1 subscription and 0 subscribers
Article

Was die Bewohner am Hansaviertel lieben... und was nicht

Das Hansaviertel in Tiergarten

Der Stadtteil in Tiergarten wird 60 Jahre alt. Wir haben zehn Menschen gefragt, was sie an dem Viertel mögen - und was nicht.


Das Hansaviertel galt als visionär - und war die architektonische Antwort auf die Neubauten an der früheren Stalinallee im Ostteil der Stadt - zur zeit des Kalten Krieges. 36 Architekten aus aller Welt skizzierten im Zuge der Internationalen Bauausstellung 1957 das Wohnen der Zukunft im Hansaviertel. Es entstanden 42 Gebäude, 39 davon am Rande des Großen Tiergarten zwischen den S-Bahnhöfen Tiergarten und Bellevue. Am Sonnabend wird ab 12 Uhr das Jubiläum auf dem Hansaplatz gefeiert. Die Berliner Morgenpost hat zehn Menschen gefragt, was sie an dem Viertel lieben - und was nicht.


Rita Strübind, 75, hat früher Wohnungen im Hansaviertel verwaltet: „Ich habe während meines Berufslebens immer darauf geachtet, dass es eine gute Mischung von Menschen im Hansaviertel gibt. Ich liebe das offene und den Parkcharakter. Dass der erhalten bleibt, ist ganz wichtig. Und dass das Einkaufszentrum aufgewertet wird. Es leben hier sehr viele Menschen, die mit dem Viertel alt geworden sind. Für sie wäre das wichtig."


Athima Xirokosta, 25, wohnt seit zwei Jahren im Hansaviertel: „Ich schätze die Ruhe und dass es trotzdem zentral ist. Wenn am Brandenburger Tor mal etwas los ist, dann kann man einfach rüberlaufen. Ich mag auch den idyllischen Charakter, den das Viertel hat."


Luana Rehfeld, 64, wohnt seit 14 Jahren im Hansaviertel: „Mich hat das Hansaviertel schon als Kind fasziniert. Meine Mutter hat früher bei Bolle am Hansaplatz gearbeitet. Meine Freunde und ich sind damals mit Fahrrädern und Rollern in jeder Ecke des Viertels spielen gewesen. Später bin ich dann hierher gezogen. Schön ist neben dem vielen Grün vor allem die Ruhe."


Ingeborg Schneider, 88, war nach Fertigstellung eine der Erstbezieher: „Die Wohnung stand damals in der Morgenpost, da haben wir uns beworben und sie letztlich auch bekommen. Wir genießen es, dass wir hier wohnen können. Aber verändert hat es sich schon. Früher gab es noch eine Schwebebahn, mit der ist meine Tochter vom Zoologischen Garten aus immer hierher geschwebt. Wo früher die Station war, ist heute ein Spielplatz. Der ist ganz schön geworden. Dagegen sieht der Hansaplatz schlimm aus. Früher gab es bessere Geschäfte. Und es war sauberer."


Georg Düx, 55, seit 20 Jahren Architekturführer im Hansaviertel: „Die Architektur ist eine Besonderheit, weil sie einmal um die Welt gegangen ist und wieder zurück nach Berlin. Von außen ist es das Klischee der Hochhausstadt, aber innen gibt es raffinierte Grundrisse. Es genügt den heutigen Ansprüchen vielleicht nicht mehr so ganz. Damals war es die Stadt von morgen, das ist auch heute noch zu spüren. Es bekommt langsam wieder den Charakter, den es schon einmal hatte, mit vielen kleinen Familien und jungen Kindern. Was damals die Zukunft war, ist heute eine gute Gegenwart."


Peter Schmitt, 82, wohnt seit 45 Jahren im Hansaviertel: „Es ist nicht mehr so, wie es war. Es ist schon runtergekommen. Das liegt in erster Linie an den Menschen, die keine Achtsamkeit pflegen. Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist heute eine andere, man muss sich damit abfinden. Das Einzige, was heute noch existiert, ist das Grips-Theater. In 60 Jahren ergibt sich zwangsläufig ein Alterungsprozess. Aber ich möchte hier auf keinen Fall wegziehen. Die Lage mitten im Tiergarten schätze ich über alles, und die gute Luft. Dass man durch die gute Anbindung überall im Nu ist, das ist wunderbar."


Ulrich Greiner, 59, Apotheker am Hansaplatz und Vorsitzender des Bürgervereins Hansaviertel: „Das Faszinierende ist der Dorfcharakter. Es ist eine grüne Oase inmitten Berlins. Diese Art Wohnen ist europaweit einmalig. Man kennt sich, es ist alles nicht so großstädtisch. Und die Blicke aus den Hochhäusern sind spektakulär. Leider wurde damals auch Asbest verbaut. Aber was die Wohnungsschnitte angeht, ist es sehr individuell und zumindest noch immer auf dem Stand der Zeit. Das Hansaviertel ist begehrt, auch international. Nur leider gibt es bisher kein schlüssiges Konzept für das Einkaufszentrum." 


Philipp Harpain, 50, Theaterleiter vom Grips am Hansaplatz: „Das Grips ist schon 48 Jahre alt und sehr verbunden mit dem Hansaplatz. Die Institution gehört dazu. Hier leben ganz viele verschiedene Menschen, es ist eine eigene Mischung, und die funktioniert. Auch die Bauauflage, dass im Hansaviertel keine Zäune gezogen werden dürfen, ist etwas Besonderes. Und darauf sind die Menschen, die hier leben, stolz."


Kristina Schönwälder, 39, wohnt seit fünf Jahren im Hansaviertel: „Die Architektur ist noch moderner als manches, was heute neu gebaut wird. Ich habe bewusst hier eine Familie gegründet. Die Kinder können hier frei spielen und Fahrradfahren lernen. Es gibt gute Kitas, und durch das viele Grün merkt man die Dichte der Großstadt nicht so. Leider ist das Kulturangebot sehr begrenzt."


Johann von Wallenburg, 37, wohnt seit fünf Jahren im Viertel: „Das Hansaviertel ist ein Ort zum Wohlfühlen. Deshalb bin ich hierher gezogen. Die Architektur ist einfach genial. Sie ist in den Tiergarten integriert und ideal für Kinder. Aber gerade ihretwegen muss ein Plan für die Obdachlosen entwickelt werden. Und etwas mehr Kultur fänd ich cool. Man könnte die Gegend noch stärker aufwerten."


© Berliner Morgenpost 2019 - Alle Rechte vorbehalten.

Original