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Warum sie hungern

Hunger hat selten, wer hier zugreift - hübsche Häppchen für Leckermäuler (Foto: Walter Schmidt)

Hunger und Armut sind unheilvolle Geschwister. „Wer genug Geld hat, kriegt überall auf der Erde Nahrung", sagt Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe in Bonn. „Ich war selber im Tschad und in Benin tätig, auch während Hungerkrisen, und meine Kinder sind nie mangelernährt gewesen." Wenn genug Mittel vorhanden seien, „wird Nahrung in die hinterste Ecke der Welt geschleppt" - für Bergsteiger sogar hinauf in die Basislager am Mount Everest in über 5000 Meter Höhe. Doch den Armen der Welt fehlt es an Kapital. Das lässt sie hungern und schwächt sie so sehr, dass sie es oft nicht mehr schaffen, ausreichend Geld zu verdienen, um sich zu ernähren oder auch nur zu fliehen - ein Teufelskreis. Wenn Schneider sich für eine Hauptursache des Hungers auf der Welt entscheiden müsste, dann wäre es die „dramatische Vernachlässigung der ländlichen Räume". Dieses Problem hätten „alle Hungerregionen gemeinsam". Über 70 Prozent der Hungernden weltweit lebten in ländlichen Regionen der sogenannten Entwicklungsländer. „Es sind kleinbäuerliche Familien und Landlose - also ausgerechnet Menschen, die von der Landwirtschaft leben." Doch deren Erträge und das erzielte Einkommen reichten oft nicht für eine sättigende und gesunde Ernährung. Oft müssen die Kinder der Bauern auf den Feldern helfen und können deshalb keine Schule besuchen. „Dadurch aber verstetigt sich das Problem", weiß der Geograph aus Erfahrung. Wer eine gute Ausbildung habe, könnte seine Landwirtschaft produktiver betreiben, vielleicht sogar nebenher ein Gewerbe, und wüsste obendrein mehr über Hygiene und Empfängnisverhütung. „Wenn ich auf meine Erfahrungen in Afrika schaue, dann hatten alle, die einigermaßen gut ausgebildet waren und einen Job hatten, selten mehr als zwei oder drei Kinder." Durch eine gute Bildungs- und Gesundheitspolitik und bessere Verdienstmöglichkeiten fernab der Städte könne man das Bevölkerungswachstum, eine weitere Hungerursache, „sehr schnell bremsen". Doch die ländlichen Räume seien „in den letzten Jahrzehnten oft vernachlässigt worden, weil die Weltbank oder der Internationale Währungsfond darauf gedrängt haben, die Märkte zu öffnen", sagt Schneider. Dadurch konnten die Industriestaaten eigene, durch Subventionen verbilligte Nahrungsmitteln in die Entwicklungsländer exportieren und so auch ihre Überfluss-Produktion verwerten. „Die EU-Agrarpolitik ist nun mal sehr stark darauf ausgerichtet, Überschüsse auf den Weltmarkt zu werfen", bemängelt auch der Geograph und Ökonom Theo Rauch von der Freien Universität Berlin, Autor des Lehrbuchs „Entwicklungspolitik". Mit derzeit 58 Milliarden Euro pro Jahr bezuschusst die EU ihre Landwirte. Nahrungsmittel-Importe aus Europa aber verdrängten in den Entwicklungsländern oft genug die Kleinbauern von lokalen Märkten. Und die Regierungen vor Ort meinen mit Blick auf die ins Land flutenden Weizen-, Mais- und anderen Nahrungsmittel nun erst recht, die armen Familien fernab der großen Städte nicht mehr unterstützen zu müssen. Gerade die für den Eigenbedarf produzierenden Bauern mit nur ein bis zwei Hektar Land sind Theo Rauch zufolge konsequent vernachlässigt worden. „In fast allen afrikanischen Ländern hat sich die Agrarförderung auf die oberen 10 bis 20 Prozent der Kleinbauern konzentriert", also auf solche mit den größten Feldern, den besten Ressourcen und dem höchsten Verdienst, sagt der Lehrbeauftragte am Zentrum für Entwicklungsländerforschung (ZELF) der FU Berlin. Und dabei sei der Schwerpunkt nicht auf die Produktion von Grundnahrungsmitteln, sondern von gut verkäuflichen Ackerfrüchten („Cash Crops") gelegt worden, die „häufig für den Export in die Industrieländer" gedacht sind - freilich meist unverarbeitet: Der Saft oder die Marmelade aus Mangos oder Ananas wird dann in den Industriestaaten hergestellt und zum Teil zurück in die ärmeren Länder geschafft. Doch daran, dass die Entwicklungsländer ihre Rohstoffe nicht effizient selbst veredeln [...] KOMPLETTER TEXT BEIM AUTOR
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