In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet der 39-jährige Stephan Sommer*, der für einen Bundestagesabgeordneten arbeitet.
Beruf: Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter im Wahlkreisbüro eines Bundestagsabgeordneten in Süddeutschland. Diese Berufsbezeichnung gibt der vor - wer mit einem Hochschulstudium bei einem Abgeordneten angestellt ist, läuft automatisch unter "wissenschaftlicher Mitarbeiter". Ich bin Teil eines Teams von mehreren Leuten und unterstütze den Abgeordneten bei allem, was er tun muss, um sein Mandat zu erfüllen - also bereite etwa Sitzungen oder Auftritte für ihn vor. Außerdem übernehme ich alle Aufgaben, die er nicht zwingend selbst erledigen muss. Ich bereite Termine vor, schreibe Grußworte für Veranstaltungen und beantworte Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern.
Pro Tag kommen fünf bis zehn Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern im Wahlkreisbüro an, die wir im Team bearbeiten. Manche Bürger rufen an, andere schicken klassisch Briefe per Post, aber die meisten erreichen uns mittlerweile per E-Mail. Dann arbeite ich mich in die jeweiligen Themen ein, die sehr unterschiedlich sein können: Abschiebungsregelungen, Waffenrecht, Corona-Schutzbestimmungen. Dafür spreche ich mit Expertinnen oder Experten und durchforste Unterlagen - denn die Antworten, die im Namen des Abgeordneten kommen, dürfen auf keinen Fall Fehler enthalten.
Ich bin kein Beamter, nicht im öffentlichen Dienst, sondern direkt bei dem Abgeordneten angestellt. Mein Vertrag läuft deshalb auch immer nur für eine Legislaturperiode. Gibt mein Abgeordneter sein Mandat auf, wird er nicht wiedergewählt oder bekommt eine neue Position, würde meine Stelle ebenfalls wegfallen. Schlaflose Nächte habe ich trotzdem nicht, irgendetwas Neues wird sich sicher finden.
Einen habe ich nebenbei auch noch: Da übernehme ich Organisatorisches in einem anderen Büro, das aber in einem viel kleineren Ausmaß.
Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich Politikwissenschaft studiert. Was die Noten angeht, war ich kein Überflieger. Deshalb war mir klar, dass ich ein Studium nur schaffe, wenn mich das Thema wirklich fasziniert. Ich habe von meinen Eltern ein großes Interesse an Geschichte mitbekommen und war schon in meiner Jugend vor 20 Jahren politisch aktiv, damals noch im Kommunalwahlkampf. Deshalb bin ich bei Politikwissenschaften gelandet, das hat gut gepasst. Nach dem Studium habe ich in der Politik erst keinen Job gefunden und habe stattdessen in einem Betrieb in der freien Wirtschaft angefangen. Da habe ich deutlich weniger verdient als heute. Deshalb habe ich mich auch gleich gemeldet, als der Abgeordnete eine Stelle für sein Wahlkreisbüro ausgeschrieben hat, und mich sehr gefreut, als es klappte. Und ich freue mich immer noch, denn die Arbeit ist vielfältig und macht mir Spaß.
Arbeitszeit: An normalen Tagen bin ich um acht Uhr im Büro. Dann beantworte ich E-Mails und stelle eine Presseschau der Lokalzeitungen zusammen. Anschließend gehe ich die Post durch und kümmere mich um die Termine des Tages. Wir arbeiten nicht nach einer Stechuhr. Wir müssen nur alles erledigen, was am Tag anfällt. Wie wir das machen, liegt an uns. Üblicherweise habe ich gegen 17 Uhr Feierabend, es ist also eine klassische 40-Stunden-Woche. Dass ich am Abend oder am Wochenende arbeite, kommt selten vor. Wenn der Abgeordnete im Wahlkreis unterwegs ist, gibt es manchmal mehr zu tun. Dann fahren wir seinen Wagen, damit er im Auto arbeiten kann, und begleiten ihn bei seinen Terminen, um danach Berichte und Fotos für die Website und seine Social-Media-Auftritte zu veröffentlichen. Sonst hält uns unser Abgeordneter die Ruhezeiten bewusst frei, wann immer das möglich ist. Wochenende ist hier Wochenende. Das kannte ich so aus meinen früheren Jobs nicht. Für meinen Minijob kalkuliere ich zusätzlich im Schnitt ein bis zwei Arbeitsstunden pro Tag.
