wissen, welche Vorgänge sich dort abgespielt haben, um auf der Basis von Fakten eine Bewertung vornehmen zu können." Müller fügte hinzu: „Dazu brauchen wir keinen externen Sonderermittler."

Nach Ansicht von Dregger und Schreiber gewährleistet eine interne Untersuchung weder die geforderte Transparenz noch die nötige Unabhängigkeit. Wenn es nach GdP-Sprecher Benjamin Jendro geht, bräuchte es überhaupt keine weiteren Ermittlungen: „Die Probleme liegen auf der Hand. Wir haben eine Ausbildungsstruktur, die den Anforderungen des Berufes nicht gerecht wird." Die derzeitige Struktur der Polizeiakademie begünstige vielmehr die Missstände, als sie zu bekämpfen. Schuld daran sei in erster Linie die Strukturreform von Koppers, die die Akademie zu einer Art Berufsschule habe verkommen lassen. Das Personal sei „eiskalt wegrationiert" worden, mit der Folge, dass die Schüler zunehmend sich selbst überlassen werden. Jendros Resümee: „Wenn die Polizeiführung alles relativiert und eine Show-Veranstaltung mit einer Musterklasse macht, dann weiß ich auch, in welche Richtung der interne Bericht gehen wird." Er fordert die Strukturreform zu stoppen und ein Umdenken „back to the roots".


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