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Feature

Pfarrer Berger und die Multifunktionskirche

„Vision Auferstehung 25“ – unter diesem Titel denkt die evangelische Kirche darüber nach, wie sie die Auferstehungskirche auf der Schwanthalerhöhe mit neuem Leben füllen kann. Radikale Ideen sind ausdrücklich erwünscht.

„Dürfen wir radikal sein?“, fragen die beiden Studentinnen. Im hohen Kirchenschiff verliert sich die Stimme schnell, man fühlt sich klein. Und die Aufgabe der Studentinnen wirkt umso größer. Sie sind Teil einer Gruppe junger Architekten

der TU München, die eine Kirche wiederbeleben sollen. Der Pfarrer dieser Kirche, Bernd Berger, bemerkt die Ehrfurcht vor diesem Raum bei vielen Menschen und ermutigt die  Studentinnen: „Trauen Sie sich etwas!“ Berger möchte die Auferstehungskirche auf der Schwanthalerhöhe umgestalten und hofft auf junge frische Ideen: „Lassen Sie Ihre Fantasie spielen: Welche Kirche wollen Sie für Ihre Generation?“

Die Frage nach der Kirche der Zukunft treibt Pfarrer Berger um, seit er im März dieses Jahres aus Reinfeld in Schleswig-Holstein nach München gekommen ist. Die Liste seiner Ideen für die Aufersteh­ungskirche ist lang, sie könnte auch in einem Start-up-Unternehmen hängen: Coworking-Spaces, eine Café-Lounge, multifunktionale Räume. Warum nicht, im Projekt „Vision Auferstehung 25“ gibt es keine Denkverbote. Bis 2025 soll die Kirche umgestaltet sein und neue Besucher anziehen.

Und das ist bitter nötig. Kurz vor Beginn des sonntäglichen Gottesdiensts versammeln sich 36 Gläubige in der Kirche – Platz wäre für 800. Ein paar verschlafene Konfirmanden kommen zu spät, sie senken den Altersschnitt rapide. Dieser Sonntag in der Auferstehungskirche ist keine Ausnahme: Schon unter Bergers Vorgängerin kamen selten mehr Gläubige, Berger selbst nennt diesen Gottesdienst später „ganz gut besucht“.

„Genauso wie Parteien und Gewerks­chaften kämpfen auch die Kirchen seit Langem mit Mitgliederverlusten“, erklärt die Religionssoziologin Irmhild Saake. Die Bindung an die Institutionen lasse nach. Studien zeigen, dass nicht mal mehr jeder Zehnte einmal pro Woche in die Kirche geht. Und je mehr sich das Stadtviertel Schwanthalerhöhe wandelt, desto stärker fällt es auf. Für Saake ist klar: „Die Idee der kirchlichen Mitgliedschaft hat für viele Menschen im Alltag keine große Bedeutung mehr wie früher.“

Mehr als 3000 Mitglieder hat die Gemeinde von Pfarrer Berger. Er will Veränderung, um sie weiterhin oder vielleicht wieder zu erreichen. Flexible Bestuhlung statt starrer Bankreihen, der Gottesdienst soll Erlebnis sein. Familienfreundlich und mit Bewegung, kein Frontalunterricht. Deshalb steht auch der Umbau der Kirche selbst im Raum. Ein ambitioniertes Vorhaben, doch einige Kirchen haben diesen Schritt gewagt. Auch schon in München: In die Rogatekirche in Perlach zog die Evangelische Jugend als Mitnutzer ein, in St. Markus an der Gabelsbergerstraße finden seit einem Umbau auch Veranstaltungen statt.

Nicht alle in der Gemeinde sind begeistert von den Plänen. Schon vor Jahren war ein Neubau des Pfarrhauses im Gespräch – passiert ist nichts. Pfarrer Berger hält dagegen: „Wenn die Kirche so bleiben soll, wie sie ist, dann wird sie nicht bleiben.“ Er geht kleine Schritte. Am Gründonnerstag wurden die vordersten Sitzreihen umgestellt und in Erinnerung an das Letzte Abendmahl wurde gemeinsam gespeist. Am Karfreitag standen die Bänke wieder an ihrem Platz. Doch die Atmosphäre beim gemeinsamen Essen sei ein Aha-Erlebnis für manche Skeptiker gewesen. Ein Teilerfolg für Berger, der weitermachen will: „Wir brauchen kommunikative Räume, in denen eine zeitgemäße Verkündigung des Evangeliums möglich ist. Der Denkmalschutz ist in dem Fall nachrangig.“

Genau dieser Denkmalschutz steht allerdings vielen Ideen entgegen. 1931, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde die Kirche von German Bestelmeyer neu gebaut und noch immer steht der Backsteinbau unverändert auf der Schwanthalerhöhe – „wie eine Trutzburg“, findet Pfarrer Berger. Es fehle nur ein Wassergraben.

Bis 2025 soll aus der Auferstehungskirche „ein spirituelles, soziales und kulturelles Zentrum in diesem lebendigen Stadtteil“ werden. Wie das gelingen soll, ist noch offen. Ende des Jahres sollen konkrete Pläne vorliegen. Eines der Ziele steht schon fest: Die verschiedenen Bereiche der Diakonie auf der Schwanthalerhöhe an einem Ort zu bündeln und das evangelische Migrationszentrum aus der Bergmannstraße in die Kirche zu verlegen. Das könne die Zusammenarbeit verbessern, Geld sparen und die Bewohner des Viertels an die Kirche binden. Für Pfarrer Berger ist das der wichtigste Punkt: „Wir haben den biblischen Auftrag, mit den Menschen im Stadtteil in Beziehung zu treten.“