Bruttoeinkommen: Über den Bundestagsabgeordneten verdiene ich 5.090 Euro brutto, dazu kommt der 450-Euro-Job. So lande ich bei einem Gesamtbruttoeinkommen von 5.540 Euro im Monat.
Nettoeinkommen: Netto bleiben mir 3.910 Euro monatlich. Meine Frau arbeitet zwei Tage in der Woche und verdient circa 800 Euro netto zusätzlich, außerdem bekommen wir knapp 600 Euro Kindergeld, sodass wir bei einem Haushaltseinkommen von rund 5.300 Euro sind. Einen Großteil unserer gemeinsamen Ausgaben decke ich. Meine Frau übernimmt ihre persönlichen Kosten und die Ausgaben für unsere Kinder.
Meine Ausgaben
Wohnen: Zusammen mit meiner Frau und meinen Kindern wohne ich in einem Haus am Stadtrand einer Kleinstadt. Dort haben wir 180 Quadratmeter zur Verfügung, dazu kommt ein großer Garten. Das Haus ist aus den Sechzigern, vor einigen Jahren haben wir es gekauft. Seitdem haben wir das Dach gedämmt, sonst ist das Haus größtenteils in seinem ursprünglichen Zustand. An die Vorbesitzer haben wir 230.000 Euro gezahlt, heute ist das Haus samt Grundstück in etwa das Doppelte wert. Für den Kauf haben wir einen Kredit aufgenommen, den bedienen wir monatlich mit 750 Euro.
Hinzu kommen 120 Euro, die ich für Heizöl zurücklege. Bei der derzeitigen Preisentwicklung werde ich das sicher anpassen müssen, aber bisher kamen wir damit aus. Ein Austausch der Anlage steht derzeit nicht an: Eigentlich sollten wir ans Nahwärmenetz angeschlossen werden, das wurde aber in der Pandemie bis auf Weiteres ausgesetzt. Für Strom zahlen wir ungefähr 205 Euro im Monat und 46 Euro gehen an die Stadtwerke für unser Wasser. Zusammengerechnet komme ich so auf 1.121 Euro an Wohnkosten im Monat. Die gesamten Kosten übernehme aktuell ich.
Lebensmittel: Die meisten Einkäufe erledigt meine Frau, sie zahlt sie aber von meinem Konto. Für die gesamte Familie zahlen wir 770 Euro, um jeden Monat Lebensmittel einzukaufen. Als Mehrpersonenhaushalt bekommen wir die Inflation deutlich zu spüren: Wir geben rund ein Viertel mehr für unsere Einkäufe aus. Ich selbst gebe zudem etwa 280 Euro im Monat in den Mittagspausen aus. Je nachdem wie viel Zeit ich habe, treffe ich mich mit Bekannten in einem Restaurant oder hole mir etwas vom Bäcker. Am Wochenende leisten wir uns immer einen Pizzadienst, wenn meine Frau arbeitet. Das macht noch einmal circa 200 Euro. Dafür gehen wir als Familie selten auswärts essen, sodass ich auf Lebensmittelkosten von insgesamt 1.250 Euro monatlich komme.
Hygieneprodukte: Da reichen mir meistens die Standardvarianten im Supermarkt. Für Zahnpasta, Rasierschaum, Deo und so weiter gebe ich beim Wochenendeinkauf rund 30 Euro aus. Erwähnenswert sind nur ein spezielles Duschbad und ein Haargel, das ich gern nutze, das sind zehn Euro im Monat extra. Hinzu kommt ein monatlicher Friseurbesuch für 20 Euro. So komme ich auf Ausgaben in Höhe von 60 Euro.
Kleidung: Ich brauche im Jahr ein neues Paar Laufschuhe. Sonst kaufe ich sehr unregelmäßig Kleidung, weil sie bei mir lange hält. Auch sind mir Marken nicht wichtig, das reduziert den Preis. Ich kaufe meine Hemden auch bei Primark oder günstig im Internet ein. Für Schuhe, Anzüge und Unterwäsche gebe ich deshalb auf den Monat gerechnet nur 45 Euro aus.
Telefon und Internet: Für Festnetz und Internet zahlen wir rund 60 Euro im Monat. Außerdem übernehme ich die Handyverträge aller Familienmitglieder, das sind zusammengerechnet 120 Euro. Aufaddiert lande ich bei 180 Euro im Monat.
Freizeit: Zum Ausgleich gehe ich nach der Arbeit gern laufen, ich zahle 20 Euro pro Jahr für eine Tracking-App, die meine Fortschritte misst. Sonst verbringen wir viel Zeit in Haus und Garten. Für 15 Euro habe ich einen Netflix-Zugang. Dasselbe zahle ich monatlich für Spotify, für Amazon Music kommen noch einmal zehn Euro dazu. Außerdem geben wir 70 Euro im Jahr für Amazon Prime aus. Für neun Euro leiste ich mir auch Disney+ und 18 Euro gehen für den Rundfunkbeitrag weg. Außerdem zahle ich sechs Euro für HD+ im Satellitenfernsehen. Zeitungen kann ich über meine Arbeit lesen, weil ich Zugang zum Pressearchiv des Bundestags habe. Ohne diese Option würde ich wahrscheinlich für ein Zeitungsabo zahlen, aber so bin ich gut mit den aktuellen Nachrichten versorgt. Meine privaten Abos, zum Beispiel beim Fußballmagazin 11 Freunde, habe ich mittlerweile alle gekündigt. Die Gartenarbeit kostet nur Zeit und Muße, aber kaum Geld. Zusammengerechnet gebe ich 99 Euro monatlich für unsere Freizeitgestaltung aus.
Mobilität: Wir besitzen ein gebrauchtes Auto. Das kostet 800 Euro im Jahr an Versicherung, hinzu kommen 150 Euro an Steuern, auf den Monat gerechnet sind das zusammen etwa 80 Euro. Ich persönlich nutze den Wagen kaum, tanke aber einmal im Monat für etwa 30 Euro. Insgesamt zahle ich also ungefähr 110 Euro für das Auto, sonst nutzt das Fahrzeug fast nur meine Frau und trägt auch die Kosten. Ich selbst fahre mit dem Zug zur Arbeit. Mein Monatsticket kostet sonst 120 Euro, aktuell nutze ich aber das 9-Euro-Ticket. An meinem Arbeitsort habe ich mittlerweile die E-Scooter zu schätzen gelernt. Das heißt, ich gebe fünf Euro für eine Monatsflat aus, um keine Aktivierungsgebühr zahlen zu müssen, und fahre für etwa 20 Euro im Monat im Stadtgebiet herum. Insgesamt komme ich so auf 140 bis 150 Euro im Monat für Mobilität.
Vereine und Spenden: Ich bin Mitglied in diversen Organisationen und Vereinen: Zum einen bin ich Fördermitglied beim Roten Kreuz in meinem Bundesland, dafür zahle ich 120 Euro im Jahr. Außerdem bin ich Fördermitglied bei den Johannitern, das sind noch einmal 20 Euro. Als Vereinsmitglied eines großen Fußballvereins zahle ich 50 Euro im Jahr. In einem anderen Verein engagiere ich mich als Schatzmeister, hier beträgt der Mitgliedsbeitrag 25 Euro im Jahr. Und dann spende ich monatlich 15 Euro an eine wohltätige Stiftung. Mir ist es wichtig, mich einzubringen – und bevor das Finanzamt das Geld kriegt, gebe ich es lieber dem Roten Kreuz. Aufaddiert macht das Ausgaben in Höhe von etwa 30 Euro im Monat.
Reisen: Wir verreisen sehr selten. Ich verdiene nicht schlecht, aber für eine Ibiza-Reise reicht es nicht. Dafür haben wir aktuell einfach keine Rücklagen. In der Urlaubszeit besuchen wir deshalb vor allem Verwandte, bei denen man ein Wochenende übernachten kann, oder wir machen Tagesausflüge hier in der Region. Sonst ist uns der eigene Garten Erholung genug. Für die ganze Familie kommen dann trotzdem 500 Euro pro Jahr zusammen, aber drei Wochen am Strand sind nicht drin. Im Monatsdurchschnitt sind das also 42 Euro.
Versicherungen: Im Jahr gebe ich 800 Euro aus für eine Kombination aus Haftpflicht und Gebäudeversicherung. Diese 65 Euro im Monat gehen von meinem Konto ab. Hinzu kommen 30 Euro monatlich für eine Zahnzusatzversicherung. Zusätzlich habe ich eine Risikolebensversicherung abgeschlossen, die mich pro Jahr 90 Euro oder eben 7,50 pro Monat kostet. Das war damals eine Bedingung der Bank für den Hauskauf, weil wir nur wenig Eigenkapital aufbringen konnten – damit die Bank nicht auf dem Kredit sitzen bleibt, wenn ich als Hauptverdiener ausfallen sollte. Im Todesfall würde die Lebensversicherung 75 Prozent der Finanzierung abdecken. Schließlich habe ich noch eine kapitalbildende Berufsunfähigkeitsversicherung. Ein Teil der Beiträge wird dabei vom Versicherer in Anleihen angelegt, um Vermögen anzusparen. Der andere Teil dient der Absicherung einer Versicherungssumme für den Todesfall. Sie kostet mich 70 Euro im Monat und ist Teil meiner Altersvorsorge. Zusammengerechnet zahle ich monatlich im Schnitt etwa 170 Euro für Versicherungen.
Sparen/Rente: Für die Altersvorsorge fließt ein Teil meines Bruttogehalts direkt in die Betriebsrente des Bundestags. Zusätzlich zahle ich über meine Bank 160 Euro im Monat in einen Aktienfonds ein. Damit habe ich vor nicht ganz zwei Jahren angefangen, als wir die Finanzierung des Hauses umgestellt haben. Die eine Hälfte wird eher konservativ angelegt, die andere Hälfte fließt in Biotechnologie, Techaktien und so weiter. Dort gibt es zwar ein größeres Risiko, aber auch die Rendite ist höher. Insgesamt dürfte ich aktuell rund 3.000 Euro angelegt haben.
Kredite: Für circa 200 Euro monatlich zahle ich einen Altkredit ab, den ich aufgenommen habe, bevor ich an meinen derzeitigen Job gekommen bin. Damals habe ich deutlich weniger verdient und musste größere Rechnungen oder beispielsweise die Rückzahlung meines Bafögs über den Kredit abwickeln. Das war mir lieber, als an vielen verschiedenen Stellen Raten abstottern zu müssen. Das sind quasi die Altschulden aus einem vorherigen Leben.
Was am Ende übrig bleibt
In einem normalen Monat bleiben etwa 300 bis 400 Euro übrig. Davon zahlen wir das, was sonst noch anfällt. Das kann die Schulsportwoche für die Kinder sein, ein neuer Satz Autoreifen oder eine Waschmaschine. In meinem vorherigen Job gab es immer wieder Momente, da war am Ende vom Geld noch etwas Monat übrig. Das hat uns gelehrt, sparsam mit unserem Geld umzugehen. Große Extravaganzen können wir uns auch jetzt nicht erlauben, aber wir kommen gut zurecht. Besser wird es, wenn meine Frau wieder mehr arbeitet, und auch wenn irgendwann meine Kinder ausziehen, dürfte sich unsere Situation weiter entspannen. Unser Haus wird vor meinem 50. Geburtstag abbezahlt sein, zusammen mit meiner Altersvorsorge gehe ich deshalb zuversichtlich in die Zukunft.
*Der Name des Protagonisten wurde geändert, weil er berufliche Nachteile vermeiden möchte. Sein Name ist der Redaktion aber bekannt.
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